Gedanken zu: Impulse von Stefan Buß: „Nimm dich nicht so wichtig!“, veröffentlicht am 11.10.23 von osthessennews.de
Darum geht es
Pfarrer Buß diskreditiert selbst erarbeitetes Selbstwertgefühl und kompensiert den Mangel an menschlicher Anerkennung durch die Einbildung göttlicher Anerkennung.Diesmal versucht sich Pfarrer Buß wieder mal an katholischer Lebensberatung. Obwohl es natürlich gut tue, erfolgreich zu sein und Anerkennung zu erhalten für das, was man selbst geschaffen hat, dürfe man sich nicht von Anerkennung und Lob abhängig machen.
Abhängig von Anerkennung
Die Welt, in der sich Menschen durch Erfolg, Anerkennung oder Lob bestätigt fühlen, bezeichnet Pfarrer Buß als „…derzeitigen Markt der Eitelkeiten und Zwischenmenschlichkeiten“.
Damit setze man nach Ansicht des Pfarrers in seinem Leben aber „aufs falsche Pferd“, weil man sich „mit Selbstvergewisserung abmühe“.
All das klingt für mich nach Aussagen eines Menschen, der offensichtlich wenig Anerkennung, Lob oder allgemein: positives Feedback von seinen Mitmenschen erfährt.
Dann kann es natürlich mühsam sein, sich anhand dessen, wie Menschen mit mir umgehen und wie sie mich einschätzen selbst zu vergewissern, dass das, was ich tue und wie ich es tue einigermaßen passt.
Lösung: Umkehr!
Für diese Menschen hat Pfarrer Buß eine Lösung parat: Die von Jesus geforderte Umkehr. Im religiösen Kontext ist mit Umkehr immer die Umkehr zum jeweils gepredigten Glauben gemeint.
Wenn ich mein Selbstwertgefühl aus der Reaktion meiner Mitmenschen auf mein Verhalten ableite, dann sei diese Umkehr erforderlich, „…weil ich damit in meinem Leben aufs falsche Pferd setze, weil ich mich mit Selbstvergewisserung abmühe und zwei entscheidende Dinge nicht verstanden habe, die für mich als Christ, als Mensch in der Nachfolge Jesu, von elementarer Bedeutung sind.“
Hier scheint Pfarrer Buß irgendwie mit seinen Erzählperspektiven durcheinandergekommen zu sein: Es gibt also offenbar zwei entscheidende Dinge, die er aber nicht verstanden hat, obwohl sie für ihn als Christ von elementarer Bedeutung sind.
Zur Kompensierung fehlender mitmenschlicher Anerkennung hat Pfarrer Buß also gleich zweifachen theologischen Ersatz:
Das erste ist die Frage: Wie wichtig ist denn eigentlich Gott für mich? Welchen Stellenwert hat er in meinem Leben, nicht nur sonn- und feiertags?
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte und der kursiv gesetzten Zitate: Impulse von Stefan Buß: „Nimm dich nicht so wichtig!“, veröffentlicht am 11.10.23 von osthessennews.de)
Was die Beantwortung dieser Frage mit dem eigenen Selbstwertgefühl zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Hier geht es ja nicht um die eigene Bedeutung. Sondern um die Bedeutung, die jemand dem Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie zuschreibt.
Trotzdem scheint Pfarrer Buß diese Umkehr ja auch für das eigene Selbstwertgefühl für irgendwie bedeutsam zu halten.
Wichtige Wahrheit
Das zweite ist eine wichtige Wahrheit, die ich mit großer Dankbarkeit betrachte: Gott sagt zu jedem einzelnen Menschen: „Du bist mir wichtig, du bist für mich wertvoll, du bist mein ein und alles. Diese Zusage Gottes hat Konsequenzen: Ich muss mir die Anerkennung Gottes nicht erarbeiten, ich brauche mich beim göttlichen Festmahl nicht in die erste Reihe zu setzen, wie es der Gast bei der Hochzeitsfeier im Evangelium getan hat. Ich muss mich nicht hervortun, um von Gott gesehen zu werden, um seinen Blick auf mich zu lenken.
Bei „jedem einzelnen Menschen“ sind auch jene inbegriffen, die anderen Menschen unvorstellbares Leid zufügen.
Wenn wir Herrn Buß beim Wort nehmen, dann bekommt zum Beispiel der katholische Priester, der über Jahrzehnte hunderte von Kindern unter dem Schutz der katholischen Kirche sexuell missbraucht hat die gleiche Anerkennung von Gott wie jemand, der sich zeitlebens nicht zu Schulden hat kommen lassen.
Somit hat diese Zusage – oder genauer: Die Einbildung dieser Zusage – tatsächlich Konsequenzen: Fatale Konsequenzen für die Opfer klerikaler pädokrimineller Sexualstraftäter, die sich, wie hier ja auch behauptet, unbedingte, vollständige göttliche Anerkennung einbilden – unabhängig davon, was sie zu Lebzeiten getan oder nicht getan haben.
An diesem Beispiel lässt sich das riesige Gefahrenpotential erkennen, das unbrauchbare Moralquellen wie religiöse Glaubenskonstrukte mit sich bringen.
…und ohne Umkehr…?
Wie gewohnt und auch nicht anders zu erwarten verschleiert Herr Buß den Umstand, dass die unbedingte göttliche Anerkennung laut biblisch-christlicher Glaubenslehre natürlich keineswegs bedingungslos ist: Voraussetzung ist der „rechte“ Glaube an den einzig wahren Gott.
Es handelt sich dabei nicht etwa um ein optionales Angebot. Sondern um eine klassische Erpressung. Menschen, die sich fragen, welche Rolle ein bestimmter Wüstengott, den sich ein Wüstenvolk in der ausgehenden Bronzezeit aus früheren Gottesvorstellungen zurechtgezimmert hatte spielt und die zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Gott überhaupt keine Rolle für sie spielt, gibt es laut biblisch-christlicher Glaubenslehre keine göttliche Anerkennung.
Sondern zeitlich unbegrenzte psychische und physische Dauerfolter mit Höllenqualen bei vollem Bewusstsein und ohne Aussicht auf Begnadigung. Obwohl die „frohe Botschaft“ der „Erlösung ohne diesen Aspekt keinen Sinn ergibt, verschweigen ihn Mainstream-Berufschristen konsequent.
Zurück zum Beispiel: Ein Priester, der Kinder vergewaltigt, kann sich also darauf verlassen, dass er das einzige Kriterium, das für Gott zu zählen scheint schon allein berufsbedingt erfüllt. Und zur Not gibts ja auch noch das Konzept der Beichte.
Religion kann moralischen Kompass verbiegen
Wie sehr eine solche Einbildung den moralischen Kompass von Menschen verbiegen kann, zeigt sich an den tausenden Fällen pädokrimineller Sexualstraftaten katholischer Priester.
Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, sondern ein um ein grundlegendes Problem des christlichen Glaubens, zeigt sich auch in der 10bändigen Kriminalgeschichte des Christentums. Die berichtet auf knapp 10.000 Buchseiten von Verbrechern – die alle von göttlicher Anerkennung aufgrund ihres Glaubensbekenntnisses fest überzeugt waren.
Für das menschliche Miteinander ist es völlig irrelevant, welches Verhältnis ein imaginäres Phantasiewesen zu Menschen angeblich hat. Da kommt es nur darauf an, welche Folgen menschliches Handeln für die Mitlebewesen hat.
Das allein genügt?
Johannes XXIII. hatte dem jungen Bischof, der voller Sorgen war, gesagt: „Nimm dich nicht so wichtig!“ – Zu ergänzen wäre: Nimm vielmehr Gott wichtig in seiner ganzen Liebe und Schönheit, Herrlichkeit und Pracht und lass dich von ihm immer mehr annehmen und anerkennen. Das allein genügt.
Was sagt es über Menschen aus, wenn sie solche Vorstellungen äußern?
Wie oben schon geschrieben: Solche Aussagen lassen auf ein stark ramponiertes Selbstwertgefühl schließen.
Selbst erlangtes Selbstwertgefühl wird als Überheblichkeit oder Abhängigkeit diskreditiert („Nimm dich nicht so wichtig!“) und durch eine göttliche Anerkennung kompensiert, die genauso fiktiv und eingebildet ist wie der Gott „in seiner ganzen Liebe und Schönheit, Herrlichkeit und Pracht.“
Die Option, ganz ohne Göttereinbildungen mit sich im Reinen zu sein, ohne dabei überheblich zu werden, scheint für Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda gar nicht zu existieren.
Stattdessen empfiehlt er, sich von göttlicher Anerkennung abhängig zu machen. Denn mit diesen Leuten verdient er sein Geld.
„Nimm dich nicht so wichtig!“
Ich lach mich schlapp.
Wenn sich die versammelte Klerikerkaste doch diese Aufforderung mal zu Herzen nehmen würde, dann würden wir mit Sicherheit in einer besseren Welt leben als in der, in der wir heute unser Dasein fristen und in der sich der Klerus – und zwar der Klerus jeder Religion – so wichtig nimmt, dass er sich in sämtliche Angelegenheiten des menschlichen Zusammenlebens ständig und zu allen Zeiten einmischt – mit höchsten Weihen versehen, sogar hin und wieder heilig gesprochen, autorisiert durch ein imaginiertes höchstes Wesen, mit Pomp und Glitzer umgeben und – ganz entscheidend – als moralische Instanz erster Güte berufen.
Herr Buß ist nichts anderes als eine gewöhnliche Krämerseele, die seinen Kunden Land bei Ebbe verkauft, „heimlich Wein säuft und Wasser predigt“ (Heine).
Man merkt die Absicht und ist verstimmt (Goethe).
Nimm dich nicht so wichtig!
Das ist doch Realsatire, wenn man mal diesen ganzen Karneval der Kirche anschaut, mit ihren Prozessionen, dem herumtragen der Priester auf Sänften, diesen ganzen Goldpopanz. Goldene Gewänder, goldene Kelche.
Danke Herr Buß, aber nein danke, verarschen können wir uns selber. Ihr Geschwätz beleidigt unser Intelligenz.
Ihre widerliche Priesterkaste hat wohl wirklich genug Schäden in der Welt angerichtet, angesichts dessen, wäre Ihr Schweigen in Gold aufzuwiegen.