Kritische Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Erntedank

Lesezeit: ~ 5 Min.

Kritische Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Erntedank, veröffentlicht am 2.10.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Zum Erntedankfest versucht Pfarrer Buß mit einem infantilen Märchen zu belegen, dass Menschen auf göttliche Hilfe angewiesen seien.

Vorab: Der heutige Impuls von Pfarrer Buß ist so dermaßen absurd, dass es schwer fällt, die für einen ernsthaften kritischen Kommentar erforderliche Contenance zu bewahren.

Kräht der Gockel auf dem Mist…

Märchenonkel Buß erzählt von einem Bauern, der seinem Gott vorwirft, dass das Wettergeschehen immer wieder seine landwirtschaftliche Arbeit erschweren würde. Auf seinen Wunsch hin erhält der Bauer von Gott ein Jahr lang die Kontrolle über das Wetter:

[…] Voller Begeisterung stürzte sich der Bauer in seine neue Aufgabe. Er ließ im Wechsel die Sonne scheinen und den Regen nieder rieseln. Ab und an sorgte er für ein kräftiges und reinigenden [sic] Gewitter. Es machte Spaß und seine Felder sahen prächtig aus. Alles wuchs und gedieh.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Erntedank, veröffentlicht am 2.10.21 von osthessennews.de)

Wie immer, wenn Menschen ihr Schicksal oder sonst irgendetwas selbst in die Hand nehmen, ist schon klar, wie die Geschichte ausgeht, wenn sie von einem Berufschristen erzählt wird.

Wie zu erwarten, stellte der Bauer bei der Ernte fest, dass die Ähren trotz seiner Agrarwettermanipulation alle „hohl“ waren.

Bitte, sei Du wieder zuständig

Da antwortete Gott: Hattest Du auch an den Wind gedacht, der im Frühjahr hilft, die Blüten zu bestäuben? Der Bauer schlug sich mit der Hand vor den Kopf. Oh, nein! Das hatte er vergessen, völlig übersehen. „Okay“, sagte er kläglich, „Gott, ich nehme den Vorschlag zurück.“ Ich glaube, ich kann nicht alles im Blick haben. Bitte, sei Du wieder zuständig.“

Und das war auch schon die ganze „Moral von der Geschicht'“: Der Mensch kann sich noch so sehr bemühen. Ohne „Hilfe von oben“ ist er den irdischen Herausforderungen und Unwägbarkeiten schutz-, hilf- und wehrlos ausgeliefert.

Und wer glaubt, von alleine sowieso auf keinen grünen Zweig kommen zu können, der nimmt das Angebot sicher gerne an, die Verantwortung wieder an ein höheres, wenn auch nur imaginäres Wesen abgeben zu können.

Sapere aude!

  • „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
    (Quelle: Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift 4 (1784), S. 481–494., Zit. n. wikipedia.de)

Wer braucht schon Fakten…

Fakten spielen in Märchen freilich keine Rolle.

Zum Beispiel, dass „reinigende Gewitter“ immer mit Wind einhergehen. Oder dass viele Nutzpflanzen wie zum Beispiel Weizen, Gerste, Hafer, Reis, Erbsen und Bohnen Selbstbestäuber und damit nicht auf kräftigen Wind angewiesen sind.

Dass die Geschichte auch innerhalb der christlich erweiterten Phantasiewirklichkeit logisch haarsträubend inkonsistent ist, darf Gläubige freilich ebenfalls nicht stören:

Wenn ein Gott allmächtig ist, dann liegt es auch in seiner Macht, wie ein Mensch das Wettergeschehen lenkt, wenn er dazu von ihm für ein Jahr befähigt wird.

Ein allgütiger Gott hätte den Bauern daran erinnern können, mal Wind wehen zu lassen. Weil er als allwissender Gott ja schon gewusst haben muss, dass die Ernte darunter leiden würde.

Abschied und Trost

Und natürlich scheitert auch dieses Geschichtchen am Theodizee-Problem:

Wieso sorgt ein allmächtiger und allgütiger Gott nicht für günstiges Wetter? Um so das Leid zu verhindern, das Wetterkatastrophen empfindungsfähigen Lebewesen bereiten?

Auslöser für des Bauern Ärger waren ja die schwierigen Wetterbedingungen, die seinen Ertrag gefährdet hatten. Und die, zumindest in der volksfrommen Christenvorstellung, ja von ihrem lieben Gott genau so und nicht anders veranlasst worden waren.

Religiöser Realitätsverlust

Noch fragwürdiger erscheinen dann die Schlüsse, die Stadtpfarrer Stefan Buß aus seinem Märchen zieht:

Die kleine Geschichte zeigt uns, der Mensch hat nicht alles in der eigenen Hand. Es braucht die Hilfe von oben. Das morgige Erntedankfest soll es uns Menschen wieder ins Bewusstsein rufen. Zum einen nicht alles als selbstverständlich anzusehen und dankbar zu sein. Zum zweiten sich auch bewusst zu werden, dass alles, auch und gerade unsere Schöpfung, aus Gottes Hand kommen.

Natürlich sei es Herrn Buß unbenommen, seine persönliche Weltanschauung auf Vorstellungen aufzubauen, die offenkundig nicht nur nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Und die intellektuell unter Kasperle-Theater-Niveau angesiedelt sind.

Wer so einen hanebüchenen Unsinn vielleicht sogar privat glaubt, kann kaum davon ausgehen, etwas anderes als Spott und Häme zu ernten, wenn er solche Ansichten öffentlich verkündigt. Außer vielleicht noch ein mitleidiges Kopfschütteln.

Oder, und das erscheint am wahrscheinlichsten, einfach ignoriert zu werden. Dafür spricht auch, dass offenbar seit Monaten (oder Jahren?) noch niemand bei Osthessennews.de bemerkt zu haben scheint, dass die Rubrik „Kirche“ in der Mobilversion des Nachrichtenportals als leere Seite, bzw. zumindest ohne irgendwelche Beiträge angezeigt wird.

Wer im 21. Jahrhundert noch allen Ernstes behauptet, Menschen seien auf „Hilfe von oben“ angewiesen und dass alles aus der Hand eines bestimmten eifersüchtigen Wetter-Berge-Wüsten-Provinzial-Stammes-Rache-Kriegsgottes, den sich ein halbnomadischer Wüstenstamm aus früheren Gottesbildern zusammengebastelt hatte und der seinen pathologischen Narzissmus mit Menschenopfern und Höllendrohungen kompensiert komme, dem kann man bestenfalls, um es höflich auszudrücken, einen massiven Realitätsverlust unterstellen.

Unterscheidung von Wunsch und Wirklichkeit

Danke, Jesus...

Hätte man es mit einem kleinen Kind zu tun, würde man sich vermutlich die Zeit nehmen, ihm irgendwann mal behutsam und in Ruhe den Unterschied zwischen Märchen- und wirklicher Welt erklären.

Wenn es denn nicht sowieso von allein dahinter kommt, dass das, was der Märchenonkel Stefan so alles erzählt, geflunkert ist. Und dass sich in Wirklichkeit noch niemals irgendein Gott tatsächlich nachweisbar in Wetter- oder sonstige Abläufe auf Erden eingemischt hat.

Geschweige denn, dass irgendwelche Götter tatsächlich „Hilfe von oben“ leisten würden. Auf die wir Menschen auch noch angewiesen sein sollen.

Nun haben wir es hier aber mit keinem Kleinkind im Fabulieralter zu tun. Sondern mit einem Erwachsenen. Mit akademischem Hintergrund.

Dem kann man doch nicht wirklich erklären müssen, warum seine Behauptungen infantiler Bullshit sind!? Wie kann man sich denn vor eine HD-Kamera stellen und für einen online veröffentlichten Videoclip archaisch-mythologisches Wunschdenken zum Besten geben und dabei so tun, als handle es sich um Realität?

Glauben kann man alles Beliebige

Das alles ist – für sich genommen – bei aller Absurdität, Naivität und Realitätsferne freilich noch kein Grund für Kritik an den Leuten, die sowas glauben.

Vielmehr fällt natürlich auch der gröbste Unsinn erstmal unter die Kategorie „Gedanken- und Glaubensfreiheit.“ Solange keine Interessen Dritter dadurch beeinträchtigt werden.

Und Herr Buß muss bestimmt nicht befürchten, dass irgendein Landwirt hierzulande und heutzutage tatsächlich noch auf die von ihm als unverzichtbar propagierte, aber nun mal nur fiktive und eingebildete „Hilfe von oben“ vertraut.

Nutznießer und Heilsversprecher

Allerdings stellt sich dann die Frage, was er denn dann eigentlich konkret damit zu bezwecken gedenkt.

Was anderes als eine, in diesem Fall nicht selbst-, sondern fremdverschuldete Unmündigkeit und ein damit verbundenes Abhängigkeitsgefühl sollte der Zweck dieses Impulses sein? Ihr habt trotz eurer ganzen Fortschritte (von denen ich natürlich gerne selbst ausgiebig profitiere) nur Probleme und (nur) ich habe (scheinbar) die Lösung dafür?

Versuchen die Berufschristen zum Beispiel im „Wort zum Sonntag“ noch, die Absurdität ihres Glaubens, die ihnen allzu wohl bewusst sein dürfte mit theologisch-rhetorischen Nebelkerzen zu verschleiern, hat man bei den Impulsen von Pfarrer Buß oft den Eindruck, er richte sich damit an ein Publikum, bei dem er vom Verstand und der intellektuellen Reife eines (religiös indoktrinierten) Vorschulkindes ausgeht.

Grund zur Kritik…

Sehr wohl kritikwürdig wird es, wenn Institutionen, deren Angestellte in ihrem Namen und Auftrag solche Vorstellungen, die man nach einem Abgleich mit der Wirklichkeit nur als Stuss bezeichnen kann verbreiten gleichzeitig fordern, als Deutungs- und Moralinstanz in die persönliche Freiheit auch der Menschen eingreifen zu dürfen, die ihren Glaubensquark nicht teilen.

Und das ist hierzulande nach wie vor der Fall. In your face, Säkularstaat.

…oder gar für Dankbarkeit?

…oder sollte man Herrn Buß am Ende vielleicht sogar dankbar dafür sein, dass er sein Publikum so offensichtlich für dumm verkauft?

Religionszugehörigkeit in Deutschland. Quelle: fowid via ARD
Quelle: fowid, Grafik: ARD

Wenn er den Menschen ihre Fähigkeit abspricht, von selbst brauchbare, weil funktionierende Lösungen für Probleme aller Art zu finden? Und stattdessen behauptet, Menschen seien von göttlicher Hilfe abhängig?

Weil er mit seinen Impulsen immer wieder demonstriert, wie wenig Substantielles, Wahres oder wenigstens Plausibles sein Glaubenskonstrukt zu bieten hat? Und wie entbehrlich und oft genug auch hinderlich gerade das für seine nicht-religiösen Appelle bei Licht betrachtet ist?

Klar: Die wenigsten Schafe verlassen die katholische Herde aus rational-intellektuellen Gründen. Weil sie keiner Institution mehr angehören möchten, deren Ideologie auf absurden, magisch-esoterischen Phantasievorstellungen beruht.

Da bietet die katholische Kircher natürlich noch viel schwer wiegendere Gründe, um besser heute als morgen aus ihr auszutreten.

Aber vielleicht leisten ja auch Beiträge wie die einfältigen „Impulse“ von Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda wenigstens einen kleinen Beitrag zum weiteren Anstieg der Kirchenaustrittsstatistik. Das wäre ja immerhin etwas.

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5 Gedanken zu „Kritische Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Erntedank“

  1. Liest man die diversen „Verkündigungen“ von Pfarrer Buß, dann findet man bei genauerem Hinsehen ein Menschenbild, das ausgesprochen fragwürdig ist:

    – Für uns ist es nach Buß nicht möglich, auf jeden Fall aber sehr gefährlich und absolut nicht ratsam, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen und selbständig zu denken, zu entscheiden, zu handeln.
    – Worauf es ankommt, ist das Wohl der Gemeinschaft. Der Individualist, der das nicht zur Maxime seines Handelns machen möchte, der anders ist oder sein möchte, wird scheitern – und zwar zu Recht.
    – Ganz wichtig für Wohl, Zusammenhalt und Stabilität der Gemeinschaft ist blindes und bedingungsloses Vertrauen in deren „Obere“ – bei Buß in einen Gott.

    Hm … hatten wir so einen Unfug nicht schon mal? Oder: Warum haben wir eigentlich eine Verfassung, die auf Wert und Würde eines jeden einzelnen Menschen basiert, ihn vor den Vereinnahmungs-Ansprüchen jeder Gemeinschaft schützt und ihm den Freiraum garantiert, nach seiner eigenen Fasson zu denken, zu entscheiden und zu handeln, also seinen ganz eigenen Weg im Leben zu suchen, zu finden und zu gehen?

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  2. Ich erinnere mich, dass dieses Märchen vom Bauer als Wettermacher in dem Lesebuch* drinstand, welches ich in der 3. Klasse benutzt hatte. (* Mein Lesebuch für das 3./4. Schuljahr. – München: Bayerischer Schulbuch Verlag, 1967). Im Nachhinein betrachtet, hatte besagtes Schulbuch einen ziemlich christlich-konservativen Unterbau.

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  3. Das zeigt wieder einmal das typische Habitat der Christen, was mit der Realität nichts zu tun hat.
    Mir fehlt einfach die Begeisterung, dass ich mich in dieser Märchenblase wohl fühle.
    Letztendlich geht es den Christen doch nur darum, sich selbst -durch unterwürfiges, devotes Verhalten gegenüber Gott- vor der Hölle zu verschonen.

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