Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Gott kommt zu Besuch

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Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Gott kommt zu Besuch, veröffentlicht am 23.12.20 von osthessennews.de

Stadtpfarrer Buß erzählt heute das Märchen von einer alten Frau, bei der sich „der liebe Gott“ zu Besuch angekündigt hatte. Die drei Bettler, die am Besuchstag an ihre Türe klopften, schickte sie wieder weg, weil sie ja auf den lieben Gott wartete. Der erklärte ihr dann später in einem Traum, dass er es gewesen sei, der in Gestalt der Bettler bei ihr angeklopft habe und den sie jedes Mal abgewiesen hatte.

Gott zu Gast?

Für Herrn Buß ist die Sache klar:

[…] Gott will in unserem Leben ankommen, jeden Tag. Er trägt oft ein menschliches Gesicht. Im anderen tritt er uns entgegen, vor allem in denen, die Hilfe und Zuwendung brauchen. Er sagt uns selbst: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“ (Mt. 25,40).
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Gott kommt zu Besuch, veröffentlicht am 23.12.20 von osthessennews.de)

Ich frage mich, inwieweit Herrn Buß bewusst ist, welche Fragwürdigkeiten und Absurditäten diese Vorstellung bei Licht betrachtet impliziert:

Zum Einen die eigentliche Aussage: Der Glaube an ein imaginäres Himmelswesen kann Menschen davon abhalten, die Not ihrer Mitmenschen wahrzunehmen und sich mitmenschlich zu verhalten. Weil menschliches Leid Göttern allerdings völlig egal zu sein scheint, sind Menschen in Not aber nun mal auf Unterstützung durch ihre Mitmenschen angewiesen.

Instrumentalisiertes menschliches Leid

Dann stellt sich die Frage, was das für ein Gott sein soll, der sich trotz angeblicher Allmacht und Allgüte menschlichen Leides bedient, um die Mitmenschlichkeit seiner Anhänger*innen auf die Probe zu stellen. Wie anders wäre ein solches Verhalten zu beschreiben als unmenschlich, sadistisch und perfide? Zumal wir es hier ja mit einer Gottesvorstellung zu tun haben, nach der Gott dazu sowohl in der Lage sein müsste (Allmacht), als auch moralisch verpflichtet wäre (Allgüte). Wenn es ihn gäbe.

Ein häufig vorgebrachter Einwand hierzu ist, dass man Gott nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilen dürfe. Und dass dessen Wege ja (bei Bedarf, zum Beispiel bei Widersprüchen) sowieso unergründlich seien. Nach welchen wenn nicht nach menschlichen Maßstäben sollte man aber das Verhalten eines Akteurs beurteilen, von dem behauptet wird, er würde ins irdische Geschehen eingreifen?

Wieso hat Gott seine bevorzugte Trockennasenaffenart nicht gleich so geschöpft, wie er sie gerne gehabt hätte? Wieso scheinen weder Sintflut, noch Erlösungs-Menschenopfer irgendetwas nachhaltig am Verhalten der Menschen verändert zu haben?

Freier Wille?

Hier wird von Gläubigen gerne der „freie Wille“ ins Spiel gebracht, mit dem Gott die Menschen ausgestattet haben soll, damit sie sich aus freien Stücken für ihn entscheiden oder andernfalls mit ewiger physischer und psychischer Höllenfeuer bei vollem Bewusstsein dauerbestraft werden können.

Ob die Bettler aus freiem Willen Not leiden, verrät die Geschichte nicht. Auch erfahren wir nichts darüber, ob sich die alte Frau aus freiem Willen gegen Mitmenschlichkeit und für Götterglaube entschieden hatte. Oder ob dieses Verhalten vielleicht gerade eine Folge religiöser Indoktrination ist. Letzteres legt eine Studie nahe. Die belegt, dass sich religiös erzogene Kinder unsozialer und intoleranter verhalten als Kinder, die frei von Religion erzogen werden.

Für ethisch richtiges Verhalten spielt das Glaubensbekenntnis eines Notleidenden nur in der Bibel eine Rolle: Deshalb ist auch von „geringsten Brüdern“ und „Nächsten“ die Rede. Und nicht etwa von allen Mitmenschen. Oder Mitlebewesen.

Nein. Brüder müssen es offenbar schon sein, damit sich das gute Werk gottgefällig auswirkt. Klar: Diese Narrative dienten dem Zweck, den innere Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft zu stärken.

Armutszeugnis

Lack of empathyDass sich jemand erst einbilden muss, sein mitmenschliches Werk diene der Verehrung seines Gottes, um auf die Idee zu kommen, sich mitmenschlich zu verhalten, halte ich genauso für ein Armutszeugnis wie die Vorstellung eines Gottes, der menschliches Leid für seine Verehrung oder zur Prüfung seiner Anhänger instrumentalisiert.

Direkt im Anschluss an die zitierte Bibelstelle finden wir das völlig unangemessene Strafmaß, das Gott bei unterlassener Hilfeleistung gegenüber Angehörigen der eigenen Glaubensgemeinschaft (Brüder) vorsieht:

  • Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! (Mt 25,41 LUT)

Wenn Gott schon nicht in der Lage oder willens war, seine Schöpfung mitmenschlich zu gestalten, wieso geht er dann wenigstens nicht mit gutem Beispiel voran? Und wieso erwähnt Stadtpfarrer Stefan Buß diese drastische Androhung nicht, die ja durchaus ein gewichtiges Argument sein könnte, wenn man daran glauben würde?

Ein Mangel an Mitmenschlichkeit ist kein Mangel an Religion. Sondern ein Mangel an Mitmenschlichkeit.

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4 Gedanken zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Gott kommt zu Besuch“

  1. OK ich habs schon immer gewusst, der Typ ist ein Gestaltwandler.

    Versprochen, ab jetzt lass ich jeden abgebrochenen Penner, Zeugen Jehovas, stadtbekannten Dieb und alle Vorwerk-Staubsaugervertreter einfach so in meine Wohnung.
    Einer davon muss ja schliesslich Gott sein…

    Wenn mir nach Betrachtung meiner ausgeplünderten Bude dann plötzlich klar wird, dass dies wohl keine so gute Idee war, so kann ich mich wenigstens darüber freuen, das christliche Armutsgebot erfüllt zu haben!

    Würde mich nur noch am Rande interessieren, wie sich denn so ein Bischof mit ner goldenen Badewanne verhält, wenn ich (armer Hartz IV-Empfänger) einfach ohne Ankündigung mal an seiner Tür anklopfe und ihn dann ganz aufdringlich frage:

    „Haste mal nen Euro?!“

    Würde er in mir „Gott“ erkennen, oder eher die Polizei rufen, wegen Belästigung?

    Wasser oder Wein, meine Antwort darauf bleibt im Trüben…;-)

    Cheers

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  2. Gerade an Weihnachten tut es gut, intelligente und kritische Analysen zum Christentum zu lesen. Besten Dank für den Artikel!

    Nach meiner Ansicht illustriert die Geschichte des Pfarrers sehr gut zwei grundsätzliche Eigenschaften des Christentums.

    Erstens Hinterhältigkeit. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Verkündigung. Niemand weiß, wann das Endgericht stattfinden wird. Es überfällt die Menschen hinterrücks zu einem unbekannten zeitpunkt. Niemand kennt exakt die Regeln, nach denen man gerichtet wird. Um die richtigen Regeln herauszufinden, müssten Zweifel erlaubt sein. Aber Zweifel wurden verboten.

    Gott verkleidet sich absichtlich als Bettler, um die Frau zu täuschen. Die Frau ist womöglich in Not, aber Gott freut sich darüber, dass seine Täuschung gelang. Natürlich wird die Frau bestraft oder zumindest nicht aus ihrer Not erlöst.

    Aber wer würde überhaupt jemals belohnt? Belohnt würden Menschen, die aufgrund einer psychischen Störung in allem und jedem irgendwelche Götter sehen. Wer dringend auf einen Installateur wartet, weil ein Wasserrohr gebrochen ist, der hat eben keine Zeit für einen Besuch der Zeugen Jehovas. Wenn es hinterher heißt: „Ätsch, das wären aber ihre Installateure gewesen, jetzt sehen Sie mal zu, wie Sie ihre Wohnung trocken bekommen, haha!“, dann ist das blanker Irrsinn. Man stelle sich vor, die arme Frau hätte in dem Bettlern tatsächlich eine Gottheit gesehen.

    Zweitens geht es im Christentum überhaupt nicht darum, den Menschen zu helfen. Denn das können Priester in aller Regel nicht. (Es sei denn, sie wären Installateure.) Die Geschichte macht das ganz klar: Der Frau wurde nicht geholfen. Stattdessen wurde die Frau auf die Probe gestellt. Das ist der ganze Sinn der Erzählung.

    Man kann Menschen mit einer Dauer-Probe derart verunsichern und einschüchtern, dass sie es nicht wagen, die offensichtliche Frage zu stellen, nämlich, wann sie denn überhaupt den Lohn für ihre Mühen bekommen? Denn selbst wer nachweisen könnte, dass er jede kleinste Regel beachtet und jede Probe bestanden habe und folglich seinen Lohn bekommen müsste, wird sofort in die Schranken gewiesen, ein solcher Hochmut würde garantiert keinen Lohn bekommen. Ganz im Gegenteil wäre eine größere Spende nötig, um das Seelenheil noch irgendwie zu retten.

    Tatsächlich gibt es in zweitausend Jahren Christentum nicht einen einzigen Fall, bei dem jemand, der alles richtig gemacht hat, irgendeinen Lohn von einer Gottheit bekommen hätte. Das ist überhaupt nicht vorgesehen. Vorgesehen ist, die Menschen auf eine unendliche Probe zu stellen, deren bizarre Regeln ihnen aber nicht bekannt ist. Denn diese Regen verbergen sich in, äh, Gottes Unbegreiflichkeit.

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    • Hallo Jörn!
      (Zitat:)
      >>Tatsächlich gibt es in zweitausend Jahren Christentum nicht einen einzigen Fall, bei dem jemand, der alles richtig gemacht hat, irgendeinen Lohn von einer Gottheit bekommen hätte. Das ist überhaupt nicht vorgesehen.<<

      Da wird jeder Gläubige seine eigenen Erfahrungen gamacht haben.
      Dennoch wurde das ganze Belohnungs- und Bestrafungskonzept ins Jenseits verlegt, um es weiterhin problemlos zuverkündigen!

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