Wort zum Wort des Bischofs: Wie sieht der Himmel aus?

Lesezeit: ~ 6 Min.

Wort zum Wort des Bischofs: Wie sieht der Himmel aus? – Gedanken und Fragen zu einem Beitrag von Kardinal Woelki, veröffentlicht von domradio.de am 24.6.2018


Quelle: domradio.de

Die Frage stellt jedes Kind irgendwann: Was meinen wir Christen eigentlich, wenn wir von unserem „Gott im Himmel“ sprechen? Wenn es einer wissen muss, dann ein Kardinal…*

Diese Frage stellt sich nicht jedes Kind irgendwann. Sondern nur Kinder, die mit christlicher Mythologie indoktriniert wurden.

Interessant finde ich, dass hier speziell von Kindern die Rede ist. Denn schließlich gehört es zum Älterwerden dazu, irgendwann mal zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden zu lernen.

Während Kinder Phantasiewesen wie Weihnachtsmann, Osterhase, Zahnfee, sprechende Elefanten oder auch imaginäre Freunde ab einem gewissen Alter zumeist zuverlässig als von Menschen erfundene Phantasieprodukte entlarven, schaffen es gläubige Eltern mitunter heute noch, ihren Kindern ihre jeweils geglaubten Götter als tatsächlich existierende Größen einzureden. Meistens genau so, wie es ihnen selbst im Kindesalter ergangen war.

…na, dann sind wir mal gespannt, was der Kardinal so alles weiß… Oder genauer: Vorgibt zu wissen.

Wie im Himmel so auf Erden

[…] Aber was meinen wir Christen eigentlich, wenn wir von unserem „Gott im Himmel“ sprechen? Was bedeutet es, wenn wir im Vaterunser ganz selbstverständlich beten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden…“?

Nach meiner Erfahrung aus vielen Gesprächen mit Gläubigen bedeutet diese Selbstverständlichkeit für viele Christen, dass es ihnen im Grunde einfach völlig egal ist, was sie da immer und immer wieder herunterleiern. Wie sie es meist schon im Kleinkindalter beigebracht bekommen hatten.

Meist, weil für sie die gefühlten Vorteile der Zugehörigkeit zu ihrer Glaubensgemeinschaft überwiegen, sind viele Wischi-Waschi-Christen bereit, Absurditäten wie „Gott im Himmel“ frag- und kritiklos hinzunehmen.

Was ja auch nicht allzu schwer fällt: Für die irdische Wirklichkeit ist ein solcher Gott im Himmel völlig irrelevant. Nichts lässt sich mit ihm in einen ursächlichen Zusammenhang bringen. Es genügt, sich einfach einen kleine Ausnahmeregel im kritischen, vernünftigen Denken einzurichten. Eine Art Sondergenehmigung für das Für-Wahr-Halten einer Behauptung, die bei Licht betrachtet nicht wahr ist.

Daneben gibt es natürlich auch Glaubensvertreter wie Herrn Woelki, die tatsächlich noch ernsthaft meinen, irgendeinen tieferen Sinn in solchen Fiktionen erkennen zu können. Dass es nicht nur un-, sondern sogar völlig widersinnig ist, einen doch sowieso allmächtigen Gott auch noch darum zu bitten, dass dessen Wille geschehe, stört sie dabei nicht.

Viele Himmel

Viele Religionen kennen den Himmel. Ein Ort, der nicht von dieser Welt ist.

Und die Anhänger aller dieser vielen Religionen sind felsenfest davon überzeugt, dass „ihr“ Himmel der einzig wahre ist. Ob auch nur einer davon Recht hat und wenn ja, welcher, lässt sich nicht sagen.

Was sich allerdings schon sagen lässt: Verglichen mit dem Wissensstand zu der Zeit, als die biblischen Mythen verfasst worden waren, wissen wir heute so unendlich viel mehr über die Beschaffenheit des Universums, dass die religiöse Vorstellung eines Ortes, „der nicht von dieser Welt ist“ geradezu lächerlich wirkt.

Warum es in vielen Religionen einen solchen „außerirdischen“ Raum gibt, liegt auf der Hand: Wenn man die Existenz von Götterwesen behaupten möchte und keinen einzigen überprüfbaren Beleg für deren Wirken liefern kann, dann kommt so ein Himmel schon mehr als gelegen.

Schon im ersten Satz der Bibel, im Buch Genesis, findet sich in der Schöpfungsgeschichte der erste Hinweis: „Da schuf Gott Himmel und Erde“.

Und wer schuf Gott?

Gott sah übrigens, dass seine Schöpfung sehr gut war!

Was ist von einem Schöpfer zu halten, der seine Schöpfung dieser Erde als „sehr gut“ bezeichnet? Was soll „sehr gut“ überhaupt bedeuten? „Sehr gut“ wozu, für wen, nach welchen bzw. wessen Maßstäben?

Und wer zum Geier hatte damals mitbekommen, was der Schöpfer nach Fertigstellung „seines“ Planeten und des dazugehörigen Himmels über seine Schöpfung gedacht hatte? Wer war der allwissende Erzähler, der die Gedanken des allmächtigen Schöpfergottes kannte, die dieser hatte, noch bevor er den ersten Menschen geschöpft hatte?

Heaven vs. Sky

Für uns Christen ist der Himmel nicht automatisch oben über den Wolken verortet, auch wenn uns das in unserer Vorstellung hilft.

Inwiefern hilft es der Vorstellung, der (göttliche) Himmel sei „oben über den Wolken verortet“? Weil die Existenz eines „heaven“ weniger absurd erscheint, wenn man ihn mit „sky“ gleichsetzt? So war das den Menschen damals vermutlich auch gegangen, die sich dieses irrige, mythologisch basierte Weltbild ausgedacht hatten. Ein Weltbild, das von Unwissenheit zeugt.

Der Himmel ist für uns immer der Ort, wo wir die größte Nähe zu Gott erleben können. Unser Himmel ist ganz konkret also der Ort, wo unser Gott wohnt. Wo er zuhause ist.

Himmel
Stairway to heaven?

Laut katholischem Dogma ist der Bibel-Monogott unter anderem auch omnipräsent, also allgegenwärtig. Davon ausgehend lässt sich kein davon irgendwie abgetrennter Ort definieren, „wo unser Gott wohnt.“ Wenn Gott allgegenwärtig ist, dann auch in Viren, Parasiten, Krebszellen. In Tsunamis, Dürrekatastrophen, Giftgas und Diktatoren.

Es ist mir ein Rätsel, wie ein erwachsener, ansonsten vermutlich aufgeklärt denkender Mensch im 21. Jahrhundert solche offensichtlichen Widersprüche einfach ignorieren kann, um seine (selbst-)betrügerischen religiösen Wunschphantasien glauben und auch noch zum Besten geben zu können.

Und mindestens genauso rätselhaft ist es für mich, wie Menschen sowas einfach völlig kritik- und fraglos hinnehmen können.

Einbildung einer hoffnungsvoll wirkenden Illusion

Als Christ lebe ich in der Hoffnung, dass ich am Ende meiner Tage in Gottes offene Arme falle. Ich setze dann auf Gottes Liebe und hoffe auf Gottes Erbarmen und darauf, dass ich für immer in Gottes Nähe bleiben darf. Dass Gott mir in seinem Reich wirklich die versprochene Wohnung bereitet hat.

Na, da braucht sich Herr Woelki ja keine Sorgen zu machen – die Voraussetzungen dafür dürfte er ja erfüllen:

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. (Mk 16,16 EU)

Was Herr Woelki sonst noch so zu Lebzeiten veranstaltet oder unterlässt, scheint nach biblischer Aussage offenbar keine Rolle zu spielen, wenn es um den Eingang in die himmlische Herrlichkeit geht.

Dumm nur, wenn Herr Woelki vielleicht doch in die falsche Religion hineingeboren gewesen sein sollte. Denn dann würde ihn möglicherweise die Verurteilung durch irgendeinen anderen Gott erwarten. Weil er als Katholik zeitlebens den falschen Gott angebetet hatte. Und gerade Monogötter können sehr eifersüchtig sein…

Den Aspekt, dass dieser Hoffnung auf eine bereitete Wohnung im Himmel die Androhung einer zeitlich unbegrenzten physischen und psychischen Dauerbestrafung durch Höllenqualen bei vollem Bewusstsein gegenübersteht, verschweigt Herr Woelki seinen Zuschauern. So restlos sicher scheint er sich auch nicht zu sein, denn sonst könnte er sich ja einfach auf die posthume Belohnung freuen, statt darauf hoffen zu müssen.

Mit eigenen Augen

[…] Aber zuallererst ist Himmel für uns Christen der Ort, an dem wir Gott anschauen dürfen. Denn wenn wir bei Gott sind und Gott mit unseren eigenen Augen sehen dürfen, dann sind wir ganz und gar von seiner Liebe umfangen. Eben genau so, wie die junge Mutter ihr Kind voller Liebe in die Augen schaut.

Würde jemand öffentlich behaupten, Menschen würden nach ihrem Tod irgendetwas mit ihren eigenen Augen sehen, dann würde man zurecht den Geisteszustand desjenigen in Frage stellen. Im religiösen Kontext kann man selbst den größten Unsinn, am besten mit einem bedeutungsvollen Gesichtsausdruck in eine Kamera sprechen, ohne dass das irgendwer seltsam findet.

Auch dieses religiös-nebulös-verklärte Geschwurbel scheitert, wenn man es ernst nimmt, wieder an den selbst aufgestellten Dogmen: Wenn Gott, wie laut katholischem Dogma festgelegt, allgütig ist, dann ist jeder und alles jederzeit „ganz und gar von seiner Liebe umfangen.“ Also auch das Kind, das gerade ohne irgendwelche göttliche Intervention verhungert oder ertrinkt. Und genauso der Massenmörder und der Vergewaltiger.

Theodizee tut Woelki nicht weh

Wenn ein allmächtiger Gott auch allgütig ist, dann muss alles, was geschieht Teil seines allgütigen Allmachtsplans sein. Andernfalls wäre er entweder nicht allgütig oder nicht allmächtig. Man könnte aufgrund dieser Widersprüche fast auf die Idee kommen, es gäbe ihn gar nicht. Könnte man, wenn man nicht sein Geld damit verdienen würde, solches zu behaupten.

Wenn die Anhänger anderer Religionen zum Beispiel von ihrer Aussicht auf einen Himmel mit 72 Jungfrauen oder mit Stripperfabrik und Biervulkan schwärmen, werden sie (nicht nur, aber auch) von Christen oft belächelt. Dass sämtliche religiösen „Himmel“ alle gleich absurd sind, stört sie dabei nicht.

Und nebenbei gefragt: Schaut eine alte Mutter ihrem Kind weniger liebevoll in die Augen als eine junge Mutter? Oder verarbeitet da vielleicht jemand nur irgendwelche Kindheitstraumata?

Herr Woelki, wenn Sie sich so nach Liebe sehnen, hätten Sie sich da vielleicht nicht lieber für einen anderen Beruf entscheiden sollen? Einen ohne Zölibat? Immerhin bleibt Ihnen so die Reaktion einer Ehefrau erspart, wenn Sie ihr erklären, dass Sie in ihrer Liebe die Liebe Ihres Gottes spüren.

Gott selber erkennen – in den Augen der Geschwister

[…] Gottes Liebe wird uns Menschen schon hier auf Erden geschenkt. Gerade dann, wenn wir in den Augen unserer Schwester, unseres Bruders Gott selber erkennen. Dann beginnt der Himmel schon hier auf Erden.

Herr Woelki, woran können Sie erkennen, dass die Liebe, die Sie in den Augen Ihrer Schwester oder Ihres Bruders sehen, tatsächlich, also  „in Wirklichkeit“ vom biblisch-christlichen Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegott Jahwe stammt, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten?

Was ist das für ein Gott, der Sie seine Liebe in den Augen Ihrer Geschwister erkennen lässt, während zeitgleich andere Lebewesen unvorstellbarem Leid und Elend ausgesetzt sind? Ohne irgendein Eingreifen des allmächtigen Allgütigen?

Meinen Sie mit „Schwester“ und „Bruder“ eigentlich Ihre Geschwister oder die Zugehörigen Ihrer Glaubensgemeinschaft? Und meinen Sie auch in den Augen anderer Menschen die Liebe Ihres Gottes zu erkennen?

Woran erkennen Sie, dass es göttliche und nicht einfach menschliche Liebe ist, die Sie wahrzunehmen meinen? Wen oder was erkennen Sie in den Augen von Menschen, die Sie nicht liebevoll, sondern vielleicht gleichgültig oder grimmig anschauen?

Kurz: Stört es Sie wirklich nicht, dass Ihre religiös erweiterte Scheinwirklichkeit ganz offensichtlich nicht mit der irdischen Realität kompatibel ist?

Natürlich ist es Ihre persönliche Angelegenheit, wie Sie sich Ihre private Vorstellungswelt zusammenbasteln. Aber was versprechen Sie sich davon, Ihre religiösen Phantasien öffentlich wie Tatsachen zu behaupten? Und so nicht nur sich selbst, sondern womöglich auch noch andere Menschen in die Irre zu führen?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag von domradio.de.

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