Kommentar zu NACHGEDACHT (53) Keine Lust auf Neujahrsvorsätze?

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Kommentar zu NACHGEDACHT (53) Keine Lust auf Neujahrsvorsätze?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 05.01.14 von Osthessennews

[…] Und in dieses Album hatte mein damaliger Religionslehrer – der beste und gütigste Lehrer meiner gesamten Schullaufzeit – folgenden Satz unter „Was ich dir noch sagen möchte“ aufgeschrieben: „Sei selbst ein kleiner Sonnenschein, dann wird alles um Dich fröhlich sein!“

Gerade aus dem Mund bzw. der Feder eines Religionslehrers, der sein Geld ja damit verdient, schutz- und wehrlose Kinder mit religiösen Wahngedanken zu indoktrinieren, klingt ein solcher Poesiespruch alles andere als harmlos oder niedlich.

Dieser Satz beinhaltet nämlich auch die Aussage: „Egal wie es dir wirklich geht, komme nur nicht auf die Idee, deine Umwelt mit schlechter Laune zu nerven. Liebe bekommen nur Kinder, die immer gut gelaunt sind.“ Dies entspricht dem antiquierten Erziehungsgrundsatz: „Children should be seen, not heared.“

Genauso wie gute Laune gehören auch negative Gefühle, Angst, Wut, Zorn, Trotz und Trauer zum natürlichen menschlichen Gefühls- und Empfindungsrepertoire. Diese der Umwelt zuliebe zu ignorieren, kann fatale Folgen haben.

Es ist nicht verwunderlich, dass ein solcher Satz ausgerechnet von einem Religionslehrer stammt. Auch Religionen leben davon, dass sich ihre An- bzw. Abhängigen möglichst konform und unauffällig verhalten. Da ist kein Platz für persönliche Befindlichkeiten, kleine Sonnenscheinchen erfreuen des Priesters Herz und keine aufmüpfigen Kinder, am Ende noch mit eigener Meinung oder gesunder Skepsis…

Eine weitere, äußerst fatale, aber durchaus naheliegende Folgerung aus diesem Spruch könnte auch sein: „Wenn alles um mich mal nicht fröhlich ist, dann liegt das daran, weil ich kein kleiner Sonnenschein war.“ Man kann sich gut vorstellen, welche unsäglichen, völlig unnötigen Schuldgefühle ein solch nur vordergründig harmloser Spruch bei Kindern auslösen kann – bewusst oder unbewusst. Auch das Einreden von diffusen Schuldgefühlen, direkt oder subtil, ist Teil der religiösen Indoktrination.

Wer Freundlichkeit oder gute Laune seiner Umwelt zuliebe nur vorspielt, täuscht damit nicht nur die Mitmenschen, sondern auch sich selbst. Das erkennt man leicht an der Erwachsenen-Version dieses Spruches: „Wer b***en will, muss freundlich sein.“

Wünschenswert ist eine echte, positive, ausgeglichene Grundstimmung statt einer geheuchelten Sonnenschein-Gute-Laune. Echte gute Laune, die nicht nur die Erwartungen der Umwelt erfüllt, sondern tatsächlich ansteckt, kann entstehen, wenn jemand mit sich im Reinen ist und nicht nur das Sonnenscheinchen spielt, weil das ein Pfarrer mal ins Poesiealbum geschrieben hatte.

Ehrlicher, anständiger und vor allem hilfreicher wäre es, einem Kind etwas zu wünschen, das der tatsächlichen, realen, natürlichen Wirklichkeit gerecht wird, statt ihm gute Laune als Voraussetzung für Akzeptanz und Liebe vorschreiben zu wollen.

Man könnte ihm zum Beispiel zu wünschen, dass es immer neugierig bleiben möge. Oder dass es immer darauf achten möge, wie es ihm wirklich geht. Dass es immer von seinen Eltern geliebt wird, also auch dann, wenn es ihm mal nicht gut geht. Dass es im ganzen Universum einmalig und etwas ganz Besonderes ist. Dass es mit Lebewesen bis zurück zu den allerersten Zellen verwandt ist. Dass man nichts glauben muss, aber viel wissen wollen sollte.

– Es gibt so viel mehr sinnvollere Wünsche, als ausgerechnet den, den der Pfarrer hinterlassen hatte und dessen wirkliche Brisanz selbst von heute Erwachsenen noch nicht unbedingt erkannt wird. Natürlich ist gute Laune ansteckend und „wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück“ – aber das war mit dem Poesiespruch sicher nicht gemeint.

In einem späteren Artikel werden Sie dazu auffordern, authentisch zu sein – eine gespielte gute Laune ist vielleicht opportunistisch, aber nicht authentisch.

*Unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ fordert Osthessennews jede Woche zum Nachdenken auf. Die Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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