Gedanken zu: Stadtpfarrer Buß: Volkstrauertag – Erinnerung, Mahnung und Verpflichtung

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Stadtpfarrer Buß: Volkstrauertag – Erinnerung, Mahnung und Verpflichtung, veröffentlicht am 13.11.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Zum Volkstrauertag nennt Pfarrer Buß Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit als wirksame Mittel gegen Terror und Gewalt. Warum er trotz dieser Erkenntnis noch für die katholische Kirche arbeitet, verrät er nicht.

Der Monat November ist traditionell dem Gedenken an die Toten gewidmet. Es gibt deshalb die stillen Feiertage „Aller-heiligen“, den „Totensonntag“ und den morgigen Volkstrauertag.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Stadtpfarrer Buß: Volkstrauertag – Erinnerung, Mahnung und Verpflichtung, veröffentlicht am 13.11.21 von osthessennews.de)

Die Datierung des staatlichen Gedenktages war erst 1952 in den November verlegt worden. Bis dahin hatte sich nicht nur die jahreszeitliche Festlegung des Volkstrauertages immer wieder geändert. Sondern auch dessen Bedeutung: Alles Mögliche sollte da seit seiner Einführung am 1. März 1925 vom Volk schon kollektiv betrauert werden.

Und zwischenzeitlich auch mal gefeiert: Während der Nazidiktatur war der Volkstrauertag vorübergehend zum Heldengedenktag umfunktioniert worden.

Es wäre ja auch wenig plausibel, einen Weltkrieg anzuzetteln und dann einen Trauertag für die Opfer abzuhalten, die man tags zuvor noch von der eigenen Armee hatte erschießen lassen. Nein, da wurden stattdessen die zu Helden ernannt, die getreu dem Wehrmachts-Motto „Gott mit uns!“ töteten oder sich „auf dem Feld der Ehre“ töten ließen.

Volkstrauertag: Staatlicher Gedenktag

Da es sich beim Volkstrauertag nicht um einen christlich-religiösen, sondern um einen staatlichen Gedenktag handelt, gibts diesmal auch kein Bibel- oder Heiligengeschichtchen, das Herr Buß zum Besten geben könnte.

Die heutige Bedeutung des Volkstrauertages beschreibt Herr Buß so:

Der Volkstrauertag bedeutet herkömmlich das Gedenken und die Erinnerung an alle Opfer von Krieg- und Gewaltherrschaft in Deutschland und in der ganzen Welt. Auch über 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Welt-krieges und 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, gilt es, die Erinnerung an die, von hier ausgegangenen Kriegen und ihre Folgen für die Welt wach zu halten. Tief geprägt ist unser Gedenken aber vor allem auch angesichts von sechs Millionen jüdischen Mitmenschen, die während der Naziherrschaft in Deutschland ermordet wurden.

„Unvorstellbarer Terror in der Welt“

Um dem Gedenktag noch einen Gegenwartsbezug verpassen zu können, weitet Pfarrer Buß das Gedenken auf den „unvorstellbaren Terror in der Welt“ aus:

Neben der Erinnerung ist der Blick auf die Gegenwart gerade heute aus aktuellem Anlass unausweichlich. Wir alle stehen auch immer wieder unter dem Eindruck unvorstellbaren Terrors in der Welt. Deshalb trauern wir am Volkstrauertag auch um alle Opfer des Terrors dieser Tage.

Terror-Gedenktag war der Volkstrauertag tatsächlich auch schon mal: In der DDR hatte man ihn zum „Internationalen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ politisch uminstrumentalisiert.

Bevor Herr Buß näher erklärt, was er mit „Terror“ meint, verrärt er erstmal, was gegen Terror hilft:

Diesem Terror müssen sich alle gesellschaftlichen Kräfte, unsere Demokratie, unsere Rechtsstaatlichkeit und Freiheit, auch unsere Nächstenliebe und Toleranz entgegenstellen. Ich bin sicher, dass unsere Freiheit und unsere Demokratie stärker sind, als jeder Terror dieser Welt.

Dabei dürfen wir nie vergessen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Toleranz sind Werte, die gegen den erbitterten Widerstand des Christentums erkämpft werden mussten.

„Christliche Werte“

Nächstenliebe - (c) Jacques Tilly
Nächstenliebe – (c) Jacques Tilly

Und was die Nächstenliebe angeht: Auch dieser Begriff musste erst von seiner eigentlichen biblisch-christlichen Aussage (Betonung auf „Nächsten-„) so umgedeutet werden, dass heute damit zumeist ein ethisch richtiges, mitmenschliches Verhalten gemeint sein soll.

Ein Verhalten, das eben gerade nicht mehr nur auf die Nächsten (gemeint waren die Zugehörigen der eigenen Glaubensgemeinschaft) beschränkt ist.

Religionen, speziell die monotheistischen Buchreligionen sind mit diesen freiheitlich-demokratischen Werten nur in Einklang zu bringen, wenn man grundlegende Aussagen ihrer Glaubenslehren passend umdefiniert oder besser gleich ganz ignoriert.

Faustformel: Je weniger ernst Gläubige ihre Religionen nehmen, desto erträglicher werden sie für die Gesellschaft.

Kein weltweiter Frieden – aber mehr Frieden denn je

Auch die aktuelle Situation zeigt uns, dass wir keinen Frieden auf der Welt haben. Die Welt ist nicht zur Ruhe gekommen! Dies sehen wir tagtäglich in der Tagesschau. Auch in Afrika, Asien oder im Nahen Osten toben die Kriege weiter und viele Menschen sterben. Viele Menschen fliehen weiterhin aus Kriegs- und Krisengebieten.

Das stimmt leider: Nach wie vor leiden Menschen weltweit unter Krieg und Krisen aller Art. Die Weltgemeinschaft steht vor der Aufgabe, das Leid zu minimieren, das durch unterschiedlichste humanitäre Katastrophen entsteht.

Allerdings gibt es, trotz aller Kriege und Krisen auch positive Entwicklungen, die bei christlichen Berufsverkündern praktisch nie Erwähnung finden. Weil sie sich diese Fortschritte nicht auf ihre Fahnen schreiben können.

Und weil dann offensichtlich wird, dass das Christentum die Zeit, in der es alle Macht der Welt gehabt hätte, nicht dazu genutzt hatte, die Welt gerechter oder friedlicher zu machen. Im Gegenteil.

Quelle: ourworldindata.org
Quelle: ourworldindata.org

Religion: Öfter Teil des Problems als Teil der Lösung

Quelle: Netzfund

Und bis heute sind Religionen wesentlich öfter – direkt oder indirekt – Teil des Problems als Teil der Lösung.

Das gilt auch für das Christentum. Ob Russland, Polen, Ungarn oder Brasilien, um nur einige Beispiele zu nennen:

Nach wie vor nutzen Diktatoren und Machthaber weltweit Religion als willkommene, immernoch erschreckend effektive und vor allem sehr kostengünstige „göttliche Legitimierung“ ihrer Verbrechen.

Und was speziell die katholische Kirche angeht: Nach wie vor erfüllt der Vatikan meines Wissens als einer der letzten Staaten weltweit noch nicht mal die Voraussetzungen, um die Menschenrechte wenigstens theoretisch ratifizieren zu können. Wenn er denn wollte.

Und die wollen jetzt was von Nächstenliebe erzählen…

Fragen zum Volkstrauertag

Volkstrauertag heißt für mich heute, auch Fragen zu stellen: Was können wir für den Frieden tun? Was muss sich ändern, damit der Teufelskreis aus Armut und Hunger, kriegerischer Auseinandersetzung und Terrorismus ein Ende findet? Die Antworten hierauf fallen nicht leicht. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, dann kommt man wohl auch nicht um unbequeme Antworten herum.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn Menschen, die selbst mit einer magisch-esoterisch erweiterten Phantasy-Weltanschauung, die augenscheinlich nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt unterwegs sind von Ehrlichkeit zu sich selbst sprechen.

Und von unbequemen Antworten, um die man dann wohl auch nicht herumkommt. Da frage ich mich, wieso sie diese Maßstäbe nicht erstmal an ihre eigenen Glaubensgewissheiten anlegen.

Außerdem frage ich mich, wie sinnvoll es überhaupt sein kann, mit Leuten über politische Themen zu diskutieren, die noch daran glauben, das irdische Geschehen stünde unter dem Einfluss eines bestimmten magischen Phantasiewesens, das sich Menschen in der ausgehenden Bronzezeit aus früheren Gottesvorstellungen zweckdienlich zusammengeschustert hatten.

„Roter Hering“ zum Nachtisch

Denn haben wir nicht unseren Wohlstand in Europa auch auf Kosten anderer, z.B. der sogenannten „Dritten Welt“ aufgebaut? Finden nicht auch Kriege mit Waffen statt, die wir hier Deutschland herstellen und weiterhin exportieren?

Worum geht es jetzt konkret, Herr Buß? Um Kolonialismus? Krieg? Oder um Terrorismus?

Um der Komplexität dieser Themen gerechter zu werden, als das der Fall ist, wenn sie einfach nur wie hier als Schlagworte (im wahrsten Wortsinn) hingeworfen werden, halte ich eine differenziertere Betrachtung für erforderlich.

Zur Frage, inwieweit unser Wohlstand auf Kosten ärmerer Länder entstanden ist, kann man sich zum Beispiel diesen Beitrag von quarks.de durchlesen, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Zum Thema Krieg, Terror und Abschreckung sei das Buch „Der moralische Fortschritt – Wie die Wissenschaft uns zu besseren Menschen macht“ von Michael Shermer zur Lektüre empfohlen. Der Autor hat im 1. Teil diesem Themenkomplex und einer moralischen Einordnung ein eigenes Kapitel gewidmet.

A propos Wohlstand auf Kosten Anderer und Bereicherung an Rüstungsindustrie: Mit beidem ist ja auch die katholische Kirche bestens vertraut…

Pfarrer Buß wehrt den Anfängen von Terror und Gewalt

Wir sind es den Opfern aller vergangenen und gegenwärtigen Kriege schuldig, denjenigen mit Entschlossenheit entgegenzutreten, die Unfrieden und Hass sähen. Es ist unsere Pflicht, den Anfängen von Terror und Gewalt zu wehren – im Kleinen wie im Großen!

Bitte nicht ständig verwechseln!
Cartoon © J. Tilly

Ihr Plädoyer für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit in allen Ehren, Herr Buß.

Aber wieso arbeiten Sie dann noch für die katholische Kirche? Wenn Sie doch offensichtlich ganz andere Werte vertreten als diese?

A propos Gewalt: Meinen Sie mit Gewalt auch die Gewalt, die katholische Priester den Kindern antun, die sie vergewaltigen?

Hier hatte die Kirchenführung es ganz offensichtlich verpasst, den Anfängen zu wehren. Und seit Bekanntwerden dieser Gewalttaten und pädokriminellen Sexualdelikte verpasst sie es, den tausendfachen Schaden wieder halbwegs angemessen gut zu machen und glaubhaft dafür zu sorgen, dass die Kirche diese Formen der Gewalt effektiv unterbindet.

Und, statt ihre Straftaten systematisch zu vertuschen, die Straftäter einer Strafverfolgung zuführt. Durch den von Herrn Buß gerade gelobten Rechtsstaat.

Und nicht der Kirchen-Paralleljustiz. Die mag sich darum kümmern, wie Priester zu bestrafen sind, die mit Messwein gekleckert haben. Oder was die Kirche eben sonst so an kircheninternen Fällen zu klären hat, bei denen keine anderen Menschen zu Schaden gekommen sind.

„Erinnerung und Mahnung an die folgenden Generationen

Es gilt auch die Erinnerung und Mahnung an die folgenden Generationen weiterzugeben. Der Volkstrauertag ist und bleibt ein Tag der Erinnerung und der Besinnung – der Erinnerung an Krieg, Terror und Gewalt und des Gedenkens an die Toten. Wir verneigen uns in Trauer vor ihnen.

Nachdem der Volkstrauertag wie oben beschrieben ja schon zum Gedenktag für alles Mögliche deklariert worden war:

Wie wäre es, an diesem Tag auch der zahllosen Opfer zu gedenken, die Religionen im Allgemeinen zu verantworten haben? Oder das Christentum oder die katholische Kirche im Speziellen?

Als Erinnerung und Mahnung an die folgenden Generationen?

Damit sich die folgenden Generationen noch stärker für eine konsequente Trennung von Staat und Kirche einsetzen mögen als das heute der Fall ist?

A propos Säkularstaat: Wieso wird der Bundestag auch 2021 noch mit Kreuzen ausstaffiert, wenn Steinmeier seine Rede zum Volkstrauertag hält?

Wir bleiben ihnen verbunden in der dauerhaften Verpflichtung für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit.

…und was hat das jetzt mit dem Christentum im Allgemeinen und mit der katholischen Kirche im Besonderen zu tun, für die Sie ja vor der Kamera stehen, Herr Buß?

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2 Gedanken zu „Gedanken zu: Stadtpfarrer Buß: Volkstrauertag – Erinnerung, Mahnung und Verpflichtung“

  1. Mein Verdacht: Pfarrer Buß schiebt Worte herum, deren Bedeutung er nicht versteht oder nicht verstehen will. In zahlreichen seiner bisherigen Ergüsse vertrritt er ein glasklar anti-freiheitliches, obrigkeitsorientiertes, kollektivistisch geprägtes Menschenbild … höflich und zurückhaltend ausgedrückt. Und jetzt kommt er auf einmal mit dem Begriff der Freiheit um die Ecke?

    Das zeigt an einem unbedeutenden und „kleinen“ Beispiel aber sehr konkret eine bei Theologen – und nicht nur bei ihnen – hoch geschätzte Manipulationstaktik auf: Die Bedeutung wichtiger Begriffe wird durch Herumschwurbeln aufgelöst, zerfasert, ausgehöhlt, verändert. Und mit diesen Worthülsen kann man dann im nächsten Schritt fragwürdige Positionen vertreten, die auf den ersten Blick ganz vernünftig zu sein scheinen. Zudem bildet die ursprünglich positiv belegte Worthülse dann eine Barriere gegen Kritik: Wer steht denn schon spontan auf und argumentiert gegen „die Freiheit“?

    Immer wieder schön zu sehen und zu lesen, dass awq diese Manipulationstaktiken erkennt, analysiert und für die Leser transparent macht. 👍

    Antworten
  2. @Andreas Edmüller:
    Ganz einfach!
    Die Christen sind die Guten und die Erleuchtenden.
    Stehen über allem, machen und wissen alles besser!
    Gesundheit, Glück und Zufriedenheit, ist nur den Christen vorbehalten!
    Und falls nicht, vergibt Gott ihnen ja!
    Der ganze klägliche andere Schrott, wandert ja eh inne Hölle!

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