In einer Facebook-Unterhaltung mit einem religiösen Bekannten ging es um die Frage, ob man einfach behaupten könne, dass es einen Gott gäbe, der irgendetwas mache, zum Beispiel: „Gott macht Menschen sehend und Herzen weit“ statt „ich stelle mir vor, dass Gott… irgendwas macht.“
Nachdem der Gesprächspartner auf meine Nachfrage hin eingeräumt hatte, dass er nicht wisse, ob es Gott gäbe, aber dass er trotzdem daran glaube und dass er dafür auch keinen Beweis erbringen müsse (Begründung: Man kann nicht etwas beweisen müssen, was man nicht beweisen kann), fragte ich, worauf er denn diesen Glauben stützen würde. Antwort: „Auf meine Empfindungen während des Betens.“
Natürlich ist es jedem Menschen selbst überlassen, wie er mit seinen persönlichen Empfindungen umgeht, welche Schlüsse er daraus für sich zieht und woran er deswegen glaubt oder nicht glaubt. Kritisch wird es erst, wenn die Schlüsse öffentlich als allgemein gültige Tatsachen behauptet werden, ohne dass deutlich darauf hingewiesen wird, dass diese Aussagen lediglich auf persönlichen Empfindungen beruhen.
Der Hinweis, dass die Veröffentlichung, um die es in diesem Gespräch ging, etwas mit dem Thema Glauben zu tun haben könnte, bringt diesen wichtigen Punkt meiner Meinung nach nicht deutlich genug zum Ausdruck, zumal ja nicht alle Leser davon ausgehen werden, dass mit „Glauben“ in diesem Fall „persönliche Empfindungen“ gemeint sind.
Nachdem ich aufgrund der oben geschilderten Ausgangssituation der Existenz von Göttern nicht zustimmen konnte, war die Geduld meines Gesprächspartners offenbar am Ende: Er warf mir vor, dass ich meine Haltung, dass Gott Phantasie sei, keinen Moment verlassen würde und dass ich wohl alle für dumm halten würde, die mir und meiner Sichtweise nicht nachfolgen würden.
Mit der ersten Vermutung hat er natürlich Recht: Ich habe nun mal eben keinen einzigen Anhaltspunkt dafür, dass Gott bis zum Beweis des Gegenteils mehr als Phantasie ist, dafür aber jede Menge schlüssige Beweise, die die Annahme von überirdischen Wesen überflüssig machen.
Da bin ich dann wohl genauso stur wie jemand, der auf die reale Existenz seines Gottes besteht und mir „unsauberes Diskutieren“ vorwirft, wenn ich nicht bereit bin, unbewiesene, weil unbeweisbare Faktoren als real anzuerkennen. Wobei sich meine Sturheit nicht auf dogmatisch behauptete, angeblich unumstößliche Wahrheiten, sondern auf eine kritische, offene und jederzeit durch neue, seriöse Belege weiterentwickelbare Wahrheit bezieht. Ganz sicher würden alle Atheisten sofort die Existenz des Gottes bestätigen, für die es einen einzigen, seriösen Beleg gibt. Bis dahin bleibt jeder Gott ein rein menschliches Phantasieprodukt.
Ich empfehle eine kritische Sichtweise nicht deshalb, weil ich möchte, dass mir jemand nachfolgt (ich bin kein Sektenführer und habe, anders als mein Gesprächspartner, keinen materiellen Nutzen von der Vertretung meines Standpunktes), sondern weil mich bis jetzt noch kein Argument davon überzeugen konnte, dass eine rationale, aufgeklärte, kritische und kritikoffene Sichtweise nicht der sinnvollste Weg ist, sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Genauso hat mir bis heute noch niemand eine befriedigende Antwort auf die Frage geben können, warum ich an Gott glauben sollte.
Kritisch wird es allerdings mit dem zweiten Teil seiner Vermutung: Selbstverständlich bezeichne ich niemanden als dumm, zumal diese Bezeichnung in unserem Sprachgebrauch eine negative Konnotation hat. Ohne diesen beleidigenden Aspekt könnte man mit „dumm“ allerdings tatsächlich sogar recht genau bezeichnen, was man besonders im Zusammenhang mit religiösen Aussagen immer wieder antrifft:
Sachlich gesehen bedeutet dumm: Im Unterschied zu anderen Bezeichnungen, die auf Mangel an Intelligenz hinweisen, bezeichnet Dummheit (alltagssprachlich) aber auch die Einstellung, nicht nur etwas nicht wahrnehmen zu können, sondern auch es nicht wahrnehmen zu wollen. (Quelle: Wikipedia, Hervorhebung von mir)
Und dieses Nicht-wahrnehmen-Wollen findet sich tatsächlich oft bei religiös indoktrinierten Menschen – aber eben nicht wegen mangelnder Intelligenz oder bösen Absichten, sondern als Folge eben dieser Indoktrination mit einem Wertebild, in dem ein möglichst unkritisches Verhalten als höchste Tugend gilt. Das führt dann zu einer Antwort wie „Na klar. Was denn sonst.“ auf die Frage, ob menschliche religiöse Empfindungen tatsächlich von einem überirdischen Wesen verursacht würden. (Anmerkung: Die Hirnforschung hat längst nachgewiesen, dass unser Gehirn die wundervollsten religiösen Gefühle selbst erzeugen kann. Solche Empfindungen hat man zum Beispiel im Zusammenhang mit Schläfenlappenepilepsien festgestellt.)
Es gibt Sichtweisen oder Behauptungen, die man als irreführend bezeichnen kann, weil sie, objektiv betrachtet, eben nun mal irreführend sind. Besonders immer dann, wenn verlangt wird, unbewiesene Behauptungen als absolute Wahrheit zu akzeptieren, ist Vorsicht geboten. Das heißt aber natürlich nicht, dass man nicht auch einen Standpunkt auf einem beliebigen Holzweg vertreten darf und auch eisern an unbeweisbaren Dogmen festhalten kann, wenn man möchte.
Wer meine Texte liest wird immer wieder den Hinweis finden, dass ich selbstverständlich jedem Menschen seine ganz persönliche, individuelle Gestaltung seiner Wirklichkeit zugestehe, ohne deshalb jemanden persönlich in irgendeiner Form zu bewerten. Trotzdem kann man darüber diskutieren, inwieweit eine konstruierte Wirklichkeit (was jede menschliche Wirklichkeit ist) mit der realen, tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmt.
Genaugenommen ist es fast immer einer dieser drei Fälle, zu denen ich mich öffentlich äußere:
- Wenn Kindern religiöse Gedanken als „Wahrheit“ vermittelt werden.
- Wenn in öffentlichen Äußerungen religiöse Ideen wie selbstverständlich als wahre Tatsachen behauptet werden.
- Wenn mich jemand nach meiner persönlichen Einstellung fragt.
Und weiter gings mit rhetorischen Fragen: Ob „wir“ (die Gläubigen) nicht ein „Haufen unaufgeklärter Idioten“ für mich seien? Weil meine „ganze Art, über den Glauben zu sprechen“ diesen Eindruck vermittele?
Wenn meine Texte diesen Eindruck vermitteln, dann dürfte das an der oft nicht gerade kleinen Kluft zwischen religiöser (also um unbeweisbare Faktoren erweiterte) und wirklicher, natürlicher Wahrheit (also die, die sich an Naturgesetze hält) liegen. Ich unterstelle auch nicht, dass die meisten (christlichen) Gläubigen hierzulande heute unaufgeklärt sind – schließlich nutzen sie ja genauso jeden Tag die Errungenschaften der Aufklärung und des Fortschritts – zum Beispiel, wenn sie mit ihrem PC ihre Meinung öffentlich über soziale Netzwerke kundtun.
Und wenn es dann in einer Diskussion ans „Eingemachte“ geht, sorgt leider oft das unangenehme Gefühl der „kognitiven Dissonanz„ dafür, dass gläubige Menschen die Schuld für diese Dissonanz dem zuschreiben, der sie damit konfrontiert hat.
Ich toleriere praktisch jede Weltsicht, solange sie gleichberechtigte Interessen Anderer nicht verletzt, selbst wenn ich sie nicht nachvollziehen kann und deshalb kritisch hinterfrage. Und ich respektiere jedes soziale, mitmenschliche, künstlerische, wissenschaftliche oder sonstige Engagement, auch dann, wenn es Menschen „unter falschen Vorzeichen“ (zum Beispiel im vermeintlichen Auftrag oder Namen von Göttern) betreiben. Allerdings werden unbeweisbare Behauptungen auch dadurch kein bisschen wahrscheinlicher oder realer.
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Unfortunately for religion, suppression always fails.
Posted by Atheist Republic on Freitag, 12. Februar 2016
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