Hooligans – was stoppt die Gewalt?

Lesezeit: ~ 4 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Hooligans – was stoppt die Gewalt?, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 17.6.16 von ARD/daserste.de

Ein altes Problem ist wieder da: Prügelnde Hooligans. […] *

Stimmt – Individuen, die sich nicht an die allgemein anerkannten und vereinbarten Spielregeln halten, gibt es vermutlich schon länger, als es Menschen gibt.

Mit einem prominenten „Hooligan“ hat Herr Christian Rommert (ev.) ja beruflich oft zu tun: Der jüdische Wanderprediger Jesus von Nazaret, Anführer einer Endzeitsekte, nebenberuflicher Exorzist und posthum gar zum „Gottessohn“ stilisiert, randalierte so massiv in der Öffentlichkeit, dass er verhaftet, verurteilt und anschließend grausam zu Tode gefoltert wurde.

Ein Friedensstifter? Einer, von denen Jesus in der Bibel einmal sagt „Glücklich – sind die Frieden stiften“? Ein Zeichen der Liebe und der Versöhnung?

Nein, das hat Jesus in der Bibel so nicht gesagt. Nicht glücklich, sondern selig sollen die Friedensstifter sein und das auch nur zu einem ganz bestimmten Zweck:

  • Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
    (Quelle: Mt 5,9 EU)

Diese Differenzierung ist keine Wortklauberei. Sie zeigt vielmehr, wie einfach, aber auch nur bei genauem Hinsehen überhaupt bemerkbar Bibeltexte nach den eigenen Vorstellungen durch Selektieren, Verkürzen, Umformulieren und beliebiges Umdeuten für jeden Zweck passend gemacht werden können.

Und so geht es in diesem Beispiel schon mal eben nicht darum, dass Menschen Frieden stiften sollen, um glücklich zu sein, sondern um selig zu werden. Nicht, weil Frieden für das Zusammenleben von Menschen allgemein (auch über religiöse und sonstige Abgrenzungen hinweg) sinnvoll und erstrebenswert ist, sondern um „Sohn Gottes“ genannt werden zu können, ruft Jesus in der „Bergpredigt“ dazu auf, Frieden zu stiften.

Dazu kommt, dass sich die Aufforderungen in der Bergpredigt lediglich an die abgegrenzte Gruppe derer richten, die an denselben Wüstengott glauben wie Jesus selbst. Jesus sah seine Aufgabe darin, seine Anhänger auf die seiner irrtümlichen Meinung nach kurz bevorstehende Ankunft seines Gottes vorzubereiten.

Wer das Neue Testament im Allgemeinen und die Bergpredigt im Besonderen heute noch für moralisch irgendwie außerordentlich bedeutsam hält, der hat beides vermutlich noch nie gelesen, jedenfalls nicht ohne Verzicht auf eine religiöse Immunisierung. Wird der Gott des Alten Testaments noch als eifer-, kriegs-, rachsüchtiges, blutberauschtes, gnadenloses und unvorstellbar brutales und Menschenverachtendes Monster dargestellt, so bessert sich dieses Gottesbild im Neuen Testament und auch durch Jesus nur scheinbar.

Die aus heutiger Sicht moralisch möglicherweise akzeptablen Aussagen der biblischen Phantasiegestalt Jesus (von denen keine tatsächlich zweifelsfrei irgendeiner historischen Person zugeordnet werden kann) werden heute gerne so zitiert, als habe es sich dabei um allgemeingültige Anweisungen für alle Menschen gehandelt – und zu allem Überfluss auch noch für Menschen, die in ihrer sozio-kulturellen, technischen und sonstigen Entwicklung schon 2000 Jahre weiter sind als das primitive Wüstenvolk von damals.

Berücksichtigt man die biblische Gesamtaussage, fällt unschwer auf, dass dies nicht der Fall ist – die Nächsten sollen geliebt werden, schon Un- und Andersgläubige natürlich nicht. Innerhalb der eigenen Glaubensgruppe sollen Frieden gestiftet und Feinde geliebt werden, und das auch nur, um seine eigenen Chancen auf jenseitige Belohnung zu erhöhen und die Gefahr für eine ebenso jenseitige (und genauso erfundene) Bestrafung zu verringern.

Wer als halbwegs aufgeklärter Mensch im 21. Jahrhundert tatsächlich immernoch die Illusion einer jenseitigen Belohnung und die genauso illusorische Angst vor jenseitiger Bestrafung braucht um wissen zu können, wie er sich verhalten sollte, ist wirklich zu bedauern.

[…] Obwohl uns unzählige Kriege gelehrt haben, dass wir mit Gewalt auch nicht weiterkommen, behaupten wir schnell, dass das, was Jesus hier vorschlägt, leider nicht lebbar ist. Aber warum eigentlich nicht? Gewalt entsteht durch Menschen, die Gewalt ausüben. Und Frieden? Frieden entsteht durch Menschen, die Frieden stiften.

Unzählige Kriege haben uns gelehrt, dass Religionen Menschen eine Begründung und Rechtfertigung für das Anzetteln eben dieser Kriege geliefert haben und immernoch liefern. Jesus‘ Vorschläge sind deshalb nicht lebbar, weil sie nicht der Weltbevölkerung im 21. Jahrundert, sondern einem einfachen, vormittelalterlichen Wüstenvolk galten und weil sie sich nicht an der Würde und Freiheit des Individuums, sondern an einem erfundenen, übergeordneten, beliebig definierbaren Gotteswesen orientierten.

Was könnten die ja sicher klugen Theologenköpfe nicht alles wirklich Sinnvolles für die Menschheit leisten, würden sie ihre Zeit nicht mit der Deutung archaischer Mythen und Märchen verplempern, sondern nach realen Lösungen für reale Probleme suchen.

Wie wäre es, wenn auch wir das ewige Spiel -„haust Du mich, haue ich Dich“ – durchbrechen.

Wer im Glashaus sitzt… Gerade dieses „Spiel“ lässt sich bei Bedarf biblisch problemlos rechtfertigen:

  • Ist weiterer Schaden entstanden, dann musst du geben: Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme. (Quelle: 2. Mose 21, 23 EU)

Religiöse Moralismen aus der Bronzezeit taugen nicht als Grundlage für eine moderne, humane Ethik. Wers nicht glaubt, kann sich gerne durch eigenes Bibelstudium davon überzeugen, zum Beispiel im Kontext des hier genannten Abschnittes.

Das Phänomen „Hooligans“ und natürlich auch andere Bereiche mit Konfliktpotential sind etwas komplexer als hier dargestellt.

Statt Wut: Versöhnung. Statt Hass: Liebe. Statt Gewalt: Frieden stiften. Je mehr von uns mitmachen, desto besser. Klingt das zu schön, um wahr zu sein? Die Menschen, die das versuchen, können sich glücklich schätzen. Sie bewahren etwas Göttliches in sich.

Und zum Schluss der auch diesmal wieder staatlich subventionierten und sonderprivilegierten Verkündigungsshow im öffentlich-rechtlichen (!) Fernsehen nutzt Herr Christian Rommert (ev.) noch die Gelegenheit für eine deftige Beleidigung. Da wird faires, mitmenschliches und ethisch korrektes Verhalten schnell nochmal als Indiz für „etwas Göttliches“ bezeichnet.

Einmal mehr scheint genau derselbe perfide und trennende Dualismus durch, dem wir weiter oben schon begnet waren: Versöhnung, Liebe, Frieden: Eigenschaften von Menschen, die etwas Göttliches in sich haben? Und wer nichts Göttliches in sich hat? Oder etwas eines anderen als des jüdisch-abrahamitisch-christlichen Provinzgottes?

Was ausgerechnet die Menschen, die sich wähnten, etwas Göttliches in sich zu bewahren, an unvorstellbarem Leid und Elend über die Welt gebracht haben, zeigt ein Blick in die beispiellose Kriminalgeschichte des Christentums.

Wer aber stoppt nun die Gewalt? Das ist heute nicht mehr die Frage des imaginären Freundes, an den  jemand „glaubt“ oder auch nicht, sondern gesetzlich geregelt. Wie man sich verhalten sollte um kein Arschloch zu sein, ist zum Glück den allermeisten Menschen bekannt – egal, ob mit gefühlter „Göttlichkeit“ oder ohne.

So zu tun, als sei faires, humanes Verhalten ein Zeichen für Göttlichkeit, verleugnet nicht nur die Elendsgeschichte der eigenen Religion, es beleidigt auch die Errungenschaften von Aufklärung, Humanismus und Säkularisierung.

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