Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Neujahr

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Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Neujahr, veröffentlicht am 01.01.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Stadtpfarrer Buß beantwortet heute in typisch theologischer Manier die Frage, was es mit einer Segnung auf sich hat.

Hat Ihnen jemand „Ein gesegnetes neues Jahr“ gewünscht? Wahrscheinlich eher nicht – es ist ein ungewöhnlicher Wunsch, veraltet. Wieso eigentlich?
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Neujahr, veröffentlicht am 01.01.21 von osthessennews.de)

Veraltet und ungewöhnlich deshalb, weil die Vorstellung, es sei sinnvoll, ein sowieso schon als allmächtig und allgütig imaginiertes Phantasiewesen zu bitten, seinen ewigen Allmachtsplan im Interesse des Segnenden für den Gesegneten zu ändern, archaisch und absurd erscheint. Und weil sie wegen der angeblichen göttlichen Allmacht und Allgüte nicht nur un-, sondern sogar widersinnig ist. Wer will heute schon noch so widersinnige Dinge wünschen?

Die Anzahl der Leute, die Knoblauch an die Tür hängen, um damit Vampire abzuwehren soll ja auch drastisch abgenommen haben…

Lono segne dich!

LonoHerr Buß, vielleicht können Sie die Absurdität besser nachvollziehen, wenn Sie sich mal überlegen, was Ihnen wohl durch den Kopf gehen würde, wenn Sie ein polynesischer Berufskollege im Namen seines Gottes Lono segnen würde.

Bei Ihrem Gott kommen, wie schon angedeutet, erschwerend noch die Absurditäten Allmacht und Allgüte dazu. Sodass ich es gut nachvollziehen kann, dass sich heute immer weniger Menschen noch öffentlich dazu bekennen mögen, einer magisch-esoterischen und nicht realitätskompatiblem Weltanschauung anzuhängen.

Die Frage, wie sie sich die „Funktionsweise“ einer Segnung konkret vorstellen, habe ich schon vielen Laien- und Berufschristen gestellt.

Nach aktuellem Zwischenstand scheint es unter Anhängern des biblisch-christlichen Glaubenskonstruktes keine allgemeingültige „Segens-Theorie“ zu geben, also eine Beschreibung, wie man sich das mit der Segnerei konkret vorstellt.

Segnung nach Buß

Netterweise liefert Stadtpfarrer Stefan Buß heute seine Definition zum Thema Segnung:

Die Liturgie der Kirche beginnt am Neujahrstag ganz bewusst mit einem Segen. In der Lesung hören wir den alttestamentlichen Segen: „Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ (Num. 4,24-26). Es ist der sogenannte aaronitische Segen. Mose erhält ihn von Gott und gibt ihn an Aaron weiter das Volk zu segnen.

Wir halten fest: Bei einer Segnung im religiösen Sinne spielt stets der jeweils geglaubte Gott eine unverzichtbare, zentrale Rolle. Gläubige versprechen sich eine (zumindest potentielle) Verbesserung einer Situation, indem sie ihre Gottesvorstellung in ihre irdische Wirklichkeit mit einbinden.

Das unterscheidet eine Segnung von einem „gewöhnlichen“ Wunsch wie zum Beispiel „alles Gute!“, bei dem das „Gute“ nicht näher spezifiziert ist. Ein solcher Wunsch signalisiert lediglich: Ich wünsche mir und dir, dass es dir gut gehen möge.

Schwammiger Begriff

Weil zunächst noch völlig gottlos, greift diese Definition von Herrn Buß auch zu kurz und ist zudem irreführend:

Was ist das eigentlich: Segen? Was meint das Wort segnen? Das lateinische Wort für Segnen heißt benedicere, wörtlich: Gutes sagen. Segnen meint also: das Gute sagen, Gutes zusprechen. Wenn wir gesegnet werden, wird uns etwas Gutes zugesprochen, alles Gute. Segen schafft Wachstum, Gedeihen. Segen bewirkt, dass etwas Gutes dabei herauskommt.

Ohne göttliche Beteiligung würde man eher nicht von einer Segnung sprechen. Sondern vielleicht von einem Glückwunsch. Oder von gutem Gelingen.

Wobei der Begriff „Segnung“ zu denen gehört, die es mit Kombinationen wie Geld- oder Kindersegen auch in den allgemeinen, nicht religiösen Sprachgebrauch geschafft haben. Ganz ohne Götter.

Segen bewirkt – nachweislich nix

Unsinnig und irreführend ist die Behauptung, Segen schaffe und bewirke etwas. Zumindest wenn damit gemeint sein soll dass die Wirkung über einen vielleicht irgendwie aufmunternden, affirmativen, auf jeden Fall aber rein zwischenmenschlichen Effekt hinaus geht.

Fragt man Christen, ob sie ganz konkret daran glauben, dass Gott seinen Plan im Interesse seiner Anhänger ändert, wenn sie ihn darum bitten (oder bitten lassen), dann weisen sie gerne entrüstet darauf hin, dass doch jedes Kind wisse, dass Bittgebete oder Segnungen doch nicht funktionieren würden wie eine „Wunschmaschine.“

Dabei sind sie es selbst, die das eigentlich glauben müssten, damit ihre Segnungen und Bittgebete zumindest theoretisch irgendeinen Sinn ergeben könnten.

Und genau das ist der heiße Brei, den Berufschristen gerne mit farbenfrohen Phrasengirlanden bis zur Unkenntlichkeit verzieren: Es wäre die Antwort auf die einfache Frage, wie sie sich die „Wirkweise“ einer Segnung konkret vorstellen. Eine theoretische Beschreibung des Segnens, sozusagen.

Pfarrer Buß klärt auf:

Wenn wir Dinge segnen, erbitten wir von Gott, dass uns diese Dinge zum Nutzen sind, dass sie uns Gutes bewirken.

Das ist doch mal eine vergleichsweise informative Aussage. Um die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens zu belegen, müsste Herr Buß jetzt nur noch erklären, woran er feststellen kann, ob gesegnete Dinge tatsächlich nützlicher sind als Dinge, über die kein Zauberspruch gesprochen worden war.

Hätte eine Segnung tatsächlich irgendeine Wirkung, dann müsste die sich ja zum Beispiel mit einer repräsentativen Doppelblindstudie problemlos nachweisen lassen können.

Ohne eine, durch eine solche objektive Untersuchung nachgewiesene Wirkung ist eine Segnung nichts weiter als eine rein menschliche Einbildung. Die christliche Ausgabe von Hokus Pokus Fidibus (ein aufmerksamer Leser hat darauf hingewiesen, dass Hokus Pokus Fidibus ebenfalls christlichen Ursprungs ist, vielen Dank!).

Ausgerechnet Abraham…

Statt jedoch näher auf die Wirksamkeit einer Segnung einzugehen, beugt Pfarrer Buß lieber dem Vorwurf vor, es handle sich bei einer solchen Segnung um eine egoistische Aktion („….das uns diese Dinge zum Nutzen sind, dass sie uns Gutes bewirken…)

Auf den ersten Seiten der Bibel wird berichtet, dass Gott den Abraham segnet mit den Worten: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“ (Gen 12,2). Darin wird deutlich, dass ein gesegneter Mensch für andere zum Segen werden kann und soll. Ein gesegneter Mensch ist ein Mensch, der anderen guttut, für andere wohltuend ist. Segen ist etwas, was Gutes bewirkt und anregt.

Quelle: NetzfundAusgerechnet der biblische Abraham erscheint als Beispiel für die positive Wirkung einer Segnung denkbar ungeeignet:

  • Nachdem er anfing Stimmen zu hören, verstümmelte Abraham seine Genitalien und machte sich daran sein Kind zu töten.

Christliche Priester segneten auch schon Atombomben, Waffen und Soldaten für den Angriffskrieg.

Wird demnach eine Atombombe durch einen christlichen Segen zu eine Atombombe, die anderen guttut, für andere wohltuend ist? War die Segnung der Atombombe vor dem Abwurf auf Hiroshima etwas, was Gutes bewirkt und angeregt hatte?

Anders als von Herrn Buß behauptet wirkt sich eine Segnung weder auf einen gesegneten Gegenstand aus. Noch darauf, wie und wozu dieser Gegenstand verwendet wird.

Es liegt am Mensch selber, ob er Schwerter zu Pflugscharen oder Pflugscharen zu Schwertern macht. Die Bibel schlägt beides vor.

Mit Gottes Segen…

Eine Segnung ist nichts weiter als eine kindlich-naive Wunschvorstellung, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt und die es lediglich dem „Anwender“ ermöglicht, die Verantwortung an eine imaginäre höhere Instanz abzugeben.

Nicht umsonst stand auf den Koppelschlössern der Wehrmachtssoldaten „Gott mit uns.“ So konnten sich die Soldaten jederzeit versichern, ihr Handeln sei von ganz oben abgesegnet und erfolge im vermeintlichen Auftrag und Namen ihres Gottes.

Was wird uns da am ersten Tag des Neuen Jahres gesagt? Es heißt als erstes: „Der Herr segne und behüte dich!“ Der Segen Gottes soll uns begleiten auf unserem Lebensweg, auch durch das neue Jahr. Er soll uns beschützen und behüten vor allem, was uns schaden könnte.

Anhänger anderer Götter fühlen sich ebenfalls von ihren Göttern behütet und begleitet (besonders dann, wenn ihnen nichts Gravierendes passiert). Woran könnten die erkennen, dass sie sich das alles nur einbilden?

Denkbares Motiv: Kompensierung fehlender menschlicher Nähe

Gott schaut uns gleichsam an, er hat uns in seinem Blick, liebevoll ist er für uns da.

Was ohne Beweis behauptet wird, kann ohne Beweis verworfen werden. Das gilt auch für sämtliche Götter, alle ihre angeblichen Eigenschaften und Handlungen.

Solange sich Herr Buß vorstellt, sein imaginärer Freund habe ihn in seinem Blick und sei liebevoll für ihn da, dann ist dagegen natürlich nichts einzuwenden. Vielleicht helfen solche Vorstellungen ja, den zölibatären Lebensstil besser zu verkraften und ein mögliches Defizit an menschlicher Nähe durch zumindest harmlose Wunschphantasien zu kompensieren.

Anders als im entsprechenden biblischen Gebot dürfen wir heute Gedankenfreiheit genießen und uns deshalb einbilden, ausmalen und vorstellen, was immer uns gefällt. Warum also nicht auch die Liebe und Zuneigung eines Götterwesens?

Aber so etwas dann wie eine Tatsache öffentlich zu behaupten ist nicht nur ein intellektuelles Armutszeugnis. Sondern auch eine Irreführung von Menschen, die möglicherweise tatsächlich auf diese Behauptungen, die bis zum Beweis des Gegenteils nun mal schlicht gelogen sind hereinfallen.

Zu religiösen Nebenwirkungen fragen Sie… keinen Pfarrer

Das kann dann problematisch werden, wenn Leute sowas glauben, die eigentlich professionelle psychologische oder psychiatrische Hilfe bräuchten.

Der Aspekt, dass seine nicht als solche gekennzeichneten Hirngespinste auch Nebenwirkungen haben können scheint Herrn Buß entweder nicht bewusst oder egal zu sein.

Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals auch nur ein Wort von ihm gelesen zu haben, dass es sich bei seinen Behauptungen um religiöse Fiktion handelt, von Menschen erdacht und, ähnlich wie Horoskope und andere Esoterik bestenfalls zu Unterhaltungszwecken geeignet.

Auch beim Nachrichtenportal Osthessennews scheint für Beiträge in der Rubrik „Kirche“ jeglicher journalistische Anspruch auf wahrheitsgetreue Berichterstattung außer Kraft gesetzt.

Menschliche vs. göttliche Zuwendung

Zum Abschluss stellt Stadtpfarrer Stefan Buß nochmal seine Unfähigkeit unter Beweis, religiöse Wunschphantasien und irdische Wirklichkeit auseinanderzuhalten:

Und dann heißt es: „Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil!“ Es tut uns gut, wenn uns ein lieber Mensch anschaut. Es ist schön, wenn sich ein Mensch uns zuwendet. Gott wendet sich ausdrücklich uns zu. Diese Zuwendung Gottes bedeutet für uns Heil, sie bedeutet: alles Gute.

An dieser Aussage ändert sich faktisch nichts, wenn man „Gott“ zum Beispiel durch „Frau Holle“, „Spiderman“ oder „Benjamin Blümchen“ ersetzt. Das würde mir zu denken geben, wenn ich an einen Gott glauben und auf sein „Heil“ hoffen würde.

Das kann ja jeder behaupten

So wird dieses neue Jahr ein gesegnetes Jahr. Es wird ein gutes Jahr. Gehen wir voll Zuversicht in diese neue Zeit hinein.

Quelle: Netzfund
Quelle: Netzfund

Dieses Jahr wird, wie jedes andere Jahr auch, ein Jahr mit Ereignissen werden, die sich auf den Betrachter positiv oder negativ auswirken. Für manche wird das Jahr das beste ihres Lebens werden. Und für andere das schlimmste oder auch das letzte. Daran ändern auch religiöse Segnungen oder ad hoc-Behauptungen von osthessischen Stadtpfarrern nichts.

Unsere Welt funktioniert nicht so, dass jemand einen Zauberspruch zu einem magischen Himmelswesen ruft und dieses daraufhin dafür sorgt, dass ein Jahr wenigstens für seine Anhänger gut wird. Ein göttlicher Segen ist genauso illusorisch und wirkungslos wie ein Fluch.

An ein gutes, weil gesegnetes Jahr aus welchen Gründen auch immer privat für sich selbst zu glauben, ist eine Sache. So etwas öffentlich zu verkündigen und damit andere Menschen zu täuschen nochmal etwas anderes.

Dabei gäbe es doch trotz aller zu erwartenden Unbill und Ungewissheit viele gute und vor allem handfeste Gründe, die auf ein gutes oder zumindest besseres Jahr hoffen lassen als das vergangene.

Nur haben diese Gründe alle nichts mit Göttern, Geistern und Gottessöhnen zu tun und sind deshalb für Berufs-Glaubensverkündiger uninteressant. Abgesehen freilich davon,  dass sie selbst genauso davon profitieren wie Menschen, die nicht an ihren Göttersegen glauben.

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