Hoffnung auf ein Wunder – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Annette Behnken, veröffentlicht am 11.02.2023 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Anders als der Titel vermuten lässt, geht es diesmal gar nicht um Wunder, sondern in erster Linie um den Umgang mit dem Leid der Menschen, die vom Erdbeben in der Türkei und in Syrien betroffen sind.Pastorin Behnken sinniert heute darüber, wie wir mit dem Leid umgehen, das das Erdbeben in der Türkei und in Syrien verursacht hat.
Ihre Devise:
[…] Dasein. Nichtausweichen. Mitaushalten.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Hoffnung auf ein Wunder – Wort zum Sonntag, verkündigt von Annette Behnken, veröffentlicht am 11.02.2023 von ARD/daserste.de)
Persönich „Dasein“ dürfte für die meisten Deutschen wohl eher keine Option sein. Realistischer ist stattdessen eine Unterstützung der Organisationen und der Menschen, die vor Ort Hilfe leisten.
Diesmal kein mitleidender Gott…
Erstaunlich: Weder hier, noch im weiteren Verlauf bringt Frau Behnken diesmal den mitleidenden Gott ins Spiel, den ihre Kirche in solchen Fällen sonst immer bemüht, wie wir gleich noch sehen werden.
Und somit dürfte die Reaktion von Frau Behnken bei den meisten Menschen wohl ähnlich ausfallen – unabhängig von Weltanschauung und sonstiger Überzeugung. Beispiel:
Der HVD Niedersachsen spricht den Opfern des Erdbebens in der Türkei und in Syrien sein Mitgefühl aus. „Unsere Gedanken sind bei allen, die von dieser Katastrophe betroffen sind, insbesondere auch bei allen Helfenden“, sagt Präsident Guido Wiesner.
(Quelle: Humanistischer Verband Deutschlands)
Dürfen wir das?
Das Bild des Vaters, der die Hand der Tochter nicht loslässt, ging weltweit durch die Zeitungen. Und ich seh es an und frage mich: Dürfen wir das? Dürfen wir diesem Mann einfach so ins Gesicht sehen? In diesem Moment? Dürfen wir das?
Ich meine, ja. Ich meine, wir dürfen das nicht nur, sondern wir sollen hinsehen. Leid muss gesehen werden. Die, die es aushalten müssen, müssen angesehen werden.
Berichterstatter und Nachrichtendienste haben bestimmte Konventionen, nach denen sie entscheiden, welche Bilder aus Krisengebieten sie veröffentlichen und welche nicht. Dabei gilt es, das Ausmaß des Leides zu zeigen, ohne jedoch die Persönlichkeitsrechte der gezeigten Menschen zu verletzen.
Seriöse Medien vermeiden es zudem, mit drastischen Darstellungen von Leid und Zerstörung die Sensationsgier bestimmter Kreise zu bedienen.
Die Frage, ob „wir“ uns die gezeigten Bilder anschauen dürfen oder nicht, lässt sich meines Erachtens nicht so pauschal beantworten.
Wäre zum Beispiel bei einem Menschen wegen vergleichbarer Erlebnisse eine Retraumatisierung zu befürchten, würde ich ihn nicht auffordern, dass er eine Konfrontation mit diesem Leid aushalten und ansehen muss.
Was sie brauchen – und was nicht
Wir müssen sehen, was die Menschen im Erdbebengebiet brauchen. Und auch das, was sie nicht brauchen. Korruption. Fehlplanung. Und das Ausnutzen von Not für politische Zwecke.
Anders als ein Erdbeben sind Korruption, Fehlplanung und Ausnutzen von Not für politische Zwecke Negativpunkte, die Menschen zu verantworten haben.
Frau Behnken weiß also, was die Menschen im Erdbebengebiet nicht brauchen. Die zahlreichen Bittgebete und -andachten, mit denen sich zumindest ihre Kirche an ihren Gott wendet zählt sie nicht dazu.
Solche Gebete halte ich für ein Ausnutzen von Not für religiöse Zwecke: Die Gläubigen werden damit dazu angehalten, auf Trost und Unterstützung des Gottes aus der biblisch-christlichen Mythologie zu vertrauen.
Da wird Gott aufgefordert, den Helfenden zu helfen. Und die Betroffenen zu trösten. In erster Linie trösten sich die Gläubigen allerdings selbst, wenn sie sich mit Bittgebeten und Opferkerzen das Gefühl verschaffen, wenigstens irgendetwas getan zu haben.
Theodizee: Lieber nicht ansprechen
Auf die Frage, warum ein allmächtiger und allgütiger Gott nicht in der Lage oder willens war, eine Welt ohne Erdbeben zu erschaffen oder zumindest dafür zu sorgen, dass Erdbeben kein Leid empfindungsfähiger Lebewesen verursachen (was für einen wohlmeinenden allmächtigen Schöpfer ja problemlos möglich wäre, wenn es ihn gäbe), geht Frau Behnken nicht ein.
Dabei sollte sich gerade bei einer Katastrophe diesen Ausmaßes diese Frage für Monotheisten doch geradezu aufdrängen. Sollte man meinen.
Aber Fehlanzeige: Der Gott, mit dessen angeblicher Allmacht man die eigene Relevanz (früher: Macht) legitimiert, taugt plötzlich nur noch als Adressat für Trostbitten.
Es folgt nun eine Andernanderreihung von emotional zusammengestammelten Gedankenfragmenten, mit denen Frau Behnken ihre These, dass Leid gesehen werden müsse untermauert.
Sprachlose Kirche?
Wie gewohnt wird es dann am Ende doch noch kurz religiös:
Kirche soll trösten, das hör ich oft. Ich kenn die Erwartung: Als Pastorin müssen Sie doch was Tröstendes sagen! Und ich kenn selber die Suche nach Trost, nach einem Satz, der heilt oder wenigstens verstehen lässt. Aber ich hab erfahren, dass das so nicht funktioniert. Trost geht nicht mal eben schnell. Ich glaube, es ist jetzt noch nicht die Zeit für Trost. Es ist die Zeit des Nichtloslassenwollens und -könnens. Es ist die Zeit des Schreckens und Grauens und der Trauer und der Klage.
Eine solches Statement aus der religiösen Ecke halte ich für eine Kapitulation vor der Realität – und für ein Eingeständnis, dass die Kirche nichts Tröstliches beizutragen hat, wenn es „hart auf hart“ kommt.
Wenn es um reales Leid realer Menschen geht, sind mythenbasierte religiöse Phantasievorstellungen fehl am Platz. Da wählt man lieber Themen, bei denen die göttliche Untätigkeit nicht ganz so offensichtlich wird und wo sie nicht ganz so dramatische Auswirkungen hat.
Und schließlich ist es für eine christliche Glaubensverkünderin auch weniger aufwändig, sich in einer solchen Situation mit Trostversprechen erstmal zurückzuhalten, als sich auf das Theodizee-Glatteis zu begeben.
Kapitulation statt Theodizee-Bewältigung
Denn solche Versuche enden regelmäßig in einem intellektuellen Offenbarungseid. Wie zum Beispiel in diesem Text des Pfarrers Hans Genthe zur Erdbebenkatastrophe, Titel: „Warum lässt Gott das zu?“.
Dort finden wir dann zum Beispiel das zynische Narrativ vom still (und tatenlos) mitleidenden Gott. Der Gott, dessen Welt laut Leibniz die beste aller möglichen Welten sein soll (laut Genthe eine „Vernünftige Erklärung des Leidens!). Und in der dann alles Leid mit der angeblich göttlich gegebenen menschlichen Willensfreiheit begründet wird. Auch das Leid, das zum Beispiel durch Erdbeben verursacht wird.
Eine Instrumentalisierung des Leides für religiöse Zwecke muss sich auch Pfarrer Genthe vorwerfen lassen, wenn er schreibt:
[…] Eine Welt ohne Gott, ein schweigendes Universum, das dem Menschen weder einen Weg zeigt, noch sie aufhält, war und ist für viele Menschen nicht zu ertragen. Auf der anderen Seite hat gerade das Inferno des 20. Jahrhunderts vielen Menschen wieder den Blick auf den mitleidenden Gott geöffnet.
(Quelle: ekhn.de – Hans Genthe: Warum lässt Gott das zu?)
Den religiösen Aspekt der heutigen Fernsehpredigt können wir sinngemäß mit der Erkenntnis zusammenfassen, dass (auch) die Kirche, genauer: der christliche Glaube zumindest laut Frau Behnken und, zumindest im Moment, nichts Hilfreiches beizutragen hat.
Die Pastorin erwartet, im Gegensatz zu ihrem oben exemplarisch erwähnten Glaubensbruder und anderen Vertreterinnen der evanglischen Kirche, offenbar weder, dass sich ihr Gott an Hilfsaktionen beteiligt, noch dass er Betroffene und Mitfühlende tröstet.
Nachdem das „Wort zum Sonntag“ von letzter Woche noch in die Abgründe evangelischen Wahnsinns geführt hatte, gibts diesmal also eine praktisch komplett glaubens- und religionsfreie Verkündigung.
…und was war jetzt mit Wunder…?
Beim Titel „Hoffen auf ein Wunder“ hatte ich natürlich zunächst erwartet, dass diesmal einige der geglückten Rettungen von Verschütteten als Belege für göttliche Gnade (Wunder) aufgezählt würden.
Tatsächlich ist von Wundern im Text allerdings gar keine Rede mehr.
Und das, obwohl die Menschen, deren Angehörige teils sogar noch nach über 100 Stunden und damit mit unvorstellbar viel Glück lebend aus den Trümmern geborgen werden konnten, dies garantiert als eindeutigen und unzweifelhafen Beweis für die Gnade ihres jeweils geglaubten Gottes und die Wirksamkeit ihrer Bittgebete an diesen Gott betrachten dürften.
Aufruf zu Unterstützung der Helfer
Zum Schluss denkt Frau Behnken zum Glück noch an einen Aufruf zu tatsächlich hilfreicher Hilfe:
Und für uns, hier, ist es die Zeit, die Menschen in der Türkei und in Syrien nicht allein zu lassen. Helfen, ganz konkret, vor Ort und auch von hier aus mit Spenden, so wie es ja schon geschieht.
Statt ihre vier Sendeminuten dafür zu verwenden, ihre religiöse Sprachlosigkeit in Worte zu fassen, hätte Frau Behnken zum Beispiel mal einen Einblick in die Arbeit der Hilfsorganisationen bieten können, die vor Ort in verschiedenen Bereichen tätig sind.
Stattdessen schließt sie mit einer nichtssagenden emotionalen Floskel:
So wenig. So viel?
Hinsehen. Dasein. Mittragen. Berührbar bleiben. Das ist so wenig. Und so viel.
Das ist – übrigens genauso wie beim angeblich zwar hinsehenden, daseienden, mittragenden und berührbar bleibenden, ansonsten aber tatenlosen Gott – meines Erachtens nicht so viel. Sondern zu wenig.
Jedenfalls dann, wenn es beim Mitfühlen bleibt. Und wenn das Mitgefühl keine tatsächlich effektive Hilfsleistung – persönlich oder in Form von Spenden – zur Folge hat. Ohne eine solche Handlung helfen diese Gefühle bestenfalls dem, der sich damit in seiner Empathiefähigkeit bestätigt sieht.
Und weil es keinen einzigen vernünftigen Anhaltspunkt für tatsächliche göttliche Unterstützung auch nur eines einzigen Gottes gibt, sind wir Menschen gefragt, Leid zu mindern und uns nach Möglichkeit gegenseitig zu unterstützen.
Warum helfen?
Als Motivation dafür, anderen Menschen in Not zu helfen, braucht es ebenfalls keiner religiösen Wirklichkeitserweiterung.
In Anlehnung an die altbekannte „Goldene Regel“ könnte das Motto zum Beispiel lauten: „Ich helfe Menschen in Not, weil ich mir wünsche, dass auch mir geholfen wird, wenn ich in Not geraten sollte.“
Wie immer, wenn irgendwo zu Spenden aufgerufen wird, sei auch diesmal daran erinnert, sich die Hilfsorganisation/en genau anzuschauen, die man finanziell unterstützen möchte. Damit die Spende nicht in der Missionierung, sondern dort landet, wo damit Menschen in Not effektiv geholfen werden kann.
Vielleicht sollte man Frau Behnken mal nen anderen, gut bezahlten Job anbieten, um Ihr den Austritt aus der Kirche zu erleichtern.
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass die gute Frau schon lange nicht mehr an die Märchen glaubt, die sie erzählt, sondern den Job nur des Geldes wegen nicht aufgeben will.
Geben Sie es zu Frau Behnken, tief im Herzen sind Sie schon längst eine von uns… nur Mut,trauen Sie sich, die Realität heisst Sie mit offenen Armen wilkommen!
„Auf der anderen Seite hat gerade das Inferno des 20. Jahrhunderts vielen Menschen wieder den Blick auf den mitleidenden Gott geöffnet.
(Quelle: ekhn.de – Hans Genthe: Warum lässt Gott das zu?)“
Bringt mich immer wieder auf die Palme, wenn versucht wird, mit dieser Erklärung, Nutzen für Religion und Gott aus menschlichem Leid zu saugen; wie auch mit der bekannten Story vom Jesus, der im KZ neben dem gehenkten Jungen am Strick hängen soll.
Das wäre doch für einen allmächtigen Gott nichts anderes als zynisches Nachäffen des Leids. Im menschlichen Mitleid ist die Verzweiflung über die Hilflosigkeit wesentlicher Bestandteil. Ein Allmächtiger wäre einem Arzt vergleichbar, der die Schmerzensschreie seines Patienten nachäfft statt ihm zu helfen.
Wie heisst es doch dann immer so oft:
„Die Wege des Herrn sind unergründlich!“
Wir haben es hier offenkundig mit einem Gott zu tun, der nicht einmal in der Lage ist, eine sichere Erde als Lebensraum für die Menschen zu erschaffen.
Das ist eines der Punkte, wo dieses Wesen für mich als Gott vollkommen versagt- und sich selbst maßlos überschätzt hat! Und selbst mit einer Korrektur seiner Schöpfung, ist der allliebende und allmächtige scheinbar völlig überfordert, oder kann- bzw. will es nicht!
Mit so einem Gott, möchte ich nichts zu tun haben!
Lt. dem biblischen Märchenbuch gab es doch mal eine Zeit, als Gott das Paradies schuf. Da gab es keine Erdbeben, keine Krankheiten, keine Kriege, nur Friede, Freude, Eierkuchen und damit auch kein Theodizee-Problem.
Das hätte doch so schön weiter gehen können.
Was war der Grund, warum das nicht so weiter ging?
Ich sag`s Ihnen: Weil der Erfinder dieses Märchens ein Mensch war, kein Gott.
Der hat nur seinen Wunschtraum niedergeschrieben in einer Welt, die alles andere als paradiesisch war.
Und um die Kurve vom Paradies zur realen Welt zu kriegen, hat dieser misogyne und misanthropische Typ auch gleich das erste Verbot der jüdisch-christlichen Weltgeschichte geschaffen, damit es auch prompt missachtet werde: das Verbot der Wissbegier und des kritischen Denkens, verbunden mit dem Hinauswurf aus der ewigen Herrlichkeit und der Todesstrafe bei Übertretung desselben.
Danach hat der liebe Gott dann des Öfteren die Naturgewalten zum Zwecke der Bestrafung, Disziplinierung oder der Machtdemonstration in Anspruch genommen.
Darum haben ja die Leute auch folgerichtig geglaubt, dass Naturkatastrophen und Epidemien die Handschrift Gottes zeigten, sogar heute noch.
Davon will Frau Behnken aber offensichtlich nichts mehr wissen, weil sie ein „aufgeklärtes“ und „geläutertes“ Christentum vertritt.
Sie ignoriert fundamentale Glaubenssätze ihrer Religion, nämlich dass das Leben des Menschen nur eine Pilgerreise auf dem Weg zum grossen Ziel des ewigen Lebens im Jenseits ist, und dass das der grösste Trost überhaupt ist, den die christliche Religion zu bieten hat – bei gottgefälligem Leben, versteht sich.
Wenn dieser Trumpf jetzt nicht mal mehr bemüht wird, sieht es noch übler aus für die Kirche, als sie jetzt schon dasteht.
Hm – schon mal daran gedacht: Das war Jahwe, weil er den ungläubigen Muslimen eine Lehre erteilen wollte. Wird Allah sich das bieten lassen?
Damit ist doch religiöser Glauben, bzw. (ein wahrhaftiger) Gott schon völlig wiederlegt.
Dennoch ist so etwas sehr gefährlich!
Jede/r meint, sie/er glaubt an den richtigen und wahren Gott!
Gottes Existenz sie plastisch fühlbar und erfahrbar.
Du musste es Dir nur lange genug einreden!
Sie meinen, genau zu wissen, was (ihr) Gott von ihnen möchte.
Viele würden für ihre Glaubensüberzeugung sogar (sich selbst, oder andere) töten!