Die Botschaft der Sternsinger 2019 – Das Wort zum Wort zum Sonntag verkündigt von Lissy Eichert (kath.), veröffentlicht am 5.1.2019 von ARD/daserste.de
Zum Thema Sternsinger gibts schon einige Artikel auf AWQ.DE. Viel geändert hat sich seitdem nichts. Eltern sollten sich gut überlegen, ob sie der katholischen Kirche wirklich erlauben möchten, ihre Kinder für kirchliche PR-Aktionen zu instrumentalisieren.
Mit Kreide schreiben sie einen Segenswunsch an die Tür: Jesus Christus möge alle segnen, die hier wohnen oder arbeiten.*
Ja – auf die göttliche Allmacht und Allwissenheit allein kann und will man sich offenbar nicht verlassen. Sicher ist sicher. Wer weiß, vielleicht ist der liebe Gott ja gerade wiedermal unterwegs auf Kindermördertour:
- In dieser Nacht gehe ich durch das Land Ägypten und erschlage im Land Ägypten jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh. Über alle Götter Ägyptens halte ich Gericht, ich, der HERR.
Das Blut an den Häusern, in denen ihr wohnt, soll für euch ein Zeichen sein. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage. (2. Mose 12, 12-13 EU)
Mit einer Markierung weiß der Allwissende dann jedenfalls, wen er zu segnen hat. Und wen nicht.
Sternsinger 2019: PR für eine Handvoll Cent
Bei mir in Berlin-Neukölln sind die Sternsinger auch im Rathaus willkommen, mitsamt ihrer klappernden Sammelbüchse.
Die Sternsinger sind immer bei all jenen Politikern willkommen, denen die staatliche Neutralität egal ist und die immer gerne die religiös instrumentalisierten Kinder für ihre eigene PR instrumentalisieren.
Diese Imagewerbung gibts fast zum Nulltarif: Denn für den PR-Effekt genügen ein paar Cent, die in der Sammelbüchse klappern. Und die tun weder dem Politiker, noch dem Klerus weh.
Die Spenden, um die sie in diesem Jahr bitten, kommen Kindern mit Behinderungen zugute. Überall auf der Welt sollen sie geschützt, gestärkt und gefördert werden. Die Sternsinger: kleine Weltverbesserer. Gelebter Glaube ist das. Und sie haben auch noch einen Riesenspaß dabei.
Selbstverständlich ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn sich jemand für bedürftige Mitmenschen engagiert. Das ist allerdings nicht unbedingt gelebter Glaube. Denn gelebter Glaube kann alles Beliebige sein. Vielmehr ist es gelebte Mitmenschlichkeit.
Und Anderen zu helfen verschafft dem Helfenden tatsächlich ein Glücksempfinden. Auch dieses hat nichts mit religiösem Glauben zu tun. Sondern mit Vorgängen im Belohnungszentrum menschlicher Gehirne.
Heuchlerei und Beigeschmack
Aber: Ausgerechnet die katholische Kirche hätte umfangreichstes Potential, überall auf der Welt Kinder (mit und ohne Behinderungen) zu schützen, zu stärken und zu fördern. Aber statt die eigenen Milliarden zum Wohl der Allgemeinheit anzutasten, schickt man lieber Kinder auf Werbe- und Betteltour.
Eine Heuchelei, die nur als zynisch bezeichnet werden kann. Wenn man bedenkt, dass es hier um echtes Leid echter Menschen geht.
Und auch in Hinblick auf den katholischen Sexualstraftatskandal und den Umgang der katholischen Kirche damit klingt die Absichtserklärung „Kinder schützen, stärken und fördern“ erst recht wie blanker Hohn. Von Sätzen wie „Und sie haben auch noch einen Riesenspaß dabei“ ganz zu schweigen.
Gerade wurde ein weiterer Fall katholischer Pädokriminalität bekannt: Ein Schweizer Caritas-Lagerleiter soll 20 Mädchen missbraucht und gefilmt haben.
Frau Eichert bittet zum rhetorisch-theologischen Tänzchen
Im Folgenden führt Frau Eichert wiedermal ein rhetorisch-theologisches Tänzchen vom Feinsten auf: Sterne hätten früher „immer auch religiöse Bedeutung“ gehabt. Dass der Stand der Sterne keinen Einfluss auf das irdische Geschehen hat (solange sie nicht mit der Erde kollidieren), hält Frau Eichert nicht für erwähnenswert. Genausowenig wie die Tatsache, dass Astrologie Unsinn ist.
Nein – einmal mehr gilt es, den astrologisch-esoterischen Aberglauben nicht so eindeutig und offensichtlich als Illusion bzw. Einbildung zu entlarven, dass dabei der eigene, nicht minder absurde religiöse Aberglauben etwas abbekommen könnte (Hervorhebung von mir):
Damals hatten die Sterne immer auch eine religiöse Bedeutung. […] Laut Bibel gibt´s ein Happy End: In Betlehem werden sie fündig. Im Jesuskind erkennen sie diesen König, der die Welt verändern wird. Eine echte „Sternstunde“.
Vom Zusammenhang zwischen Sternen und Religion spricht Frau Eichert in der Vergangenheitsform. Ja, damals war das noch so…. Anders klingt es, wenn es um ihre biblisch-christliche Gottessohnlegende geht. Das ist dann plötzlich ein gegenwärtiges Ereignis. Bei dem zugleich noch eine angeblich positive Auswirkung auf die Zukunft antizipiert wird.
Ob sie die seitdem vergangene Zukunft, oder die noch vor uns liegende Zukunft meint, verrät Frau Eichert sicherheitshalber nicht. Bis heute hat nicht der hier beschriebene „König“ die Welt verändert. Sondern Menschen, die im vermeintlichen Auftrag und Namen dieses „Königs“ gehandelt haben und handeln.
Und diese Veränderungen haben nicht nur zu Sternstunden geführt. Sondern auch zur 10bändigen Kriminalgeschichte des Christentums.
Einmal Esoterik und zurück…
Es kostet Frau Eichert nur ein paar weitere verbale Pirouetten, um von der Astronomie („Schon zurzeit Jesu beobachteten Forscher die Gestirne, konnten Sonnen- und Mondfinsternisse verblüffend genau vorausberechnen.“) über die Astrologie („In der Stellung der Gestirne sah man Hinweise auf bevorstehende große Ereignisse.“) und weiter über die biblische Mythologie (“ In Betlehem werden sie fündig. Im Jesuskind erkennen sie diesen König, der die Welt verändern wird.“) zu einem unverfänglichen Allgemeinplatz „Sternstunde“ zu kommen.
Als irgendetwas im Sinne eines nicht näher definierten Glückserlebnisses. Ganz ohne religiöse Konnotation. Und sind wir denn nicht alle auch heute auf der Suche nach solchen Glücksmomenten? Wie die Sterndeuter damals? Na bitte.
Und heute? Ja, es gibt sie, die „Sternstunden“ auf dem Lebensweg. Dafür müssen Sie nicht nach Betlehem fahren, sondern vielleicht eine Reise nach innen antreten. Das kann auch schwer sein, denn: Immer mit dabei sind all die Umwege, Irrwege, die Abgründe, die finsteren Zeiten. Wo bleibt dann die Erleuchtung?
Mit anderen Worten: Um sein persönliches Glück muss man sich schon selbst („…Reise nach innen…“) kümmern. Da helfen keine Sterne. Aber Vorsicht: Das klappt nicht immer – und dann braucht es „Erleuchtung“!
…oder auch nicht
Und schwupps! Sind wir doch wieder bei der astrologisch-biblisch-christlich-esoterisch verstrahlten Phantasy-Vorstellungswelt:
Mir hilft da das Bild vom Morgenstern. Er leuchtet vor dem Sonnenaufgang. Kündigt das Ende der Nacht an. So ein Licht, hell wie der Morgenstern, soll in meinem Herzen aufgehen, heißt es in der Bibel. Ich finde, das ist ein großartiges Versprechen – für neuen Lebensmut, für ein Licht am Ende des Tunnels. Deshalb beeindrucken mich auch diese Sterndeuter: Wie sie ihrer Sehnsucht treu bleiben. Offen sind für neue Einsichten. Wie sie unerschrocken auf der Spur bleiben. Bis sie gefunden haben.
Nebenbei bemerkt: Die biblische Legende von den Sterndeutern beinhaltet jede Menge Anspielungen auf frühere Narrative, die dadurch wie eingetroffene Prophezeiungen erscheinen sollen. Ein sprachlicher Trick, der in den biblischen Texten immer wieder anzutreffen ist. Und der augenscheinlich viele Jahrhunderte lang beeindruckend gut funktioniert hatte.
Aber was will uns Frau Eichert jetzt aber eigentlich mitteilen? Ich fasse sinngemäß zusammen: Menschen streben danach, glücklich zu sein. Dieses Streben kann durch viele Unwägbarkeiten des Lebens behindert werden. Und dann bedarf es einer „Erleuchtung.“
Aus dem Kontext kann man sich unschwer erschließen, was Frau Eichert mit dieser Erleuchtung wahrscheinlich meint: Den von ihr verkündigten Glauben an den biblischen Wüstengott Jahwe. Hier vermutlich in Gestalt seines eigenen Sohnes. Denn im Neuen Testament bezeichnet der biblische Romanheld Jesus sich selbst als Morgenstern (Offenbarung 22,16). Wobei an anderer Bibelstelle der Morgenstern auch als Luzifer bezeichnet wird.
Interessanterweise verzichtet Frau Eichert aber auf eine klare, eindeutig verständliche Aussage. Die zum Beispiel lauten könnte: „Ich brauche/ihr braucht meinen Glauben als Orientierung, denn von alleine komme ich/kommt ihr auf keinen grünen Zweig.“
Lichtspur im Lebenschaos
Ihre eigentliche Aussage vernebelt sie durch allerlei Wortgirlanden, hohle Phrasen und nichtssagende Allgemeinplätze:
Denn auch ich bin auf der Suche. Suche nach der Lichtspur im Lebenschaos. Weil ich Orientierung brauche. Und Momente, in denen mir ein Licht aufgeht oder ein Problem sich löst, das unlösbar schien. Wenn ich neue Lebensenergie spüre. Meine Erfahrung ist: Solche „Sternstunden“ geschehen, wenn ich aufbreche. Mich immer weiter auf die Suche mache. Und überraschen lasse.
Frau Eichert, wenn Sie schon herausgefunden haben, dass Sie Orientierung brauchen in Ihrem Lebenschaos, dann habe ich einen heißen Tipp für Sie: Orientieren Sie sich doch mal statt an absurden biblischen Göttermythen und fragwürdigen Glaubenslehren an Ihrer Vernunft, der irdischen natürlichen Wirklichkeit und am Humanismus!
Dann könnten Sie sich auch die öffentliche Verkündigung von aneinandergereihten sinn-leeren Floskeln und viel-, aber dadurch eben auch nichtssagenden Phrasen sparen.
Ihre heutige Verkündigung legt für mich zwei mögliche Schlüsse nahe:
Entweder, Sie halten die biblisch-christliche Mythologie und den Glauben daran tatsächlich für eine sinnvolle Orientierungshilfe für Menschen im 21. Jahrhundert, schämen sich aber, dies so deutlich zum Ausdruck zu bringen. Deshalb sprechen Sie lieber von „Erleuchtung“ durch „Lichtspuren“ und hoffen, dass Ihre Zuschauer (wenigstens die älteren oder sowieso schon religiös imprägnierten Semester) schon schnallen werden, dass Sie damit – natürlich, was denn sonst – Ihren Glauben meinen. In diesem Fall wäre mit „Erleuchtung“ – wohl irgendwas Religiös-Esoterisches gemeint?
Oder, Sie haben sich tatsächlich schon so weit von Ihrer Glaubenslehre befreit, dass Sie die biblischen Mythen und Legenden nur noch als abstrakte Metaphern für bestimmte menschliche Verhaltensweisen interpretieren. Dafür wäre ein Bezug auf Göttervorstellungen dann hinfällig. Und die „Erleuchtung“ wäre einfach die Erkenntnis als Ergebnis von ehrlichem, vernünftigem, rational-kritischem, ergebnisoffenem Denken.
Frau Eichert, sicher meinen Sie es auch diesmal wieder gut. Sicher möchten Sie Menschen Mut machen. Und lassen Sie deshalb an Ihrer eigenen, für Sie wahrscheinlich tatsächlich hoffnungsvoll erscheinenden Imagination teilhaben.
Aber wäre es nicht viel sinnvoller, ehrlicher und naheliegender, sich dabei an der irdischen Wirklichkeit zu orientieren? Statt krampfhaft zu versuchen, hier noch irgendwie eine gar nicht mehr benötigte religiöse Komponente mit hineinzuschmuggeln?
Könnte Ihre Message nicht zum Beispiel einfach so formuliert werden:
- Streben Sie danach, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen, wie auch immer das für Sie aussehen mag, ohne dabei gleichberechtigte Interessen Anderer zu verletzen!
- Orientieren Sie sich dabei am Diesseits und an der irdischen natürlichen Wirklichkeit!
- Vertrauen Sie auf sich und auf Ihre Fähigkeiten – und auf Menschen, denen Sie vertrauen können!
- Hoffen Sie nicht auf eine jenseitige Belohnung und fürchten Sie sich nicht vor einer jenseitigen Bestrafung!
- Lernen Sie, mit den Unwägbarkeiten des Lebens umzugehen und zögern Sie nicht, wirksame Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie Hilfe benötigen!
- Tragen Sie aktiv dazu bei, dass die Welt ein gesunder, friedlicher und fairer Lebensraum für alle Lebewesen bleibt bzw. wird!
- …
…und schon könnten sich von Ihrer Verkündigung alle Menschen angesprochen fühlen. Ganz unabhängig davon, ob sie Ihre religiösen Vorstellungen teilen oder nicht. Einziger Wermutstropfen für Sie: Göttervorstellungen werden hier nicht mehr benötigt. Weil es um Menschen geht. Im Diesseits.
Und umgekehrt: Wenn diese beispielhaft aufgelisteten Aussagen nicht Ihrer Intention entsprechen sollten, dann nennen Sie Ihre Hoffnungsquelle doch beim Namen, statt sie mit rhetorischen Nebelkerzen bis zur Unkenntlichkeit zu vernebeln!
So hat man nämlich den Eindruck, dass Sie es absichtlich darauf anlegen, nicht verstanden zu werden.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Sternsinger 2019.
Sehr erhellend und amüsant, wie Du dieses Gelaber auseinandernimmst und in der korrekten Reihenfolge wieder zusammensetzt. Eine Frage dazu: Konfrontierst Du die Urheber des Sermons, hier Frau Eichert, auch direkt damit? Gibt es Reaktionen?
Hallo Rene, wir laden die Sprecherinnen und Sprecher fast immer per Mail ein, uns ihre Gedanken zu unseren Gedanken mitzuteilen – entweder in Form eines öffentlichen Kommentares direkt auf der Seite oder nicht-öffentlich per E-Mail.
Öffentlich wollte sich bis jetzt noch keiner der Kirchenangestellten äußern und die Antworten per E-Mail lassen sich inhaltlich mit der Aussage: „Naja, da werden wir wohl kaum auf einen gemeinsamen Nenner kommen“ zusammenfassen.
Ein Sprecher hatte sich mal über den Umstand echauffiert, dass wir ihn angeschrieben hatten – also nicht etwa darüber, *was* wir zu seiner Verkündigung geschrieben hatten, sondern dass wir ihn per Mail kontaktiert hatten, um ihn darauf hinzuweisen.
Insgesamt lassen sich die Antworten bis jetzt an einer Hand abzählen. Man mahnt lieber zur Diskussionsbereitschaft, als dass man sie tatsächlich zeigt…
Ich kann gut verstehen, dass man sich der Debatte nicht stellen möchte, und schon gar nicht öffentlich.
Das Wort zum Sonntag hat einen recht guten Sendeplatz, wo es quasi „nebenbei“ gehört werden kann, ohne dass die Zuschauer explizit dafür einschalten müssten (denn das würden sie nicht tun). Die Einschaltquoten sind zwar nur einstellig, aber das bedeutet dennoch ein Millionenpublikum. Für die Priester, die zuvor jahrzehntelang vor leeren Bänken (und Köpfen) sprachen, ist das natürlich der ganz große Hauptgewinn.
Besser wird’s nicht. Die Kirchen können nur hoffen und beten, dass dieser Zustand lange erhalten bleiben wird. Jede Veränderung, jede Debatte, jeder kritische Diskurs wird ihre Lage nur verschlechtern, nicht verbessern.
Diese Strategie des Wegduckens wird erfolgreich sein, wenn dadurch der kritische Diskurs tatsächlich unterbleibt; sie wird scheitern, wenn der Diskurs dennoch stattfindet.
Deswegen: Das Beste, was man gegen die Scharlatanerie dieser Leute unternehmen kann, besteht darin, die Debatte trotzdem zu führen. Denn so wie die Kirchen davon profitieren, wenn sie ihre Thesen ungestört ausbreiten können, profitiert auch die säkulare Bewegung, wenn sie ebenfalls ungestört argumentieren kann.
Entscheidend ist nicht, ob die Kirchen an der Debatte teilnehmen. Sondern entscheidend ist, dass die Debatte geführt wird. Wenn die Kirchen dann schmollend am Rand stehen — umso besser.