Kommentar zu NACHGEDACHT (10): Spekulationen zum neuen Papst in Rom, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 10.03.13 von Osthessennews
[…] Einen wachen Blick soll er [der Papst] haben, einen scharfen Verstand und am besten starke Nerven, denn einfach wird es nicht, die Kirche in die Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu überführen.*
Leider verrät die Autorin nicht, was ihrer Meinung nach die „Anforderungen des 21. Jahrhunderts“ in Bezug auf Kirchen sind. Diese Überlegungen hätte ich interessanter gefunden als Spekulationen über die päpstliche Personalfrage, die ja sowieso irgendwie durch undurchsichtige Wahlvorgänge beantwortet werden wird.
Was sind die Herausforderungen an die Kirche im 21. Jahrhundert? Auf den Punkt gebracht: Sie sollte sich abschaffen,
- weil nichts für mehr Leid und Elend auf der Welt gesorgt hat als Kirchen und weil es
- heute weder einen Grund, noch eine Notwendigkeit mehr gibt, an einen Gott, für den es zudem keinen einzigen seriösen Beweis gibt, zu glauben.
Es lohnt sich allerdings, auch einen differenzierteren Blick auf dieses Thema zu werfen.
Tatsächlich zeigt ein Blick in die Zukunft, dass der Dalai Lama 2015 ein Buch mit dem Titel „Ethik ist wichtiger als Religion“** veröffentlichen wird. Er wird erkannt haben, dass Religionen nicht geeignet sind, eine Ethik vorzugeben, die für die globalisierte Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert geeignet ist. Auch der Papst Franziskus wird Anfang 2016 ähnlich „revolutionäre“ Gedanken äußern und zu einem grundlegenden Wandel aufrufen, was ihm harsche Kritik religiöser Fundamentalisten einbringen wird.
In welchen Schritten könnte dieser Rückzug am Beispiel der christlichen Kirchen in Deutschland ablaufen? Hier kommen fünf Vorschläge von mir:
- Der erste, wichtigste Schritt sollte die wirkliche und konsquente Trennung von Staat und Kirche sein. Es ist ein unerträgliches Skandal, dass die Kirchen noch immer mit ständig steigenden Milliardensummen vom Staat, also von der gesamten Bevölkerung, ungefragt künstlich am Leben erhalten wird. Auch die mit nichts zu rechtfertigende Sonderprivilegierung der Kirche in vielen Bereichen kann nicht anders als skandalös bezeichnet werden. Die Religion erhält dadurch einen Status, der ihr in keinster Weise zusteht.
- In diesem Zusammenhang wäre eine komplette Reform der Institution Kirche erforderlich. Allein die Entflechtung der kirchlichen finanziellen Ungeheuerlichkeiten wäre eine kaum zu bewältigende Herausforderung (besonders dann, wenn man eigentlich gar kein Interesse daran hat, dies zu tun…).
- Genauso wichtig ist das sofortige Verbot der religiösen Indoktrination von Kindern. Diese Praxis dürfte nach wie vor die effektivste Methode sein, antiquierte Mythen und längst überholte Wertvorstellungen über Generationen hinweg weiterzugeben. Religionsunterricht stellt einen Verstoß gegen §4 Abs.1 des deutschen Grundgesetzes dar: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Das sollte dazu führen, dass religiöser Glauben wieder das wird, was er gerne sein kann: Eine Privatangelegenheit für Erwachsene, die sich ihre Wirklichkeit gerne auf der Basis von vormittelalterlichen Mythen konstruieren möchten.
- Die Kirche sollte endlich aufhören, Menschen vorzugaukeln, dass es einen Gott gibt. Unser heutiger Wissensstand macht die Annahme oder gar die Behauptung von überirdischen Göttern und deren Einfluss nicht nur überflüssig, er hat dazu geführt, dass es heute unredlich ist, die Existenz eines Gottes als Tatsache zu behaupten. Eine ausdrückliche, unmissverständliche Erklärung, dass der christliche Glaube bis zum Beweis des Gegenteils jeglicher seriösen Grundlage entbehrt, ist längst überfällig. Religionen würden enorm an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie aufhören würden, Dinge zu behaupten, an die man glauben muss, weil man sie nicht wissen kann. Alternativ könnte sie diese Dinge auch beweisen, dann wüsste man sie und bräuchte sie nicht mehr zu glauben.
- Theologen sollten aufhören, unbeweisbare, unlogische und irrelevante religiöse Fiktionen zum hunderttausendsten Mal neu zu interpretieren und sich stattdessen mit der Lösung von Problemen mit Mitteln der realen Wirklichkeit befassen. Auch für das sonstige Kirchenpersonal gibt es sicher viele Einsatzmöglichkeiten – nur eben nicht mehr im Namen des Herrn, sondern im Namen der Menschen.
*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.
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