Kommentar zu „Kinder verkünden Glauben“ – 300 Menschen besuchen den Familientag im Bistum

Lesezeit: ~ 4 Min.

Kommentar zu „Kinder verkünden Glauben“ – 300 Menschen besuchen den Familientag im Bistum, Originalartikel veröffentlicht am 15.06.16 von Osthessennews, Verfasser nicht genannt

„Jesus liebt jeden gleichviel“, antwortete ein Junge, als Relindis Knöchelmann vom Seelsorgeamt des Bistums Fulda / Forum Michaelshof am Ende der Kinderkatechese beim diözesanen Familientag in Fulda fragte, was wir im gehörten Evangeliumstext von Jesus mit der Sünderin lernen können.*

Interessant wäre zu wissen, ob Frau Relindis Knöchelmann den Kindern auch erklärte, warum die nicht namentlich genannte Frau in der biblischen Geschichte überhaupt als „Sünderin“ galt. Leider geht aus dem Artikel auch nicht hervor, um welche Geschichte es überhaupt ging – mit „sündigen“ Frauen hatte der biblische Jesus ja an mehreren Stellen zu tun, zum Beispiel in der nachträglich ins Johannesevangelium eingefügten Geschichte.

Aus dieser Geschichte geht keineswegs hervor, dass Jesus jeden gleichviel liebt. Als die Pharisäer die Ehebrecherin, die sehr wahrscheinlich den Ehebruch gewerbsmäßig betrieben hatte, nach Moses‘ Gesetz (das ebenfalls Bestandteil der angeblich allumfänglich göttlich offenbarten Bibel ist) steinigen wollten, setzte sich Jesus keineswegs dafür ein, die Prostituierte vor der Todesfolterung zu bewahren, vielmehr ruft er dazu auf, den „ersten Stein“ zu werfen, wer „ohne Schuld“ sei.

Er schien sich offenbar sehr sicher zu sein, dass die selbsternannten Moralapostel ihrerseits an den „Sünden“ der „Ehebrecherin“ umfangreich genug beteiligt gewesen sein dürften. Und auch er selbst hatte keinen Grund, sie zu veruteilen – wohl eher nicht aus Nächstenliebe, sondern viel wahrscheinlicher aus dem gleichen Grund, weswegen auch die anderen Herren nicht den ersten Stein werfen wollten…

Immerhin haben die Erfinder dieser Geschichte damit eine gewisse Raffinesse unter Beweis gestellt: Sie lassen Jesus nicht in die ihm gestellte Falle tappen. Er widerspricht eben nicht der alttestamentarischen Regel, dass Ehebrecherinnen zu steinigen sind, was ja für ein tatsächlich neues und moderneres Moralverständnis sprechen würde.

Was der Frau das Leben rettet, ist der Trick, dass Jesus deren angebliche Schuld ins Verhältnis zur Schuld der vermutlich bzw. potentiell ebenfalls am Ehebruch beteiligten Männer setzt – ein Vorgehen, das genausowenig unserem heutigen Moralverständnis entspricht wie die damit elegant umgangene Steinigung.

Auch eine andere Begegnung von Jesus mit einer Sünderin lässt, objektiv betrachtet, nicht den Schluss zu, dass Jesus jeden gleichviel liebt: Die Geschichte im Lukasevangelium endet mit den Worten:

  • Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe. […] Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!
    (Quelle: Lukas 7,47 ff EU)

Die vielen Sünden werden also vergeben, weil die Frau „so viel Liebe gezeigt“ hatte und nicht etwa, weil Jesus jeden gleichviel liebt – das hat er aber auch nie behauptet und das ist auch gar nicht die Aussage dieser Geschichte. Alle biblischen Aufforderungen zu Nächstenliebe beziehen sich eben nicht auf „jeden gleichviel“, sondern nur auf die Angehörigen der eigenen Gruppe. Wie mit Un- oder Andersgläubigen zu verfahren ist, erklärt der biblische Jesus Christus mehrfach unmissverständlich, und das hat mit Liebe nichts zu tun.

„Dein Glaube hat dir geholfen“ ist das Gegenteil von „Jesus liebt jeden gleichviel“ – aber das hätte Frau Knöchelmann wahrscheinlich nicht so gut ins gewünschte Bild gepasst…

Aus diesen, gemeinsam mit den Kindern erarbeiteten Gedanken und Ideen folgerte sie mit Blick auf die Erwachsenen: „Kinder sind unsere Gebetsbücher und Glaubensboten.“

Kinder sind vor allem darauf angewiesen, dass sie von Erwachsenen nicht angelogen und in die Irre geführt werden. Sie sind mitunter noch nicht in der Lage, biblische Märchen zuverlässig als solche zu durchschauen und könnten auf die religiösen Wahngedanken verantwortungsloser Erwachsener, die diese Märchen und Mythen für wahr und bedeutungsvoll halten, hereinfallen.

Ferkelbuch-ZitatDas kann dann wie im vorliegenden Fall zur Folge haben, dass sie eine Vorstellung von Jesus bekommen, die mit der äußerst problematischen biblischen Aussage nichts zu tun hat, sondern lediglich dem Wunschbild einer Frau Knöchelmann entspricht.

Wer die entwicklungsbedingte kindliche Kritiklosigkeit zur religiösen Indoktrination ausnutzt, missbraucht seine Position. Kinder als „Gebetsbücher und Glaubensboten“ zu bezeichnen, sagt viel über die Erwachsenen aus, die sich dieser Form des Missbrauchs bedienen müssen, um ihre angeblich doch sowieso endgültige und übergeordnete Wahrheit, die in Wirklichkeit nichts weiter als menschliche Fiktion und Illusion ist, künstlich am Leben zu erhalten.

Kinder werden ja zumeist dazu erzogen, die Wahrheit zu sagen und auch auf Wahrheit zu bestehen. „Du sollst nicht lügen“ war sogar schon in der Bronzezeit als Gebot bekannt.

Wieso ausgerechnet und ausschließlich im religiösen Bereich dieses Gebot nicht gilt und Kinder, die religiös erzogen werden, beigebracht bekommen, dass sie umso besser (weil „glaubensstärker“) seien, je kritikloser sie offensichtliche Unwahrheiten als wahr akzeptieren, ist eines der vielen Paradoxa im Zusammenhang mit Religionen.

„Familien sind sich begegnet, haben sich in einer entspannten Atmosphäre ausgetauscht und eine Bestärkung im Glauben erfahren – wir sind mit dem Tag rundum zufrieden und freuen uns schon auf den Familientag 2017“

Die eigentliche Absicht hinter dem Familientag deuten die Veranstalter erwartungsgemäß nur vage an: Die familiäre Begegnung, die entspannte Atmosphäre und auch die abschließende Bratwurst dienen einzig dem Zweck, fragwürdige (s. o.) christliche Moralismen in den Köpfen von Menschen und hier speziell in denen von Kindern zu verankern.

Von einer „Bestärkung im Glauben“ profitieren in erster Linie die Menschen, die ihr Geld damit verdienen, dass überhaupt noch jemand an ihrer religiösen Scheinwelt festhält. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie etwas grundsätzlich natürlich Positives wie Familientage in entspannter Atmosphäre für ihre Zwecke instrumentalisieren.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.

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