Das Wort zum Wort zum Sonntag: Unbequeme Wahrheiten

Lesezeit: ~ 3 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Unbequeme Wahrheiten, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 10.03.16 von ARD /daserste.de

Die Überschrift des heutigen „Wortes zum Sonntag“ machte mich erstmal neugierig: Würde tatsächlich mal ein Kirchenvertreter etwas über die zahllosen „unbequeme Wahrheiten“ sagen, auf die man ständig stößt, wenn man sich mit christlichen Glaubenslehren und Aussagen objektiv auseinandersetzt?

Viele dieser „Wahrheiten“ sind nämlich allerdings unbequem, weswegen sie sonst immer gerne verschwiegen werden. Bestes Beispiel ist das biblische „Rosinenpicken“, also das selektive Herauspicken von Bibelversen, die die jeweils gewünschte Aussage angeblich untermauern.

Eine Meldung hat mich diese Woche wütend gemacht. Ein Pfarrer setzt sich für Flüchtlinge ein und bekommt Morddrohungen.*

Erwartungsgemäß verliert Herr Rommert kein Wort darüber, dass ausgerechnet in diesem Fall das Pfarrermobbing von der Zornedinger Christlich-Sozialen Union angezettelt worden war:

  • Der Widerstand aus den Reihen der Kirche scheint in der Zornedinger CSU für so heftige Verärgerung geführt haben, dass die letzten Hemmungen fielen. Jedenfalls sagte der stellvertretende Ortsvorsitzende laut „Münchner Merkur“ damals, Pfarrer Ndjimbi-Tshiende müsse aufpassen, dass ihm der Altpfarrer „nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger.“
    (Quelle und weitere Infos…, Hervorhebung von mir; weitere Quellen: 2 | 3 | 4 | Zornedinger Pfarrer will CSU-Funktionär anzeigen, BR)
    **

Dabei wäre  doch gerade das tatsächlich mal eine besonders unbequeme Wahrheit gewesen…

[…] Ich hatte mindestens zwei schlechte Vorbilder dabei, denn ich habe es einfach so gemacht wie zwei Männer aus einer Geschichte, die einen am Straßenrand Liegenden in Not sahen und … weitergingen.

Laut Lukasevangelium war die beiden, die sich nicht um den Notleidenden gekümmert hatten, ein Priester und ein Levit , also ein Angehöriger der religiösen „Aristokratie.“ Hilfsbereitschaft war auch zu dieser Zeit schon im Repertoire vieler Volksgruppen zu finden – ausgerechnet für die Männer des Glaubens war diese in dieser Geschichte jedoch offenbar kein Thema.

Es kommt ein dritter Mensch ins Spiel. […] Er versorgt den kranken Menschen und bringt ihn an einen sicheren Ort. Er folgt seinem Mitgefühl!

Genau – er folgt seinem Mitgefühl. In der Geschichte geht es aber gar nicht um das persönliche, rein menschliche Mitgefühl, sondern darum, wie man „das ewige Leben gewinnen“ kann.

Wie immer, wenn Bibelgeschichten im Spiel sind, lohnt sich ein Blick auf den Kontext, aus dem die Geschichte herausgepickt wurde. Interessant ist in diesem Fall der erste Satz der Geschichte, der erwartungsgemäß nicht im „Wort zum Sonntag“ auftaucht. Er lautet:

  • Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? (Lukas10, 25, Einheitsübersetzung)
Der gute Samariter
Der gute Samariter

Jetzt verfolgt natürlich nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung das Ziel, ein „ewiges Leben“ bei einem bestimmten Wüstengott zu „gewinnen.“ Altruistisches Verhalten sollten aber alle Menschen zeigen, unabhängig davon, was ihnen der Gott ihrer Wahl (oder, wahrscheinlicher, der Gott ihrer Eltern) dafür verspricht. Nicht um eines (bis zum Beweis des Gegenteils sowieso nur erfundenen) ewigen Lebens willen, sondern weil es den grundlegendsten human-ethischen Standards entspricht, sollte man Menschen in Notlagen helfen. Dazu braucht es wahrlich keine jenseitigen Versprechen.

Natürlich könnte man argumentieren, dass es ja egal sei, aus welchen Gründen sich jemand fair und mitmenschlich verhält. Das Problem ist, dass die Bibel in ihrer Gesamtaussage nicht mal niedrigsten modernen ethischen Standards, sondern den Moralvorstellungen eines vormittelalterlichen Wüstenvolkes entspricht. Mitmenschliches Verhalten wird nur gefordert, um einem angeblichen Willen Gottes gerecht zu werden und so „ewiges Leben“ zu erreichen.

Schon für geringfügige Vergehen oder auch nur Un- oder Andersgläubigkeit werden Sanktionierungen bis hin zur Hinrichtung und/oder endlose psychische und physische Höllenqualen angedroht. Das alles hat nichts mit einer modernen, humanen Ethik zu tun.

Wenn eine Ethik jedoch auf den höchst widersprüchlichen und völlig beliebig auslegbaren Geschichten einer bestimmten vormittelalterlichen Religion basiert, so kann man verständlicherweise nicht von allen Menschen verlangen, sich ausgerechnet an diese Vorgaben zu halten. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass es den Religionsführern irgendwann einfällt, plötzlich ganz andere Werte aus demselben Buch herauszupicken, wenn diese ihre Ideologie untermauern. Es ist noch keine 100 Jahre her, da genau das der Fall war und leider finden sich auch heute wieder vermehrt Beispiele dafür, wie gut die christliche Lehre auch zu einer inhumanen Einstellung passend gemacht werden kann.

Ein Blick in die Geschichte zeigt auch, dass die Forderung nach Nächstenliebe nicht besonders realistisch zu sein scheint. Deshalb lautet auch das 2. An-Gebot des evolutionären Humanismus:

  • Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!
    Du wirst nicht alle Menschen lieben können, aber du solltest respektieren, dass jeder Mensch – auch der von dir ungeliebte! – das Recht hat, seine individuellen Vorstellungen von „gutem Leben (und Sterben) im Diesseits zu verwirklichen, sofern er dadurch nicht gegen die gleichberechtigten Interessen Anderer verstößt. (Quelle)

Kann diese Geschichte auch für unser Handeln Maßstab sein?

Maßstab sollte deshalb nicht eine vormittelalterliche Geschichte, sondern eine moderne, humane Ethik sein.

[…] Morddrohungen versenden und die unbequeme Menschen rausekeln. Eine scheinbar klare einfache Lösung. Jedoch ohne Mitgefühl und getrieben von Angst.

Im oben angesprochenen Fall: Getrieben von CSU.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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***Teaserbild: Von New10n – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14998408

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