Himmel auf Erden – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Vesperkirche

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Himmel auf Erden – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Vesperkirche, verkündigt von Ilka Sobottke, veröffentlicht am 10.1.2020 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Während vier Wochen im Jahr sorgt Pfarrerin Sobottke mit ehrenamtlicher Unterstützung für eine volle Kirche. In der „Vesperkirche“ bewirtet sie dann Bedürftige und bietet ihnen soziale, psychologische, medizinische und pflegerische Unterstützung an. Und manchmal, so ahnt sie, ist auch Jesus zu Gast.

Soziales kirchliches Engagement ist historisch bedingt

Dass die Kirchen in Bereichen wie Sozialdienstleistungen, psychologische Betreuung („Seelsorge“) oder auch in der Pflege nach wie vor noch so überproportional stark vertreten sind, lässt sich historisch erklären.

Früher gab es schlicht noch keine säkularen Einrichtungen, die solche Aufgaben übernommen hätten. So wie es damals zum Beispiel auch noch keine Zahnärzte gab: Bis vor gar nicht allzu langer Zeit hatte deren Tätigkeiten noch der Hufschmied miterledigt…

Auch der Begriff „Krankenschwester“ ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, das zumindest noch umgangssprachlich bis heute erhalten geblieben ist.

Selbst heute hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, dass vermeintliche „Nächstenliebe“ etwa in der Pflege im wahrsten Sinn des Wortes brandgefährlich sein kann: Pflegende, die (zum Beispiel aus religiösen Gründen) meinen, sich für ihre Klienten aufopfern, mit ihnen permanent mitleiden zu müssen, sind prädestiniert für ein Burn Out.

Und wenn die Kompensierung dieser (für eine professionelle Pflege völlig unnötigen) persönlichen Belastung dann noch in Form einer Glorifizierung des menschlichen Leides (Stichwort: „Mutter Teresa„) stattfindet, dann ist Religion erst recht fehl am Platz.

Übergeordnetes Ziel: Missionieren

Der übergeordnete Beweggrund für soziales Engagement der Kirchen war ursprünglich die Mission. Also die Kundenaquise (oder -bindung) vermittels der Verbreitung der eigenen Glaubenslehre.

Und wenn es nach den Kirchenfunktionären geht, dann sollte das eigentlich auch heute noch der Fall sein. Zumindest für Angestellte der katholischen Kirche ist die Missionierung als übergeordnete Aufgabe bis heute verbindlich von bischöflicher Ebene vorgeschrieben.

Ein Umstand, der Kirchenangestellte nicht selten in arge Nöte bringt. Denn für immer mehr Menschen ist eine Anstellung in einer kirchlichen Einrichtung (oder auch nur die Aussicht auf eine solche Anstellung) der einzige Grund, nicht aus der Kirche auszutreten. Und zumindest so zu tun, als würden sie die bei Licht betrachtet unmenschliche und unmoralische christliche Ideologie wie befohlen verbreiten. Zur Not tun sie das dann auch gegen ihre eigene Überzeugung und Weltsicht. Wess‘ Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing…

Und selbst unter denen, die in ihrer sozialen Betätigung vielleicht noch ein frommes, gottgefälliges (und deswegen ein ihnen selbst zuträgliches) Werk sehen, etwas, das sie für „christliche Nächstenliebe“ halten, dürfte die Zahl derer, denen die Verbreitung ihres Glaubens noch ein Anliegen ist, immer weiter sinken.

Umgekehrt sind in kirchlichen Projekten auch Menschen sogar ehrenamtlich, also freiwillig und ohne Bezahlung tätig, einfach nur deshalb, weil sie Menschen (und damit auch wieder sich selbst) etwas Gutes tun möchten – und denen alles Religiöse völlig egal ist.

Soziale Dienstleistungen: Ein erträgliches Geschäft für die Kirchen – und gut fürs Image

Wenn der religiöse Aspekt also immer mehr an Bedeutung verliert, was bewegt die Kirchen dann dazu, auch weiterhin soziale Dienstleistungen anzubieten?

Ganz einfach: Zunächst mal ist dieses Betätigungsfeld ein überaus erträgliches Geschäft. Nicht für die Angestellen. Aber für die Kirchen.

Und außerdem lässt sich damit auch vorzüglich die Legende von der Kirche als selbstlose, unterstützenswerte Hilfsorganisation am Leben erhalten. Gerade Aktionen wie die Vesperkirche eignen sich natürlich hervorragend zur Imagepflege: Hier hat man endlich mal etwas wirklich Handfestes vorzuweisen, statt immer nur die fiktiven Heilsversprechen und absurden Höllendrohungen, mit denen sich heute kein halbwegs vernünftig denkender Mensch mehr hinter dem Ofen hervorlocken oder einschüchtern lässt…

Wer sich selbst als Hilfsorganisation darstellt kann damit auf größere Spendenbereitschaft hoffen als wenn man keinen Hehl daraus machen würde, dass allein schon der evangelische Kirchenkonzern über ein gut dreistelliges Milliardenvermögen und eine beispiellos stattliche staatliche Alimentierung verfügt. Also über Voraussetzungen, mit denen Hilfe in ganz anderen Dimensionen möglich wäre als das, was in vier Wochen Vesperkirche mit ehrenamtlicher Unterstützung möglich ist.

Aber zurück zu Frau Sobottkes diesjähriger Vesperkirche in Mannheim:

Frau Sobottke erahnt Jesus in der Vesperkirche, aber wohl in der falschen Rolle

In der heutigen Verkündigung hat Jesus in seiner eigentlichen Funktion als Heilsbringer mal frei. Lediglich eine Komparsenrolle darf das zweite Drittel des allmächtigen Gottes, zu dessen allgütigem Allmachtsplan auch das ganze Leid und Elend gehören würde (wenn es ihn gäbe) übernehmen.

…und das auch nur, damit Frau Sobottke etwas zu erahnen hat:

[…] In der Vesperkirche verdreht sich das oben und unten der Welt. Wie bei Jesus – der hat mit den Armen gelebt und sich manchmal verwöhnen lassen. Und oft genug sitzt da einer und ich ahne, es könnte Jesus selbst sein, schlenkert mit den Beinen, plaudert, und freut sich: der Himmel auf Erden – zumindest für vier Wochen!
(Quelle: Himmel auf Erden – Wort zum Sonntag zum Thema Vesperkirche, verkündigt von Ilka Sobottke, veröffentlicht am 10.1.2020 von ARD/daserste.de)

Dass Heilsverkäufer bei Bedürftigen bessere Chancen auf einen Abschluss haben als bei Leuten, denen es halbwegs gut geht, liegt auf der Hand.

Der biblischen Legende zufolge war Jesus weder arm noch bedürftig. Er hatte schlicht beruflich mit Armen zu tun. Ein Arzt ist ja auch nicht zwangsläufig deshalb krank, weil er täglich mit Kranken zu tun hat.

Wenn der biblische Jesus fastete, dann aus eigenen Stücken. Und dass der Lebensstil eines in der Wüste lebenden Sektenführers während der Eisenzeit aus heutiger Sicht minimalistisch und ärmlich erscheint, kann auch nicht wirklich verwundern.

Heilsversprechen speziell für Bedürftige

VesperkircheDas Heilsversprechen des Nebenerwerbs-Exorzisten und Vollzeit-Apokalyptikers Jesus war exakt auf die Bedürfnisse und Hoffnungen von Unterprivilegierten, Armen und Außenseitern zugeschnitten: „Glaube einfach an meinen Gott, dann wirst du dafür zwar nicht hienieden, aber nach deinem Tod unvorstellbar reichlich belohnt werden! Ich schwöre!“ („Und wenn dir das als Argument nicht reicht, dann erzähle ich dir noch, was dieser Gott mit dir macht, wenn du dich ihm nicht unterwirfst…“)

Ihre menschliche Würde respektive ihre Gesundheit erhielten Menschen vom Gottessohn gemäß biblischer Legende dann zurück, wenn sie sich bereit erklärten, seine Lehre anzunehmen und seinen Gott anzuerkennen. Wenn nötig, gab es von Jesus nach der Wunderheilung auch noch eine diesbezügliche Drohung hinterher (Johannes 5,14).

An wem hätte der Sektenführer seine göttliche Macht besser demonstrieren können als an Armen und Kranken? Also an Leuten, die sowieso nichts mehr zu verlieren hatten?

Wie auch immer: Die biblischen Legenden geben einen verarmten und bedürftigen Jesus einfach nicht her.

Aber wie kommt es dann, dass Frau Sobottke ihren Jesus unter den Armen in ihrer Vesperkirche erahnt? Wäre es nicht stimmiger gewesen, sie hätte ihren Jesus zum Beispiel in Gestalt eines Ehrenamtlichen auf einem Helferfest erahnt?

Was wäre das denn für ein Gottessohn, der sich offenbar einen Spaß daraus macht, einfach mal so zu tun, als sei er arm? Um dann in Gestalt eines Bedürftigen in Frau Sobottkes Vesperkirche anzutanzen und ein bisschen mit den Beinen zu schlenkern?

Und was würde sich wohl der von Frau Sobottke als Jesus erahnte Mensch denken, wenn er wüsste, dass die Pfarrerin ihn für den reinkarnierten unehelichen Sohn eines bestimmten Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegottes, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten hält?

Aber wer hört da schon so genau hin – Hauptsache, der christlich konnotierte Begriff „Jesus“ ist mal wieder mal in einem positiven Kontext im Fernsehen gefallen…

Vesperkirche: Warum nur 4 Wochen?

Und auf diesem Helferfest hätte der Gottessohn die Frau Pfarrerin dann auch gleich mal fragen können, warum sie ihre Kirche die restlichen 11 Monate des Jahres zur Verehrung eines eifersüchtigen Rachegottes verwendet, den es außerhalb menschlicher Phantasie und Wunschvorstellung gar nicht gibt, statt auch in dieser Zeit hier Menschen Gutes zu tun.

Und zwar, welch verrückte Vorstellung, unter Einsatz eines nennenswerten Teils des kirchlichen Vermögens. Ein Vermögen, das, richtig eingesetzt, problemlos ausreichen würde, um sehr, sehr viel Leid ganz kurzfristig und nachhaltig zu eliminieren. Ganz zu schweigen von der katholischen Abteilung.

Wo steht denn, dass der liebe Gott seinen Anhängern aufgetragen hat, unermessliche irdische Reichtümer auf alle nur erdenklichen, also auch halb- und illegalen Wegen anzuhäufen und zu horten? Oder wer hat sich das ausgedacht?

Passende Ausreden zum (völlig kostenlosen) Abspeisen der Armen und Bedürftigen außerhalb des Vesperkirche-Aktionszeitraumes liefert die Bibel indes zuhauf. Zum Beispiel:

  • Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf. (Psalm 127,2 LUT)
  • Seht die Raben: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben keinen Keller und keine Scheune, und Gott ernährt sie doch. Wie viel mehr seid ihr als die Vögel! (Lukas 12,24 LUT)
  • Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. (Matthäus 6,19-20 LUT)

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