Kommentar zu: Fehlverhalten von Pfarrer Jens C. – Bischof Algermissen: Wir mischen uns nicht ein

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Kommentar zu: Fehlverhalten von Pfarrer Jens C. – Bischof Algermissen: Wir mischen uns nicht ein, Originalartikel verfasst von Leoni Rehnert, veröffentlicht am 19.04.2016 von fuldaerzeitung.de

Bischof Heinz Josef Algermissen formulierte am Montag am Rande einer Pressekonferenz, wie ihn bewegt, was ihm der ehemalige Kalbacher Pfarrer vor zehn Tagen eingestanden habe: „Ich bin immer noch so entsetzt wie am ersten Tag“, sagte er und empörte sich: „Wie kann man sich denn in der stillsten Nacht des Jahres mit zwei, drei Flaschen Schnaps volllaufen lassen.“*

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Der Alkoholkonsum wird kaum der Grund für die Selbstanzeige des Kalbacher Pfarrers Jens C. [1]Name gem. Aufforderung des Betroffenen gekürzt gewesen sein.

Dass sich Herr Algermissen angesichts eines aufgrund einer Selbstanzeige im Raum stehenden Kindesmissbrauchsvorwurfes trotzdem ausgerechnet wegen einer Missachtung einer angeblich „stillsten Nacht des Jahres“ empört, belegt einmal mehr die erschreckende Weltfremdheit und geradezu unerträgliche Arroganz des Herrn Algermissen.

Außer in Algermissens erfundenen Scheinwirklichkeit stört es keinen einzigen Gott, wenn und wann irgendwelche Vertreter einer bestimmten Trockennasenaffenart Alkohol trinken und wieviel (oder sonst irgendwas tun oder nicht tun).

Ausnahmslos alle Göttinen, Götter, Gottessöhne oder sonstige Geister sind bis zum Beweis des Gegenteils rein menschliche Fiktionen, die demzufolge noch niemals seriös belegbar irgendwie in Erscheinung getreten sind. Anders als sexueller Missbrauch von katholischen Priestern an Kindern oder Jugendlichen sind Feiertage zu Ehren erfundener überirdischer Wesen in der realen Wirklichkeit so bedeutungslos wie Schneewittchens Geburtstag.

In der realen Welt ist dieser Alkoholkonsum nur dann kritikwürdig, wenn Herr C. Jugendliche daran hat teilnehmen lassen. Wenn Alkohol-, Medikamente-, Drogen- und natürlich auch Kindesmissbrauch durch katholische Priester für einen Bischof ein Problem darstellt, dann sollte der sich mal als ersten Schritt für die Abschaffung des Zölibates einsetzen, um seinen Angestellten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Angesichts dieser Situation bleibt weiterhin unerklärt, wie schwerwiegend die Verfehlung des Pfarrers tatsächlich einzuschätzen ist.

Offenbar war die Verfehlung schwerwiegend genug, dass jemand den Pfarrer bei dessen Arbeitgeber anzeigte, was dann zu seiner Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft geführt hatte, wie aus bisher unbestätigten Quellen zu erfahren war. Die Einschätzung der Schwere der Verfehlung durch realitätsferne Kirchenvertreter spielt, zum Glück für die Betroffenen, keine Rolle.

[…] Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke: Der Grund für eine Erschütterung müsse nicht immer strafrechtlicher Natur sein, sagte er gestern, und Bischof Algermissen ergänzte: „Wir haben andere Kategorien der Beurteilung.“

Dann können wir alle ja nur froh sein, dass hierzulande nicht die anderen Kategorien eines Herrn Algermissen, sondern das Strafrecht für die Beurteilung von Straftaten gilt. Sich der Verantwortung durch Verweis auf „andere Kategorien der Beurteilung“ zu entziehen, zeugt einmal mehr von einer schier widerwärtigen Arroganz, einer menschenverachtenden Ignoranz und einem massiven Realitätsverlust, wie das von Algermissen anschließend angeführte Beispiel belegt:

Damit gemeint ist zum Beispiel ein Fehlverhalten im spirituellen Bereich – wie es etwa die Entscheidung von Pfarrer C.[2]Name gem. Aufforderung des Betroffenen gekürzt gewesen ist, 2012/13 als Niederkalbacher Fastnachtsprinz aufzutreten. Der Bischof erfuhr davon erst aus der Zeitung. „Der Schaden, der für mich damals entstanden war“, sei durch eine Vereinbarung mit C.[3]Name gem. Aufforderung des Betroffenen gekürzt zum Verhalten in der Kampagne begrenzt worden, erläuterte der Bischof.

Das muss man sich mal vor Augen halten: Da zeigt sich ein Pfarrer, offenbar wegen sexueller Handlungen an Kindern oder Jugendlichen, selbst an und seinem Vorgesetzten fällt nichts anderes dazu ein, als sich über den Schaden zu beklagen, der ihm dadurch entstanden war, dass der Pfarrer als Fastnachtsprinz aufgetreten war?! 

Einen gewaltigen Schaden kann ich da durchaus erkennen, allerdings dürfte der kaum durch den vorübergehenden Wechsel eines katholischen Priesters von einer Scheinwelt in eine andere verursacht worden sein.

Kirche will keinen Einfluss nehmen

Ja natürlich – die Kirche versucht mit allen Mitteln, so massiv Einfluss auf das Privatleben von Menschen zu nehmen wie nichts und niemand sonst – und zwar nicht nur auf das Leben ihrer An- und Abhängigen, sondern am liebsten auf das der gesamten Bevölkerung.

Da kann man dann schon auch mal Objektivität heuchlen, wenns gerade passt und wenn man sich damit elegant aus der Affäre ziehen kann. Algermissen scheint offenbar nur darauf zu hoffen, dass die Ermittlungen keine strafrechtlichen Konsequenzen haben – bis dahin hält er es offenbar nicht für nötig, zumindest so zu tun, als sei ihm im Interesse der Betroffenen an einer raschen und umfassenden Aufklärung gelegen.

Wohlgemerkt, im vorliegenden Fall geht es um eine Selbstanzeige und nicht um eine Fremdanzeige, bei der man selbstverständlich von einer Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils ausgehen würde. Sich in dieser Situation mit keinem Wort den Betroffenen gegenüber zu äußern, zeugt von Überheblichkeit und Verachtung – ein Statement wäre durchaus auch ohne Einmischung in das laufende Verfahren möglich und angebracht gewesen.

Er nahm keine weitere Stellung, berichtete aber, dass es seitens der Kirche keine Ermittlungen parallel zur Staatsanwaltschaft gebe.

Das wäre ja auch noch schöner! Schon allein die Tatsache, dass in Deutschland auch im Jahr 2016 noch eine eigene Gerichtsbarkeit einer undemokratischen, undurchsichtigen und moralisch höchst fragwürdigen Institution wie der katholischen Kirche parallel zur staatlichen Gerichtsbarkeit überhaupt existiert, ist ein beispielloses Skandal.

Geht man von den Aussagen Algermissens aus, so würde vor diesem Gericht dann vermutlich verhandelt, wie die Entweihung des Feiertages und,  biblischen Moralvorstellungen entsprechend, wahrscheinlich auch gleich noch das Fehlverhalten der Kinder kirchenrechtlich zu bestrafen sei – vielleicht mit einem Schmerzhaften Rosenkranz und drei Vaterunser?

Fazit: Statt „Wir mischen uns nicht ein“ sollte es genauer heißen: „Wir mischen uns nicht ein, tun es aber doch und relativieren den Fall, indem wir uns über so unbedeutende Aspekte wie die Störung eines Feiertages oder das Freizeitverhalten des Täters empören.“

* Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

Fußnoten

Fußnoten
1, 2, 3 Name gem. Aufforderung des Betroffenen gekürzt

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