Lebenswettlauf – Das Wort zum Wort zum Sonntag über Sport in der Bibel

Lesezeit: ~ 6 Min.

Lebenswettlauf – Das Wort zum Wort zum Sonntag über Sport in der Bibel, verkündigt von Lissy Eichert (kath.), veröffentlicht am 09.02.2019 von ARD/daserste.de

Die Versuche, im „Wort zum Sonntag“ der biblisch-christlichen Lehre noch irgendeine Relevanz zuzuschustern, indem man sie mit aktuellen Themen in Verbindung zu bringen versucht, nehmen mitunter groteske Formen an.

Ein weiteres Beispiel liefert Frau Eichert in ihrer heutigen Fernsehpredigt.

Fussball-Floskeln und Biathlon-Banalitäten

Von Fussball-Floskeln und Biathlon-Banalitäten gehts weiter in eine für religiöse Verkündigungen geeignete Richtung. Und schon ist die Rede vom „Wettkampf als ein Gleichnis für das Leben. Für den Lebenswettlauf.“

Dabei wusste doch schon der große Philosph und Dichter Hape Kerkeling längst, dass das ganze Leben nur ein Quiz ist. Und wir sind nur die Kandidaten…

Aber diesmal solls ja irgendwas mit Sport sein. Und mit Homosexualität verträgt sich Katholisch auch nicht. Deshalb gibts bei Frau Eichert Biblisches.

Zum Glück für alle zeitgenössischen Religionsverbreiter hatte irgendwer tatsächlich mal ein paar Zeilen in die Bibel geschrieben, in denen ein sportlicher Wettkampf als Metapher vorkommt:

Sport begeistert. Macht Spaß.

Neu ist dieser Vergleich nicht: Schon der Apostel Paulus sieht den gelebten Glauben sportlich. Er will Jesus Christus nacheifern. Dafür geht er wie ein Wettläufer an den Start. Aber er „will nicht ziellos laufen“, schreibt er in einem Brief an die Bewohner von Korinth. Vor den Toren der Stadt fanden damals bedeutende Wettkämpfe statt. Und so verstand man sofort: Ja, Sport begeistert. Macht Spaß. Es gibt die Aussicht auf Sieg. Aber ohne Training, ohne Anstrengung kein Erfolg.

„Training und Anstrengung“ bedeutet bei Paulus Züchtigung und Unterwerfung des Leibes:

  • Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen. Darum laufe ich wie einer, der nicht ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust wie einer, der nicht in die Luft schlägt; vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib, damit ich nicht anderen verkünde und selbst verworfen werde. . (1. Kor 9, 25-27 EU)

Ja, Sport begeistert. Macht Spaß.

Zynischer Vergleich

Paulus selbst versteht sich als Spielercoach.

In Anbetracht des unvorstellbaren Leides, das die „Spieler“ dieser „Mannschaft“ unter Berufung auf die biblischen Mythen und Legenden und auf die darauf aufbauende christliche Ideologie schon anderen Menschen zugefügt haben, halte ich solche verharmlosenden Vergleiche für zynisch und unangebracht. Da ging es nicht um Sport. Sondern um Menschenleben.

Als Trainer, der dabei hilft, den Glauben im Alltag umzusetzen: Wie geht Glauben praktisch? […] Die Angst zu versagen. Aber… Der Kampf dagegen findet im Kopf statt. Sich entscheiden: Weiterlaufen oder aufgeben? Wie im richtigen Leben: Auch da gibt‘s ja Durststrecken, in denen nichts läuft, man alles hinschmeißen will und Gott weit weg scheint. Und was dann?

„Den Glauben im Alltag umzusetzen“ – was bedeutet das konkret?

Es bedeutet, an der Gottesvorstellung auch dann möglichst unbeirrt festzuhalten, wenn die Wirklichkeit einem wiedermal vor Augen führt, dass es sowas wie einen allmächtigen allgütigen Gott, der es obendrein ja auch noch mit einem persönlich gut meint nicht gibt.

Also in den Momenten, in denen Gott nicht nur weit weg (genauer: nicht existent) ist, sondern auch mal sogar dem Gläubigen weit weg scheint. Es sind Momente, in denen sich die Vernunft und die intellektuelle Redlichkeit zu Wort melden. Und natürlich kann es auch sein, dass Gläubige solche Momente der Ent-Täuschung auch so empfinden: enttäuschend.

Das Fürwahrhalten von unbewiesenen und wohl auch noch bis auf Weiteres unbeweisbaren Behauptungen von Leuten, die vorgeben, Dinge zu wissen, die sie nicht wissen können, gilt im Christentum als besonders tugendhaft. Aber auch Populisten wissen die oft schon vom Säuglingsalter an trainierte religiöse Kritiklosigkeit gegenüber Behauptungen von vermeintlichen Autoritäten oft gut für ihre Zwecke zu nutzen.

Für dieses Fürwahrhalten sogar wider besseres Wissen gibts im Christentum sogar ein eigenes Wort: Amen – so sei es. Egal, wie absurd und unplausibel es ist – ich glaube es, wenn du das sagst. Und meistens auch, weil es meinen Wünschen, Hoffnungen oder Ängsten entspricht.

Für Glückshormone reicht auch die Einbildung

Weitermachen! Das rät der Trainer für das Glaubensleben. Hoffnung, Vertrauen, die Liebe Gottes: Das alles kann Glückshormone freisetzen.

Das rät in erster Linie Frau Eichert. Weil deren Einkommen davon abhängt, dass noch wenigstens so viele Menschen in ihrem Sinne „weitermachen“, dass der klerikale Einfluss und die daraus resultierende staatliche Alimentierung noch möglichst lange so geschmiert laufen möge wie bisher.

Und was die Glückshormone angeht: Das stimmt – sogar, wenn man bedenkt, dass es sich bei göttlicher Liebe lediglich um menschliche Einbildung handelt. Jede/r Teenager, der oder die schon mal „unsterblich“ in irgendeinen Boygroup-Star verliebt war, kann ein Lied davon singen.

Wenn man allerdings Erwachsenen empfiehlt, sich die Liebe eines magischen Himmelswesens einzubilden, um sich durch diese Vorstellung ein paar Glückshormone ausschütten zu lassen, dann finde ich das ziemlich seltsam und fragwürdig.

Und wäre diese Hormonausschüttung etwas, das tatsächlich von einem Gott verursacht würde, dann müsste dieser Gott erstmal die Frage beantworten, warum er manchen Leuten Glückshormone und anderen, um nur eins von unzähligen Beispielen zu nennen, Parasitäre Würmer verpasst, die Löcher in ihre Augen bohren und sich dort einnisten.

Die Bibel nach Lissy Eichert

Paulus feuert uns an: „Lauft so, dass ihr gewinnt.“

Vorab: Der Autor bzw. die Autoren hinter dem biblischen Paulus hatten sich in dieser Geschichte an die Korinther gewandt. Und nicht an Frau Eichert und schon gar nicht an „uns“.

Es ist sicher keine Folge von Unachtsamkeit, dass Frau Eichert das Bibelzitat gekürzt und verfälscht widergibt. Jedenfalls verschleiert sie so die eigentliche Aussage, die da lautet:

  • Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt! (1. Kor 9, 24 EU)

In dieser Bibelstelle geht es also eben nicht allgemein darum, dass man sich anstrengen solle, um (für sich) zu gewinnen. Sondern vielmehr explizit darum, dass es nur einen einzigen Siegespreis gibt, den nur ein Einziger gewinnen kann.

Oder übertragen: Es gibt viele Religionen und damit viele Wege, nach allem Möglichen zu streben. Aber nur der christliche Glaube, genauer: Die Unterwerfung unter den biblischen Gott führt zum einzig erstrebenswerten Ziel, das es zu erreichen gilt: Jenseitige Belohnung in Endlosschleife bei gleichzeitiger Verschonung von jenseitiger Bestrafung in Endlosschleife.

Mit einem solchen Anspruch möchte Frau Eichert ihr verbliebenes Publikum freilich nicht verschrecken. Und auch diesmal kann sie sich sicher wieder darauf verlassen, dass sich wohl niemand aus ihrem Publikum die Mühe macht, ihre herausgepickten und zu harmlosen Banalitäten umgebogenen Bibelsprüchlein näher zu untersuchen.

Alle gemeinsam?! Eben NICHT!

Alle sollen also gewinnen und zwar gemeinsam.

Nein, eben gerade nicht alle! Nur die, die ihren Leib züchtigen und ihn (dem richtigen Gott) unterwerfen, können und sollen laut Paulus gewinnen. Und Paulus kennt sich aus mit Züchtigung. Wohingegen sich vermutlich die wenigsten Wort-zum-Sonntag-Schauer mit der biblischen Gestalt Paulus so weit auskennen, dass sie dessen Aussagen und deren Einfluss auf das Christentum halbwegs einordnen können.

Klingt simpel, stimmt aber: Das Leben können wir nur gemeinsam gewinnen oder es gemeinsam verspielen – die Zukunft unseres Planeten, die soziale Gerechtigkeit. Wenn wir nur im Konkurrenzkampf gegeneinander antreten, werden wir am Ende alle verlieren.

Man könnte sich fast die Haare raufen, mit welcher Chuzpe und frappierenden Selbstsicherheit Frau Eichert hier die Aussage der von ihr zitierten Bibelstelle ins genaue Gegenteil verkehrt.

Nein! Eben nicht „nur gemeinsam gewinnen oder es gemeinsam verspielen“ lautet der Appell von Paulus! Im GEGENTEIL!

Einzig und allein die mit dem „richtigen“ Glauben haben Aussicht auf einen Sieg. Und mit „Sieg“ ist bei Paulus nicht etwa ein gesundes, friedliches, glückliches und erfülltes Leben im Diesseits gemeint. Also das, wonach es sich tatsächlich lohnt zu streben.

Abgesehen davon: Wäre es nicht erforderlich und vor allem auch sinnvoller gewesen, auf diese Ad-hoc-Behauptung näher einzugehen? Ist das tatsächlich so und wenn ja, an welchen Beispielen lässt sich das fest machen? Finden sich auch Beispiele, in denen Konkurrenz zu positiven Entwicklungen geführt hat? Interessant finde ich auch auch die Frage, wie sich Religionen auf die Zukunft unseres Planeten, die soziale Gerechtigkeit auswirken.

Darum!  Warum?

Darum lohnt es sich, immer wieder neu an den Start zu gehen. Weiterlaufen! Und jetzt gebe ich den Stab weiter – an Sie zu Hause. Für Ihren Wettlauf im Alltag.

Was genau meinen Sie mit „darum“, Frau Eichert?

Nochmal: Ist Ihnen wirklich nicht aufgefallen, dass Ihre Aufforderung, nicht im Konkurrenzkampf gegeneinander anzutreten das genaue Gegenteil von dem besagt, was Paulus fordert? Wenn er klar stellt, dass sich ausschließlich die gegen alle anderen durchsetzen können, die seine absonderlichen Ansichten und Vorstellungen teilen?

Während Sie dazu aufrufen, zusammenzuarbeiten und gemeinsam nach Frieden und Gerechtigkeit zu streben, verlangt Paulus, sich wie ein Wettkämpfer gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Und zwar nicht mit dem Ziel einer gerechteren, gesünderen und friedlicheren Welt.

Sondern, ganz egoistisch, um Seiner selbst willen. Um die Belohnung zu bekommen und die Bestrafung zu vermeiden (Hervorhebung von mir):

  • Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben. (1. Kor 9,23 EU)
  • vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib, damit ich nicht anderen verkünde und selbst verworfen werde. (1. Kor 9, 27 EU)

Themaverfehlung und eine Goldene Rosine am Band

Nach schulischen Maßstäben würde ich dieses „Wort zum Sonntag“ als glatte Themaverfehlung bewerten: Sie haben mit Ihrer Interpretation die Aussage der von Ihnen herausgepickten Bibelstelle ins genaue Gegenteil verkehrt.

Und zum Abschluss kommt die ganze Belanglosigkeit der heutigen Verkündigung nochmal mit folgender rhetorischen Nebelkerze auf den Punkt:

Mit Gott können wir das Leben gewinnen.

Goldene Rosine am BandWas wollen Sie damit konkret sagen, Frau Eichert? Dem biblischen Gott ist es egal, ob sich Menschen in seinem Namen lieben oder töten. Ob jemand seinetwegen Glücksgefühle empfindet, während gleichzetig jemand anderes qualvoll verhungert.

Was meinen Sie mit „das Leben“? Meinen Sie das diesseitige, tatsächliche Leben? Oder aber die christliche Einbildung vom „ewigen Leben“, Voraussetzung für die Konstruktion des biblisch-christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzeptes?

Rufen Sie dazu auf, nach einem glücklichen, friedlichen, fairen und gesunden Leben im Diesseits zu streben? Dafür braucht es keine Götter. Götterglaube hat sich von jeher erschreckend eindrucksvoll als kontraproduktiv für das friedliche und faire Miteinander der Weltbevölkerung erwiesen.

Oder fassen Sie das Leben, um beim Sport zu bleiben, als Qualifying für die verheißene postmortale göttliche Dauerbelohnung auf? Dann beschränken Sie Ihre öffentlichen Verkündigungen doch bitte auf das Publikum, das Ihre religiös erweiterte Scheinwirklichkeit teilt.

Vielleicht waren Sie auch einfach nur der Ansicht, „gewinnen“ wäre ein prima Begriff im Zusammenhang mit dem Thema Sport.

Für die Meisterleistung, ein falsch widergegebenes und aus dem Zusammenhang gerissenes Bibelzitat zur Untermauerung einer gegenteiligen Aussage zu verwenden, verleihen wir Ihnen hiermit feierlich die erste „Goldene Rosine am Band“ 2019.

Herzlichen Glückwunsch!

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Sport in der Bibel.

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