Das Rauchritual: Kann Rauchen gesund sein?

Lesezeit: ~ 3 Min.

Die Frage, ob Rauchen gesund sein kann, hat mit Religion ja erstmal nicht unbedingt etwas zu tun (wobei Rauch in Kirchen ja auch eine Rolle spielt). Das Thema „Rauchen“ ist Gegenstand eines Podcasts von Urs von Wulfen, den die „Kirche im WDR“ (wieso gibts im WDR eigentlich eine Kirche?) veröffentlicht hat.

Die Aussage des Beitrages, dessen Überschrift in „Das Rauchritual“ geändert wurde, ist sinngemäß kurz zusammgenfasst: Wenn jemand raucht, ohne dabei irgendetwas anderes zu machen, dann sei das Rauchen sogar „auf eine Weise etwas wirklich gesundes.“

Nehmen wir folgende Voraussetzungen an:

  1. Rauchen ist ungesund (sollte allgemein anerkannt sein)
  2. Bewusstes „Nichtstun“ ist möglicherweise gesundheitsfördernd, zumindest tut es gut und schadet nicht (kann man ja mal annehmen)

Daraus folgt: Wenn jemand raucht, ist das ungesund für ihn. Wenn jemand nichts tut, ist das gesund für ihn.

Wenn jemand raucht und dabei nichts weiter tut (etwas tut er ja, er raucht), dann ist das Rauchen ungesund und gleichzeitig das Nichtstun gesund.

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass (gesundheitsschädliches) Rauchen natürlich nicht dadurch gesünder wird, wenn man es mit einem (gesundheitsfördernden) Nichtstun verbindet. Rauchen wird also in Wirklichkeit, anders als im Beitrag behauptet, auf keine Weise etwas wirklich Gesundes, außer auf die Weise, dass man nicht raucht.

Wenn ich mir mit dem Hammer auf den Daumen klopfe, dann tut das in der Sauna auch nicht weniger weh als in der Garage.

Gleiches gilt für den Umkehrschluss: Man muss zum Glück natürlich nicht unbedingt rauchen, um mal ein paar Minuten komplett abzuschalten.

Und schließlich ist ja auch gar nicht sicher, ob die im Beitrag beschriebene Frau wirklich so bewusst das Nichtstun wahrnimmt, wie der Autor das vermutet. Vielleicht kommt sie jeden Morgen aus der Nachtschicht und ist so geschafft, dass sie einfach keine Lust mehr hat, noch irgendetwas anderes zu machen, während sie ihren Nikotinspiegel wieder auf ihr gewohntes Soll bringt, wer weiß?

Nachdem ich dem Autor diese Überlegungen mitgeteilt hatte, entgegnete er, dass es ja trotzdem besser sei, dass man, wenn man denn überhaupt rauchen müsse, wenigstens dabei nichts anderes machen und die Zeit zum Abschalten nutzen würde.

Auch diese Überlegung halte ich für einen gefährlichen Fehlschluss. Indem der Raucher die Zigarettenpause mit etwas Positivem (dem kurzen Abschalten vom Alltag) verbindet, wertet er die an sich schädliche Handlung des Rauchens auf. Er schreibt den positiven Effekt der kurzen Pause der Zigarette zu, obwohl er die Pause ja genauso ohne Zigarette genießen könnte. Damit suggeriert sich der Raucher selbst, dass die Zigarette einen Wert für ihn habe, die sie in Wirklichkeit gar nicht hat, im Gegenteil.

Je besser das klappt, umso besser hat die Zigarettenwerbung funktioniert, die ja genau darauf abzielt, das schädliche Rauchen durch irgendwelche positiven Empfindungen aufzuwerten und die ihren Kunden suggeriert, dass die Zigarette Voraussetzung für diese Empfindungen (z.B. von Freiheit, Unabhängigkeit, Geselligkeit…) sei.

Unweigerlich fallen die Parallelen zur Religion auf: Auch hier begegnen wir ständig solchen Tricks, die an sich leicht zu durchschauen wären, wenn man sie denn durschauen wollen würde. Da werden verschiedene Wirkungen beliebig angeblichen Ursachen zugeordnet, deren Zusammenhang nur erfunden und behauptet, aber nicht nachweisbar und noch nicht mal im Entferntesten wahrscheinlich ist.

Erleben zum Beispiel gläubige Menschen das angenehme Gefühl der Gemeinschaft, dann behaupten sie gerne, dass „Gott mitten unter ihnen“ und damit die Ursache für dieses Gefühl gewesen sei. In Wirklichkeit sind Menschen natürlich zum Glück völlig ohne angebliche Einflüsse von fiktiven, überirdischen Göttern zu Empathie und angenehmen Gruppenerlebnissen fähig. Die Zuordnung zu einem Gott ist völlig beliebig, weil Gott bis zum Beweis des Gegenteils eine von Menschen erdachte Größe ist.

Genauso könnte man ein positives Gruppenerlebnis auch dem Fliegenden Spaghettimonster (in dessen Namen und Auftrag, anders als beim Christengott, noch kein einziger Mensch jemals getötet oder schlecht behandelt wurde!) zuschreiben.

Fazit 1: Rauchen wird nicht dadurch gesünder, wenn man die Rauchpause zur Kontemplation nutzt.

Fazit 2: Die Idee, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, ist sicher sinnvoller als seine Zeit zum Beispiel mit nutzlosen Gebeten zu einem erfundenen Gott zu verbringen.

Dieser Kommentar bezieht sich auf den Podcast-Beitrag „Das Rauchritual“, verfasst von Urs von Wulfen, veröffentlicht am 26.1.2016 von WDR2.

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