Kommentar zu „Wort des Bischofs“ – Wunden heilen …. Von Bischof Heinz Josef Algermissen

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Kommentar zu „Wort des Bischofs“ – Wunden heilen …. Von Bischof Heinz Josef Algermissen, Original-Artikel veröffentlicht am 7.1.16 von osthessennews.de, Verfasser nicht genannt

[…] Die vornehmste Medizin zur Heilung der Lebenswunden ist sicher der Empfang des Sakramentes der Versöhnung. „Alles überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,32).*

Versöhnung ist kein Sakrament, sondern eine Leistung, zu der Menschen dank der Evolution und aufgrund ihrer sozio-kulturellen Entwicklung in der Lage sind. Da Götter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existieren und weil es bei der riesigen Anzahl von Göttern, die sich die Menschen schon ausgedacht haben absolut unwahrscheinlich ist, tatsächlich auch den „richtigen“ Gott anzubeten, ist es völlig illusorisch, dass ein solcher Gott gebeichtete Sünden „vergeben“ (das ist mit „Sakrament der Versöhnung“ gemeint) könne.

Sowas kann man natürlich behaupten, aber dadurch wird es kein bisschen realistischer oder wirklicher, es ist und bleibt ein rein menschliches Wunschdenken, dass Gott irgendwelche „Sünden“ vergeben würde. Wer so etwas ernsthaft behauptet, hält sich nicht an die allgemein anerkannte und allgemeingültige Wirklichkeit.

Sich Illusionen hinzugeben und an Fiktionen zu glauben, ist Teil der persönlichen Freiheit. Bedenklich wird es, wenn sich jemand für die Heilung seiner Wunden tatsächlich auf ein „Sakrament“ verlässt oder auch nur auf die Wirksamkeit einer solchen Fiktion hofft. Wer das tut, wurde getäuscht und befindet sich auf dem Holzweg. Gerade bei wirklich gravierenden Wunden (ob physisch oder psychisch) ist die Ent-Täuschung umso bitterer, wenn sich das frei erfundene Heilsversprechen in Luft auflöst.

An diesem Umstand ändert sich auch nichts, wenn er durch einen willkürlich aus der Bibel herausgepickten Vers (der zudem falsch referenziert ist, der Vers ist nicht Röm 8,32 sondern Röm 8,37) untermauert wird.

Wer ein „Sakrament“ mit „Medizin“ gleichsetzt, es sogar als „vornehmste Medizin“ bezeichnet, beleidigt damit geradezu die tatsächlich wirksame Medizin. Konsequenterweise sollte jemand mit einer solchen Weltsicht auch auf die reale Medizin verzichten und sich auf seine Sakramente verlassen, um seine Wunden zu heilen. Und darauf hinweisen, dass es sich dabei um menschliche Phantasie handelt, wenn man sowas anderen Menschen erzählt.

[…] Heilmittel für die eigenen Wunden ist sicher auch die Heilige Schrift. Sie ist nach der Regel des hl. Benedikt nicht nur die große Richtschnur und Hilfe für die Seelsorge, sondern auch Heilung für die eigenen Lebenswunden.*

Wer ausgerechnet die „Heilige Schrift“ ernsthaft als „große Richtschnur“ oder zur „Heilung für die eigenen Lebenswunden“ empfiehlt, beweist damit nicht nur Verantwortungslosigkeit und einen eklatanten Realitätsverlust, er demonstriert damit auch, dass er offenbar noch nicht mitbekommen hat, dass diese Texte für Menschen im 21. Jahrhundert nicht mehr sein können als das, was sie wirklich sind: Archaische, widersprüchliche, oft übersetzte und immer wieder beliebig veränderte Märchen und Mythen aus meist unklaren und unbekannten Quellen, mehr oder weniger kreativ verfasst in vormittelalterlicher Zeit bis zurück zur Bronzezeit, viele Jahrhunderte vor Erfindung der Menschenrechte und von Grundgesetzen und mit höchstens sporadischem Bezug zur belegbaren Geschichte.

Zudem ist die „Heilige Schrift“ so unspezifisch, dass man damit problemlos praktisch jedes Wertebild – von der Nächstenliebe bis zum Genozid – rechtfertigen kann. Die Bibel ist somit zurecht das am meisten überschätzte Buch der Welt.

Wer also wirklich unter „Lebenswunden“ leidet, der sollte Hilfe in der wirklichen Welt, statt in einer vormittelalterlichen Geschichtensammlung suchen.

[…] Wenn die Brüder beten und versprechen: ‚Vergib uns, wie auch wir vergeben‘, sind sie durch dieses Wort gebunden und reinigen sich von ihren Fehlern.“*

Das Versprechen, durch das Aufsagen eines Gebets von Fehlern gereinigt werden zu können, ist nicht nur sehr arrogant, es ist natürlich auch ein leeres Versprechen. Menschen, egal ob gläubig oder nicht, reinigen sich nicht von ihren „Fehlern,“ indem sie einen erfundenen Gott um Vergebung bitten. Wer sich das wünscht, muss gleichzeitig in Kauf nehmen, dass dieser Wunsch (wie jedes andere Gebet auch) keinerlei reale Folge hat, die dem Wirken eines übernatürlichen Wesens zugeschrieben werden könnte.

Um überhaupt auf eine wie auch immer geartete „Vergebung“ durch einen bestimmten Gott hoffen zu können, müsste man zudem erstmal wissen, was aus Sicht dieses Gottes „falsch“ und „richtig“ ist. Da sich noch kein Gott jemals dazu (oder auch sonst) seriös nachweisbar geäußert hat, ist es reine Spekulation, dass der angebetete Gott zum Beispiel nicht (mehr) auf Tier- oder Menschenopfer steht und solche möglicherweise heute genauso bewerten würde wie wir.

Deshalb ist es wesentlich sinnvoller, die nur scheinbar hoffnungsvolle Illusion eines Götterglaubens aufzugeben und sich mit der nüchternen Wirklichkeit zu befassen. In Wirklichkeit ist nämlich die Wirklichkeit hoffnungsvoll (weil real), während jede Illusion zwangsläufig enttäuschend sein muss, sobald man sich ihrer Irrationalität und Unwirklichkeit bewusst geworden ist.

Wer Menschen etwas anderes erzählt, führt sie damit in die Irre und macht sich somit mitverantwortlich, wenn jemand vergeblich auf göttliche Hilfe hofft, der eigentlich professionelle Hilfe bräuchte. Das Versprechen, ein angeblicher Gott würde seinen Anhängern „Schuld“ vergeben, suggeriert den Getäuschten außerdem, sie seien etwas Besonderes, was eine gefährliche Selbstüberschätzung und Verantwortungslosigkeit zur Folge haben kann.

*Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel, veröffentlicht am 7.1.2016 von osthessennews.de, Verfasser nicht genannt.

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