Grüße vom Ätna – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Grüße vom Ätna – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 12.4.24 von ARD/daserste.de

Darum geht es (vielleicht)

In seinem ersten „Wort zum Sonntag“ nach der Cannabis-Legalisierung tröstet sich Herr Höner mit Fatalismus und deutet Rauchringe am Ätna zu Heiligenscheinähnlichen „Segenszeichen“ um.

Die heutige Kirchenreklamesendung lässt vermuten, dass die Cannabis-Legalisierung vor einigen Tagen bei die Entstehung des Textes eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben könnte.

Bestimmte Hanfsorten sind ja bekannt dafür, dass sie Konsumenten zu Höchstleistungen beim (sinn-)freien Assoziieren anregen.

Das Ergebnis sind dann nicht selten Aneinanderreihungen und hanebüchene Verknüpfungen von Gedanken, die auf Zuhörer, die nicht ihrerseits auch gerade in einem solchen „erweiterten Modus“ unterwegs sind mitunter zusammenhanglos, wirr oder auch irre wirken können.

Ein Paradebeispiel für solches bekiffte Gelaber liefert Moritz Bleibtreu als Kai u.a. in der Eröffnungsszene des Filmes „Lammbock.“

Thema der heutigen Sendung ist zwar nicht die Cannabis-Legalisierung. Aber um Rauch geht es, zumindest vordergründig auch: Herr Höner ist schwer beeindruckt von den Rauchringen, die neulich am Ätna beobachtet worden waren.

Über die Erkenntnis, dass nur eine dünne Erdkruste alles Leben auf der Erde vor dem darunter liegendenen Magma schützt, gehts weiter zu existentiellen Fragen:

Am 30. Mai ist der Weltuntergang…

Meine Tochter Ida fragte neulich: „Sag mal Papa, wie lange wird‘s denn eigentlich die Erde noch geben?“ „Wahrscheinlich so ein bis drei Milliarden Jahre“, krame ich mein altes Schulphysik-Wissen hervor. „Und dann?“ – will sie wissen. „Na, dann wird sie von der Sonne verschluckt.“

Diese naturwissenschaftliche Erkenntnis ist heftig. Dass die Erde in ein paar Milliarden Jahren nicht mehr sein wird, zeigt mir aber vor allem eins: wie relativ alles ist, wie relativ auch ich bin. Und gleichzeitig, wie kostbar die Jahre sind, die ich hier auf der Erde habe. Alles vom Ende her denken.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Grüße vom Ätna – Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 12.4.24 von ARD/daserste.de)

Nun, ein paar Milliarden Jahre halte ich, verglichen mit einem Menschenleben, für relativ lang.

Deshalb ergibt es meines Erachtens umgekehrt mehr Sinn: Nicht weil die Erde nur noch, sondern gerade weil sie noch ein paar Milliarden Jahre existieren wird, erscheint ein Menschenleben relativ kurz.

Einen Verdacht bezüglich einer möglichen Ursache für inhaltliche Ungenauigkeiten und Unstimmigkeiten wie diese hatte ich ja eingangs schon kurz angesprochen.

Vom Ende her denken

Herr Höner denkt also alles vom Ende her.

Offenbar teilt er demzufolge keine der zahlreichen Variationen von Jenseitsvorstellungen, die das biblisch-christliche Glaubenskonstrukt im Angebot hat. Und die von gläubigen Christen verschiedener Konfessionen höchst unterschiedlich, aber aus gleichsam tiefster Überzeugung heute noch geglaubt werden.

Wer den Tod als endgültiges Ende des Lebens und damit auch als Ende der Existenz menschlicher Persönlichkeiten akzeptiert, erspart sich damit den ganzen Un- und Widersinn, den religiöse Jenseitsmythen voraussetzen bzw. beinhalten.

Dass ohne die Annahme einer jenseitigen Ewigkeit auch gleich das ganze christliche Heilsversprechen obsolet wird, scheint für Herrn Höner egal zu sein. Wer es vorher schon geschafft hatte, den Bestrafungsaspekt aus dem biblisch-christlichen Glaubenskonzept wegzudefinieren, der kann offenbar auch auf die genauso fiktive und illusorische ewige himmlische Belohnung verzichten.

Dann sind wir mal gespannt, was bei Herrn Höner vom christlichen Glauben jetzt überhaupt noch übrig geblieben ist. Den scheint er auch vom Ende her zu denken…

From a distance – nothing else matters

Vielleicht ist das die einzige gute Nachricht, die wir dem aktuellen Wahnsinn dieser Tage entgegenhalten können: Ja, denkt vom Ende her, nichts wird bleiben: Keine Bomben, kein Fanatismus, kein Egoismus, kein schneller, höher, weiter. Kein: Nur ich hab‘ Recht. Das wird alles eines Tages verschwinden – genau wie alles Schöne. Weil Leben begrenzt und endlich ist.

Fatalismus als Trost? Nach mir die Sintflut? Eine Kapitulation vor der irdischen Wirklichkeit? Oder eine nicht-religiöse Interpretation von „Erlösung“?

Klar: Wenn wir den Blickwinkel zeitlich und/oder räumlich nur etwas erweitern, wird alles, was das Leben auf einem kleinen Planeten im Allgemeinen und das kurze Gastspiel einer bestimmten Trockennasenaffenart im Besonderen betrifft komplett irrelevant.

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

Wenn das allerdings tatsächlich die einzige verbliebene gute Nachricht sein soll, die wir dem aktuellen Wahnsinn dieser Tage entgegen halten können, welchen Grund gibt es dann noch, nicht gleich komplett aufzugeben?

Statt wenigstens zu versuchen, zumindest Teilbereichen dieses Wahnsinns im Rahmen der eigenen Möglichkeiten etwas Wirksames entgegenzusetzen? Statt sich in Fatalismus zu suhlen und sich mit einem Verweis auf einen dereinst sowieso unweigerlich eintretenden „Weltuntergang“ aus der Verantwortung zu stehlen?

Was ist diese Aussage von Herrn Höner anderes als eine Aufforderung zur Resignation? Leute, wir sind sowieso am Arsch, also macht euch noch ein paar schöne Tage, bevor alles endgültig in die Luft fliegt?

…und das meint der ja bestimmt nicht sarkastisch, wie dereinst die Band „Geier Sturzflug“ mit ihrem Song „Besuchen Sie Europa“…

Aber wie meint er es dann? Und an welcher Stelle war eigentlich der Bibelgott in seiner Rolle als „gerechter Richter“ aus dem Script geflogen?

Wie Heiligenscheine.

Wie auch immer: Jetzt wird es höchste Zeit, schnell doch noch irgendwas mit religiöser Anmutung einzustreuen. Schließlich ist das „Wort zum Sonntag“ ja kein Philosophie-Magazin, sondern eine Kirchenreklamesendung:

Und dann gibt es diese Rauchzeichen: tief aus der Erde steigen sie hoch in den Himmel. Grenzenlos und vollkommen unbeirrt. Wie Heiligenscheine.

Zu Zeiten, als die Menschheit noch keinen Schimmer hatte, wie Wetter- astronomische oder physikalische Phänomene zustande kommen, hatten die Priester noch leichtes Spiel, ihre Kundschaft mit ihrem angeblichen (in Wirklichkeit frei erfundenen) Geheimwissen über angebliche göttliche Verursachung zu beeindrucken und gefügig zu machen.

Die Rauchringe am Ätna sind keine Rauchzeichen. Rauchringe sind auch nicht „grenzenlos und vollkommen unbeirrt.“ Heute wissen wir, unter welchen Bedingungen Rauchringe entstehen können und warum sie so aussehen, wie sie aussehen.

A propos Heiligenscheine: Wenn überhaupt, dann sehen Heiligenscheine in der Vorstellung von Gläubigen wie Rauchringe aus, nicht umgekehrt.

Salbungsvolles Gesülze: Nur nix Konkretes!

Das höchste der religiösen Gefühle, das Herr Höner sich und seinem Publikum noch zutraut, entspricht einem Schleiermacherschen „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“:

Als wollten sie sagen: Das naturwissenschaftliche Wissen ist das eine, das unfassbar Schöne das andere – das Gespür für’s Unendliche, die tiefe Verbindung zwischen Himmel und Erde – auch wenn uns hier gerade so viel um die Ohren fliegt.

Rauchringe wollen uns nichts sagen. Genausowenig wie Blitz und Donner, Solitonenwellen oder Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten.

Es sind Menschen, die sich solche Anthropomorphismen ausdenken. Früher, weil sie’s nicht besser wussten. Und heute…?

Hier ist es Herr Höner, der uns was sagen will. Nämlich sinngemäß: Bitte, bitte lasst mich auch noch ein bisschen mitspielen! Ihr braucht auch an überhaupt nichts mehr zu glauben, aber bitte tretet nicht aus der Kirche aus, sonst verliere ich womöglich meinen Job!

Sentimental und verrückt

Halten Sie mich für sentimental oder vielleicht auch für verrückt, aber für mich sind diese Rauchzeichen über dem Ätna beruhigend. Zart und leicht schweben sie über der Erde. Als Segenszeichen über dieser zerrütteten Welt. Segenszeichen auch für Sie in dieser Nacht.

Herr Höner, wie Sie persönlich Ihre Wahrnehmungen deuten und interpretieren, ist natürlich Ihre Privatangelegenheit. Wenn Sie die Vorstellung beruhigend empfinden, dass Ihnen der Ätna, das Universum, Ihr Gott, die Unterwelt oder wer oder was auch immer Segenszeichen in Form von Rauchringen schickt – wieso nicht! Menschen glauben ja allen möglichen Quatsch, wieso also nicht auch sowas.

Aber was wollen Sie damit dem Publikum des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes mitteilen? Wie würden Sie Ihre Intention in wenigen, einfach und klar formulierten Sätzen zusammenfassen?

Wenn das, was Herr Höner heute präsentiert tatsächlich alles wäre, was vom biblisch-christlichen Glaubenskonstrukt noch übrig geblieben ist, dann wäre gegen diese Form der Realitätsflucht kaum noch etwas einzuwenden: Rauchringe als letzter, stummer Gruß an Menschen mit einem Gespür fürs Unendliche: Entspannt euch – ihr habts sowieso verkackt.

Dummerweise halten aber selbst die komplett weichgespülten Wischiwaschi-Christen durch ihr Festhalten am Christentum eben jenes künstlich am Leben.

Und davon profitieren dann fatalerweise immer auch die, die sich noch nicht so weit von den potentiell lebensgefährlichen Glaubensgrundlagen entfernt und befreit haben wie das bei Herrn Höner der Fall zu sein scheint und die ihren religiösen Glauben nur noch als Legitimierung eines Denkverzichtes und zur Abgabe von Verantwortung brauchen.

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5 Gedanken zu „Grüße vom Ätna – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. 1.) Vulkane wurden als Ventilationssystem der Hölle entwickelt.
    Weils da unten noch nie ne Hanf-Prohibition gab, muss der ganze Rauch auch mal abziehen. Satan wollte mit ein paar kreativen Rauchringen nur seine Freude über die „Legalisierung“ kundtun. Also viel Rauch um nichts.

    2.) Jetzt mal ehrlich, dieses sinnlose Geschwafel hat mit Christentum rein gar nix mehr zu tun.
    Das ist heute nur noch zur Schau getragener Pseudo-Humanismus im Pinguinkostüm, mit nem individuellen Wunsch-Jesus als putziges Label dran.
    Beliebig ersetzbar durch fast alles…
    Die letzten Zuckungen des einst so mächtigen Glaunbens-Biestes.
    Möge es auf ewig im Museum verschwinden…
    Tschau, machs gut, wir weinen dir keine Träne nach!

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  2. Es gibt ja in der Tat hin und wieder kommerzielle Werbung, bei der man am Ende gar nicht weiss, wofür da überhaupt geworben wurde. So habe ich es jedenfalls des öfteren empfunden und erfahren.
    Und dieses Empfinden konnte man bei diesem WzS durchaus auch haben.

    Der kümmerliche, ans Ende des Sermons angeklebte Vulkankringel als „Segenszeichen“ wirkt da – mit Verlaub – schlicht nur noch bemüht.

    So wird das nichts mehr mit der Evangelisierung, Herr Höner.

    Im Übrigen: Als ich noch Raucher war, konnte ich Kringel aus Zigarettenrauch formen.
    Das hat immer Eindruck gemacht. Hätte ich damals diese Assoziationen wie Herr Höner gehabt, wer weiss, vielleicht hätte ich da was draus machen können. 😉

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  3. Lieber Herr Höner,

    Ob Sie sentimental oder vielleicht sogar verrückt sind, weil Sie diese Rauchzeichen über dem Ätna für beruhigend und als göttliches Segenszeichen halten – diese Frage würden die Anwohner des Vulkans eindeutig beantworten.

    Es ist mittlerweile schon Real-Satire, mit welchem seichten und esoterischen Geschwätz Sie hier Ihre sterbende Religion verkaufen wollen.
    Entweder bin ich sentimental oder vielleicht verrückt, aber ich halte dieses Wort zum Sonntag für einen weiteren Meilenstein im Abgesang auf eine Religion.

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