Wort zum Wort zum Sonntag: Starke Männer

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Das Wort zum Wort zum Sonntag: Starke Männer, gesprochen von Benedikt Welter (kath.), veröffentlicht am 21.5.2016 vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen ARD/daserste.de

[… ]Aber einfache Antworten sind dumm und gefährlich. Einfache Antworten bedrohen den Menschen – als Einzelnen aber auch als Gruppe, als Gesellschaft.*

Bei dieser Erkenntnis übersieht Herr Welter (wohl kaum zufällig), dass auch das Christentum zu den Ideologien zählt, die schon seit Jahrhunderten vermeintlich einfache, in Wirklichkeit aber dumme und gefährliche Antworten geben. So kommt es, dass fatalerweise sogar heute noch Menschen der Meinung sind, eine vormittelalterliche Wüstengottreligion könnte irgendwelche brauchbaren Antworten auf Fragen der heutigen Zeit geben.

[…] Denn einfache Antworten widersprechen dem Leben: Das ist nämlich nicht einfach. Es ist vielschichtig und – im Fremdwort: komplex!

Das halte ich für eine reichlich oberflächliche Sichtweise – im Fremdwort: pauschalisierend! Trotz der unglaublich faszinierenden Komplexität des Lebens sind etliche Antworten in Wirklichkeit viel einfacher als zum Beispiel religiöse Dogmen und aus Unwissenheit erfundene Scheinwahrheiten. Nur eines von beliebig vermehrbaren Beispielen:

Bis heute antwortet die christliche Lehre auf die Frage nach der Entstehung des Lebens mit der Schöpfungslüge. Dabei ist es der Menschheit längst gelungen, diese Frage umfassend beweisbar, vielfach belegt und logisch schlüssig zu beantworten. Götter, Geister, Göttersöhne oder andere überirdische Entitäten kommen in der Entstehungsgeschichte – wen wunderts – nicht vor.

Die Annahme eines Schöpfers führt, wenn man die für die Akzeptanz religiöser Aussagen erforderliche Denkverweigerung nicht anwendet, zu viel mehr Fragen als zu irgendwelchen sinnvollen oder gar plausiblen Antworten. Es gibt heute weder eine Notwendigkeit, noch irgendeinen Anlass, an der ganz offensichtlichen Schöpfungslüge festzuhalten.

Wie gut, dass „starke Männer“ alles irgendwie regeln, und dass ich mir dann keine Gedanken mehr machen muss. Aber so tickt das Leben nicht.

Hier werden die auffälligen Parallelen zwischen religiösen und politischen Ideologien deutlich: Bei beiden steht ein „starker Mann“, bzw. ein „lieber Gott“ an oberster, übergeordneter Stelle, dem alle anderen untergeordnet sind. Beide sorgen dafür, dass sich die Unterworfenen keine Gedanken mehr machen müssen. Dass das Leben so nicht tickt, erlebt auch das Christentum gerade hautnah.

Wenn ich den starken Mann da oben seine Muskeln einsetzen lasse, und selbst den Kopf in den Sand stecke, hört die Erde nicht auf, sich um die Sonne zu drehen.

Oh, ist das inzwischen auch bis zur katholischen Kirche durchgedrungen, dass sich die Erde um die Sonne dreht? Sind Sie sich sicher? Hoffentlich gedenkt der Pfarrer jedes Mal, wenn er vom heliozentrischen Weltbild redet, der ungezählten Menschen, die seine Kirche wegen eben dieser Aussage gefoltert und ermordet hat.

[…] Wohin das führt, sieht man auch bei den aktuellen Christenverfolgungen in manchen Ländern.

Wohin das ebenfalls führt, sieht man auch in der Kriminalgeschichte des Christentums. Der Aufklärung, der Säkularisierung und dem Humanismus ist es zu verdanken, dass die Christenschar heute vermutlich nur noch selten mit Schwert und Feuer Un- und Andersgläubige zum rechten Glauben bekehrt.

Und wieder wird einer der wichtigsten Punkte der Religionskritik deutlich: Religionen vereinen nur ihre zugehörigen Anhänger, ansonsten spalten sie die Menschheit und haben damit schon für mehr Leid und Elend gesorgt als irgendwelche anderen menschlichen Erfindungen. Das Thema Christenverfolgung ist derzeit auch durch eine fragwürdige Studie einer ebenso fragwürdigen Institution im Gespräch.

Ja, das Leben ist anstrengend, kompliziert und komplex.

Auch daran, dass viele Menschen ihr Leben so empfinden, hat gerade die katholische Kirche einen nicht unerheblichen Anteil. Je anstrengender und komplizierter die Schafe ihr Leben wahrnehmen, umso empfänglicher sind sie für die religiösen, aber auch für andere angebliche Heilsversprechen. Um das Leben noch weiter zu erschweren, belastet die Kirche ihre Anhänger zusätzlich mit einer erfundenen Schuld – um direkt die Erlösung von derselben anbieten zu können.

Die Kirche liefert also sowohl die Krankheit, als auch die Medizin, die freilich völlig unwirksam ist. Es ist kein Zufall, dass sich die Kirche gerade in den Ländern verbreiten kann, in denen das Leben der Menschen besonders anstrengend und kompliziert ist. Und ebensowenig erstaunt es, dass die Kirchen aus diesem Grund gar kein Interesse haben, das Leben ihrer Schafe tatsächlich irgendwie zu erleichtern – das gibts erst, wenn überhaupt, im erfundenen Jenseits.

Natürlich kann das Leben durchaus auch anstrengend, kompliziert und komplex sein, andererseits wird es aber auch viel viel einfacher, wenn man zum Beispiel schon mal die religiöse Scheinwelt mit ihren Göttern und Geistern verlässt, sich an der realen, natürlichen Wirklichkeit orientiert und seine eigenen Fähigkeiten, seinen Verstand, sein Wissen und seinen gesunden Menschenverstand einsetzt.

Da ist mir die Karikatur von einem starken Mann lieber. Die Karikatur von einem Mann, von einem König, von einem Herrscher: Dem haben sie einen purpurroten Umhang um die Schultern gelegt und ein Dornengewächs als Spottkrone auf den Kopf gepresst. „Seht, da ist der Mensch“ – sagt Pontius Pilatus, der „starke Mann“ in Jerusalem; und er sagt es, indem er auf Jesus zeigt.

Hier zeigt sich einmal mehr, wie beliebig die biblischen Märchen ausgelegt und in praktisch jeden beliebigen Zusammenhang gebracht werden können. Die biblische Phantasiegestalt Jesus Christus, an der außer möglicherweise einigen Äußerlichkeiten nichts echt ist, spielt nicht nur die Rolle eines Drittels eines monotheistischen Gottes, sondern bei Bedarf eben auch die einer Karikatur, deren Verhöhnung sie dem Herrn Pfarrer offenbar sympathisch macht. Werden etwa Diktatoren dadurch angenehmer, wenn sie verspottet werden? Den antijüdischen Aspekt der Ecce-homo-Szene verschweigt Herr Welter erwartungsgemäß.

[…] Unter das Motto – „Seht, da ist der Mensch“ – ist der Deutsche Katholikentag kommende Woche in Leipzig gestellt.

Der Katholikentag, der mit 4.5 Millionen (!) Euro vom Staat subventioniert wird. Zeitgleich laufen in Leipzig übrigens die Säkularen Tage mit vielen interessanten Vorträgen und Veranstaltungen – ohne staatliche Subventionierung.

Ein gutes Gegenbild zu dem Bild der „starken Männer“ auf der Welt.

Wie oben schon angedeutet, unterscheiden sich religiöse praktisch nicht von politischen Ideologien.

Jesus begibt sich nämlich in unseren menschlichen Schlamassel hinein; er regelt nichts von oben herab mit Parolen.

Der historisch möglicherweise belegbare Jesus von Nazaret spielt heute keine größere Rolle mehr als die zahlreichen anderen Endzeit-Sektenführer, die damals irrtümlicherweise die kurz bevorstehende Apokalypse ankündigten. Die biblische Phantasiegestalt Jesus Christus ist eine Kunstfigur, die Menschen aus damals schon längst bekannten Legenden und Mythen zu ihren Zwecken und nach ihren Vorstellungen zusammengedichtet hatten. Nichts an den biblischen Geschichten über Jesus ist christlichen Ursprungs. Deshalb sind auch Aussagen darüber, was Jesus macht oder nicht macht, heute völlig bedeutungslos.

Ganz abgesehen davon entsprechen die biblischen Märchen und Mythen nicht mal mehr den niedrigsten Standards heutiger Ethik. Das hält die christlichen Religionsdiener allerdings nicht davon ab, sich wie selbstverständlich auch zu Themen aus der realen Wirklichkeit zu äußern, obwohl Kirche und Staat ja wenigstens nominell schon längst getrennt sind.

Da erträgt jemand. Da duldet jemand.

Natürlich – als Drittel eines dreifaltigen, allmächtigen und allwissenden Gottes sollte er ja gewusst haben, warum er von seinem Vater bzw. von sich selbst für sich selbst zu Tode gefoltert wurde. Und ein paar Stunden Todesfolter ist ja wohl nicht zu viel verlangt, wenn man dafür allen Menschen alle Sünden vergeben kann? Zumal für jemanden, der drei Tage später sowieso sein ewiges Leben antritt?

Und vor allem: – im Unterschied zu all den Trumps, Dutertes und Erdogans dieser Welt: Da ist jemand mal nicht permanent beleidigt und empört; da brüllt jemand mal nicht unerträglich und andauernd durch die Gegend.

Natürlich nicht – wenn man nicht existiert, kann man auch nicht beleidigt sein – dafür braucht es dann qualifiziertes Bodenpersonal, dass die Rolle des Beleidigten und Empörten übernimmt.

Leben wird durch diesen Jesus nicht einfacher.

Aber er hilft mir, die Anstrengungen dieses Lebens anzunehmen.

Gleiches gilt für den Alkohol des Alkoholikers oder für das Heroin des Junkies.

Er hilft mir, besser zu verstehen und genauer hinzuschauen.

Wer etwas besser verstehen und wirklich genauer hinschauen möchte, sollte sich zunächst von seiner religiösen Indoktrination befreien. Religionen hindern Menschen daran, besser zu verstehen und genauer hinzuschauen, weil die religiöse Scheinwirklichkeit extrem sensibel auf Verstehen und genaues Hinschauen reagiert.

Sobald man wirklich beginnt, besser zu verstehen und genauer hinzuschauen, dann kann man erkennen, dass man weder einen „starken Mann“, noch einen erfundenen Gottessohn braucht um wissen zu können, wie man sich verhalten sollte und wo man sein Glück finden kann. Diese Erkenntnis beginnt im eigenen Kopf.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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