Schrecklicher Irrtum: Katholische Kirche verwechselt Seuche mit Schutzpatronin – Religion in Zeiten der Pandemie

Lesezeit: ~ 4 Min.

In unserem Fundstück der Woche beschäftigt sich Rainer Schreiber mit dem Thema „Religion in Zeiten der Pandemie.“

Corona Novene
Corona-Novene (PDF)
Quelle: Pfarrpraktikant Ramon Rodriguez, zur eigenständigen Verbreitung und Vervielfältigung freigegeben

Liebe Leser*innen,

soeben wurde mir von einem befreundeten Gesprächspartner dieser verstörende Text zugespielt, der verdeutlicht, dass die katholische Kirche in ihrer heiligen Einfalt glatt die Schutzpatronin der Seuchen mit der Seuche selbst verwechselt und diese  so durch ihre Gebete unbedacht heraufbeschworen hat! In endlosen Litaneien wird da ausgerechnet Corona gebeten, für Schutz vor Seuchen zu sorgen!

Da kann der Söder Markus noch so viele Lockdowns beschließen und Aiwanger weitere tausend Wischmobs für Staatskanzlei und Behörden bestellen – dagegen hilft wohl nur eine reumütige Wallfahrt nach Altötting, um Gott über diesen schrecklichen Irrtum aufzuklären und um Gnade zu bitten! Am besten die gesamte bayerische Staatsregierung macht sich gleich auf den Weg, dann hat sie wenigstens keine Zeit für anderen Unsinn….

Dann bräuchten wir nur noch zu hoffen, dass Söder erhört wird, damit der Spuk auch mal wieder ein Ende hat!

Aber nun mal im Ernst:

Für die Kirchen stellte die Coronakrise, würden sie in ihrer göttlichen Schöpfungs- und Betreuungsideologie von den Gläubigen ernst genommen, eigentlich eine besondere Herausforderung dar: Hat Gott dieses fiese Virus geschickt und warum? Wollte er die Menschen bestrafen? In evangelikalen, radikal-islamischen und orthodox-jüdischen Kreisen, denen allen das gleiche anthropozentrische Gottesbild eigen ist, beginnen hier schon die ersten Gottesfürchtigen zustimmend zu nicken – das Virus ist die gerechte Strafe für den Abfall vom Glauben, den die verderbte atheistische Mehrheit der Gotteskinder mit ihrem zügellosen Leben heraufbeschworen hat.

Manche orthodoxe Juden gingen ja nach dem Zweiten Weltkrieg so weit, dass sie ausgerechnet den Holocaust als gerechte Strafe Gottes für den Abfall des Volkes Israel von seinem wahren und einzigen Glauben interpretierten; die mittelalterlichen Christen beschlossen auf Basis ähnlicher Gedanken, die Ungläubigen und Sündigen lieber gleich selbst zu bestrafen, um der allgemeinen Verdammnis Gottes zu entgehen – ein offensichtlich leider richtungsweisender Einfall, den im Islam, der in breiten Teilen in eine vormoderne Religionsauslegung zurückgefallen ist, der IS und ähnliche Fanatiker aufgegriffen und in mörderischer Manier umgesetzt haben.

Auf der Suche nach einem gütigen, mitleidigen Übervater

Die Mehrheit der gutmütigen Gewohnheitsgläubigen hingegen denkt in solchen Katastophenfällen, betreffen sie nun nur das eigene Leben oder die Gesellschaft als Ganze, nicht an göttliche Strafen, sondern sucht im Glauben an einen gütigen, mitleidigen Übervater Halt und Trost. Dabei setzt sie sich ohne weiteres Nachdenken über den Widerspruch hinweg, dass gerade das berüchtigte „Schicksal“ wie die in der eigenen Familie angefallenen Unfall- oder Pandemietoten einen Hinweis darauf enthalten, dass das ganze verdammte Leben eine ziemlich erratische, zufällige Angelegenheit darstellt – zumindest, was die individuellen Ereignisse angeht, die die jeweiligen Einzelmenschen betreffen.

Einmal in der Arbeit dumm angenießt worden, Maske nicht aufgehabt oder nur verrutscht – und schon kann eine Infektion mit dem neuen Virus erfolgt sein, die tödlich sein kann – alles kann eben sein, passieren, muss aber nicht. Da den Trost bei Gott zu suchen, leugnet gerade die praktische Widerlegung seiner Existenz, seiner gezielten Einwirkung, die derartigen unglücklichen Ereignissen innewohnt, die sich – im Rahmen allgemeiner naturgesetzlicher, politischer oder sozialer Notwendigkeiten und Verhältnisse, versteht sich – als Zusammenstoß verschiedenster zufälliger und voneinander unabhängiger Einzelheiten darstellen.

Trostsuche mit Widerspruch

Damit leistet sich die Trostsuche in der Religion den Widerspruch, dass, die tragische Zufälligkeit des jeweiligen „Schicksalsschlags“ anerkennend, zugleich Zuspruch seitens eines imaginären Übervaters gesucht wird, der seine Schutz- und Trostfunktion nur unter der Vorausssetzung erfüllen kann, dass er in das Leben der an ihn glaubenden Menschen eingreifen kann, also (all)mächtig ist – denn was will man mit Göttern, die zur Welt der Menschen überhaupt keinen wirksamen Bezug haben?!

Auch der beigefügte Text zeigt ja stets diesen Glauben an den Einfluss Gottes auf, dessen Bestimmung über das eigene Leben. Die einfache Volksfrömmigkeit kann mit dem abstrakten Gottesbild der Deisten deshalb nichts anfangen; daher kommt selbst der buddhistische Volksglaube nicht ohne Heiligenbilder und Insignien eines personalisierten Gottesbilds aus, auch wenn Buddha keinen Gott im engeren Sinne darstellt.

Pointiert gesagt: Gläubige Menschen wenden sich ausgerechnet dann hilfesuchend an Gott, wenn ihr Lebensverlauf gerade auf dessen Abwesenheit verweist. Ein Problem übrigens, das nach dem Zweiten Weltkrieg gläubige Juden, die den Holocaust überlebt hatten und nicht auf den Zug der Fundamentalisten, dieser wäre eine gerechte Strafe Gottes gewesen, aufspringen wollten, umtrieb. Viele verloren darüber ihren Glauben, andere behalfen sich mit tröstenden Ausreden, über die man besser nicht genauer nachdachte: „Als Gott schlief“ hieß da z.B. ein prägnanter Buchtitel zum Thema.

Ausufernder Bedarf an Verschwörungstheorien

In diesem Bedürfnis nach Trost, persönlichen Verantwortlichen bzw. Schuldigen in einer Zeit & Gesellschaft, deren Dynamik ziemlich subjektlose „Sachzwänge“ und komplexe, von niemandem so geplante Ergebnisse der in Strukturen eingefügten Handlungen vieler Menschen zugrundeliegen, ist auch die Wurzel des ausufernden Bedarfs an Verschwörungstheorien zu suchen:

Nichts beruhigender für solche Leute, als wenn sie glauben erkannt zu haben, dass unangenehm empfundene Veränderungen wie beispielsweise die Pandemie und ihre Bekämpfung auf finsteren Zwecken mit heimlichen Machenschaften beruhen, die den ungewissen Entwicklungen, interessegeleiteten Entscheidungen und Blindflügen im Nebel, aus denen das wirkliche politische Handeln, sei es in der Finanz- oder Coronakrise, besteht, einen abgrundtief schlechten Sinn und eine personalisierte negative Verantwortung, Schuld zuschreiben.

Gewisse Vertrautheit mit dem größten Unsinn

Und verrückter als die Jungfrauengeburt Mariae, die Himmelfahrt des Heiligen Geistes und die Wiederauferstehung Jesu nach drei Tagen im Grab sind die Spinnereien der QAnon-Sekte im Grunde auch nicht. Nur dass man an erstere Vorstellungen von Kindheit an gewöhnt wurde, wodurch sich mit dem größten Unsinn eine gewisse Vertrautheit einstellt.

Deswegen sind ja auch alle religiösen wie politischen Ideologen so bemüht, schon die Kinder in ihr Glaubenssystem einzubinden, weil das im emotionalen Erfahrungsgedächnis bildreich Verankerte nur durch bewusste, zielgerichtete Anstrengungen der rationalen, wissensbasierten Vernunft wieder loszuwerden ist.

Das ist anstrengend und der prüfende, kritische Verstand ist gefordert, was viele zu überfordern scheint.

– Rainer Schreiber

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors, Zwischenüberschriften von uns)

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

1 Gedanke zu „Schrecklicher Irrtum: Katholische Kirche verwechselt Seuche mit Schutzpatronin – Religion in Zeiten der Pandemie“

  1. O du für uns Menschen so fieses Virus mit deinen hübschen Spikeproteinen. Du siehst zwar unter dem Mikroskop so rein aus wie eine Gekrönte. Aber das tröstet uns nicht darüber hinweg, dass du so schamlos an unsere Zellen andockst und unsere Natur zu deiner Vermehrung nutzt, ganz ohne Milde walten zu lassen. Es ist ja eigentlich dein gutes Recht, um weiterleben zu können. Aber für uns kann das zum Martyrium werden. Selbst wenn wir „fürsprechen“, könnten wir dich mit der Atemluft übertragen. Wir glauben an die Kraft unseres Immunsystems und hoffen, dass es standhaft und stark genug bleibt, um dich, wenigstens für unseren Organismus unschädlich zu machen.
    Außerdem haben Spezialisten dich , o du Standhafte, schon bald durchschaut und in Windeseile Impfstoffe hergestellt, die dich ein bisschen, gerade mit deinen schönen Spikeproteinen austricksen und unserem Immunsystem auf die Sprünge helfen- also eine Art Abwehrzauber. Wir, die wir der Wissenschaft vertrauen, gehen davon aus, bald wieder unbeschwert leben zu können oder, wenn es nicht funktioniert, auch irgendwann mit dir oder durch etwas anderes abzuleben. C’est la vie!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar