Was das Light-Christentum so attraktiv macht

Lesezeit: ~ 3 Min.

Wenn man sich mit Gläubigen auseinandersetzt, dann lassen die sich oft (mehr oder weniger eindeutig) einer von zwei Gruppen zuordnen: Fundamentalisten oder „Light-Christen.“

Christliche Fundamentalisten

Die (beiweitem kleinere) Gruppe sind die Fundamentalisten. Diese Leute nehmen zum Beispiel den Inhalt ihres Glaubensbekenntnisses wörtlich und oft auch die Bibel (entweder komplett oder selektiv). Je kritikloser der Glaube, umso tugendhafter.

Um christlicher Fundamentalist zu sein, muss man ziemlich viel Energie aufwenden. Zum Beispiel muss man einen großen Teil seines gesunden Menschenverstandes dauerhaft ausschalten und ganze Bereiche allgemein anerkannten Wissens komplett ignorieren und leugnen, um irgendwie mit seiner erfundenen Wirklichkeit konsistent zu bleiben.

Besonders wer sich in einem Umfeld bewegt, das nicht vorrangig ebenfalls aus Fundametalisten besteht, dürfte dieser Energieaufwand extrem hoch sein. Dazu kommt, dass von der angebeteten göttlichen Seite logischerweise auch keinerlei reale Unterstützung kommt (von der möglichen Wirkung einer diesbezüglichen Autosuggestion mal abgesehen). So gilt es, zusätzlich auch noch eine permanente Enttäuschung kompensieren zu müssen, solange keine Ent-Täuschung stattfindet.

Als Atheist mit Fundamentalisten zu diskutieren, ist meistens ein Vergnügen von kurzer Dauer. Weil Fundamentalisten auf die Anerkennung ihrer „erweiterten Realität“ bestehen (müssen). Damit entziehen sie sich nicht nur jeglicher sachlichen Diskussion. Sondern auch jedem Anspruch, ernst genommen zu werden.

Fundamentalisten sind meist sogar den Nicht-Fundamentalisten derselben Religion unheimlich.

  • Wenn dir Fundamentalisten deiner Religion nicht geheuer sind, liegt das wahrscheinlich am Fundament deiner Religion…

Wann ist der Christ ein Christ?

Light-Christentum
Light-Christentum

Die weitaus größere Gruppe der „Gläubigen“ hierzulande stellen die Light-Christen. So nennt man Menschen, die sich selbst als Christen bezeichnen, in Wirklichkeit aber meist nichtmal an die grundlegendsten Glaubensinhalte ihrer Religion glauben (sofern sie diese überhaupt kennen).

Diese Christen haben typischerweise mit der Kirche nichts oder nicht mehr viel am Hut. Wenn überhaupt, nehmen sie vielleicht noch gewisse Dienstleistungen wie Hochzeitsfeiern, Gottesdienste oder Beerdigungen in Anspruch, lehnen ber die Institution Kirche aber oft mehr oder weniger konsequent ab.

Das Spektrum der Light-Ausprägung ist unüberschaubar groß: Man trifft auf Agnostiker, Deisten, Pantheisten, Panentheisten… Gerne auch in Kombination mit allem möglichen esoterischem Quatsch. Jesuswahn, Marienverehrung, Schutzengel… Und was sich sonst noch so an imaginären Gestalten in der menschlichen Fantasie tummelt.

Und sie alle bezeichnen sich trotzdem als Christen. Aus Unwissenheit, oder…. ja, warum eigentlich sonst? Warum bezeichnen sich Menschen als Christen, obwohl sie gar keine sind? Warum bringen sie nicht das kleine bisschen Konsequenz auf, das man nur benötigt, um die religiöse Scheinwirklichkeit ganz zu verlassen und als freier Mensch zu leben?

Das wäre doch eigentlich nur nahe liegend. Sollte man meinen. Besonders bei den Leuten, die sich sowieso nichts weiter von ihrem Glauben erwarten.

Light-Christentum spart Energie

Die fast schon frappierend einfache Antwort auf diese Frage kam mir heute quasi schlagartig während einer Facebookunterhaltung: Das Light-Christentum ist das Weltbild mit dem geringsten Engergieverbrauch!

Es entbindet sowohl von der Notwendigkeit, ein irriges fundamentalistisches Weltbild permanent gegen die Wirklichkeit verteidigen zu müssen. Als auch davon, sich als Freidenker selbst mit sich und der realen Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen.

Das eigentliche religiöse Heilsversprechen ist also keineswegs mehr irgendeine dubiose, angebliche Erlösung im Jenseits. Sondern der von diesen Menschen ganz real empfundene Luxus, nicht selbst über komplizierte Dinge denken zu müssen.

Das dürfte der Hauptgrund sein, warum sich selbst heute noch Menschen, die nicht mal mehr an die grundlegendsten Inhalte ihrer Religion glauben, trotzdem Anhänger dieser Religion bleiben wollen. Das Wertvollste, was Religionen Menschen heute geben können, ist die Entbindung von der Verantwortung, (eigenverantwortlich) zu denken.

…Hauptsache light!

Dafür nehmen Light-Christen gerne in Kauf, dass ihre Religion so viele Ungereimtheiten beinhaltet, dass sie nicht mehr auch nur annähernd seriös mit einem halbwegs aufgeklärten Weltbild in Einklang bringen lässt. Da sie ja aber sowieso nicht mehr glauben, müssen sie auch keine Energie darauf verwenden, religiöse Fiktionen mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.

Den einzigen Energieaufwand haben sie dann nur noch, wenn jemand mal die Scheinheiligkeit ihrer heuchlerischen Scheinwelt kritisch hinterfragt. Weshalb sie oft wie trotzige kleine Kinder auf solche Fragen reagieren. Und wenn sie noch so sachlich und respektvoll gestellt wurden.

Die Kirche indes hat mit Alibi-Christen praktisch keine Arbeit. Weil diese von ihr ja gar nichts von dem erwarten, was Kirchen eigentlich ihren An- und Abhängigen versprechen. Deshalb müssen die Kirchen nur aufpassen, dass möglichst keine Skandale bekannt werden und schon besteht eine klassische Win-Win-Situation: Frisierte Mitgliederstatistik gegen Denkbefreiung.

Nachbemerkung 1

Wie schon angedeutet, gibt es natürlich auch viele Abstufungen zwischen den beiden vorgestellten Gruppen. So könnte man zwischen Fundamentalismus und Beliebigkeit noch eine dritte Gruppe ansiedeln, die so genannten Cherry-Picker, oft auch als Buffet-Christen bezeichnet.

Diese Zeitgenossen sind nicht so verbissen und eindimensional-engstirnig wie die Fundamentalisten. Aber sie verlangen aber trotzdem mehr von ihrer Religion als nur die Befreiung von der Selbstdenkverantwortung.

Deshalb picken sie sich aus den religiösen „Wahrheiten“ beliebig die „Kirschen“ bzw. im deutschen Sprachgebrauch eher die „Rosinen“ heraus, die ihnen zusagen.

Weil sich mit den Aussagen der christlichen Religion aber nicht nur Nächstenliebe, sondern auch ein Völkermord rechtfertigen lässt, ist diese aus religiösen Bausteinen selbst konstruierte Wahrheit in Wirklichkeit ebenfalls völlig beliebig. Und erfüllt somit keinen größeren Zweck als den, von dem auch die Light-Christen profitieren. Der Energieaufwand des Cherry-Pickers ist nicht so hoch wie beim Fundamentalisten, aber auch nicht so niedrig wie im klassischen Light-Christentum.

Nachbemerkung 2

Dass der niedrige Energieverbrauch des Light-Glaubens der Hauptgrund für die überproportionale Verbreitung desselben ist, ist eine persönliche Vermutung. Diese Vermutung basiert nicht auf einer evidenzbasierten, wissenschaftlichen Untersuchung.

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