Kommentar zu NACHGEDACHT 180: Fußball und Religion?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 19.06.16 von Osthessennews
Fußball und Religion war unlängst auch schon Thema im Wort zum Sonntag, der staatlich subventionierten und privilegierten Verkündigungssendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, meine Gedanken dazu gibts hier und hier.
Die heutigen NACHGEDACHT-Überlegungen gehen erwartungsgemäß in eine ähnliche Richtung:
Fußball und Religion – sie beide scheinen verwandt zu sein.*
Stimmt. Bei beiden gehts in Wirklichkeit um nichts und mit beiden wird eine Unmenge Geld verdient.
Beide schaffen eine künstliche Abgrenzung zwischen Menschen (ingroup – outgroup), eine künstliche Erhöhung der eigenen Anhänger (Fans bzw. auserwähltes Volk) und mitunter eine ebenso künstliche Herabsetzung der Gegner, die durchaus zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen kann.
Wo Fußball und Religion aufeinandertreffen, kann man oft die selben Denkfehler beobachten, allen voran den altbekannten Bestätigungsfehler (confirmation bias): Alles, was wunschgemäß läuft, ist ein Zeichen für Gottes Gnade (insgeheim auch der vom Gegner verschossene Elfmeter oder Verletzungen gegnerischer Spieler) – und alles andere… ignorieren wir einfach, wie auch jeder Glücksspieler seine Verluste ignoriert und nur von seinen Gewinnen erzählt.
[…] Die Begegnung im Stadion kommt einer religiösen Erfahrung gleich: […]
Das sehe ich genau umgekehrt: Eine religiöse Erfahrung versucht, einer Begegnung im Stadion gleichzukommen. Die Erfahrung im Stadion basiert zwar nur auf einem Spiel, aber immerhin ist dieses Spiel etwas, was real stattfindet.
Religiöse Erfahrungen basieren auf einer Illusion und instrumentalisieren rein menschliche Empfindungen wie Gruppenerlebnisse für ihre Zwecke.
Interessant finde ich aber auch die Kombination aus beidem: wenn gestandene Männer sich öffentlich bekreuzigen und „Danke“ nach oben blickend brüllen.
Ein Gott, der seine Allmacht dazu verwendet, Fußballspielern zu Toren zu verhelfen, statt täglich tausende Menschen vor dem Verhungern zu bewahren oder um Frieden auf der Erde zu schaffen, wäre ein verabscheuungswürdiges, sadistisches, zynisches Wesen. Seine einzige Entschuldigung ist, dass es ihn nicht gibt.
„Gestanden“ zu sein sagt, genauso wie Intelligenz, nichts über die Klarheit des Denkens und den Realitätssinn eines Menschen aus.
Natürlich sind der Verlauf eines Fußballspieles und das Bitten um einen Sieg womöglich nicht die wichtigsten aller Bitten, die an Gott gerichtet werden.
Natürlich – womöglich? Woher kann man das denn überhaupt so genau wissen? Vielleicht hängt ja gar die (irdisch-materielle) Existenz eines Spielers und dessen Familie von diesem einen Tor ab?
In Wirklichkeit ist es natürlich völlig einerlei, wie wichtig Bitten an Götter auch sein mögen – noch keine einzige Bitte wurde jemals erhört in dem Sinne, dass ein außerirdisches Wesen daraufhin nachweislich den Lauf der Dinge verändert hätte.
Dieses zu glauben, setzt entweder eine gehörige Portion Naivität, oder aber eine bewusste Denkverweigerung voraus – oder eine Kombination davon. Was könnte wohl der Grund dafür sein, dass man publikumswirksam-theatralische religiöse Gesten heute – ausgenommen beim Fußball – praktisch nirgends mehr in der Öffentlichkeit sieht?
Aber viele Fußballer geben damit ganz mutig ein Bekenntnis, das für den Glauben an einen Gott wirbt.
Es braucht tatsächlich einiges an Mut, im 21. Jahrhundert noch öffentlich erfundene Götter zu verehren, sie gestenreich um etwas zu bitten oder ihnen vor großem Publikum für etwas zu danken. Schließlich wollen ja diese Leute auch danach noch irgendwie ernst genommen werden, was schwer fällt, wenn jemand so offensichtlich in einfachste Denk- und Logikfallen tappt, dass es fast schon schmerzt.
Und wieso überhaupt „Glauben an einen Gott“ – gibts denn etwa mehrere? Woher weiß dann der richtige Gott, dass er gemeint ist und nicht zum Beispiel Olympus, Thor oder der Gestiefelte Kater?
Aber auch wenn Fußball scheinbar religiöse Züge aufweist – ausgenommen die gewalttätigen Auseinandersetzungen – so dauert ein Spiel doch in der Regel nur 90 Minuten.
Mit diesem Satz beweist die Autorin einmal mehr, dass sie sich entweder noch nie mit der beispiellosen Kriminalgeschichte des Christentums befasst hat (berufsbedingt unwahrscheinlich), oder dass sie sich nicht nur die (jenseitige) Zukunft, sondern auch die (historisch belegbare) Vergangenheit so nach ihren Wünschen zurechtdichtet, wie sie ihr gefällt.
Das Christentum hat, direkt und indirekt, für mehr gewalttätige Auseinandersetzungen gesorgt als irgendetwas sonst. Deshalb ist es höchst heuchlerisch, bigott und ignorant, so zu tun, als gäbe es ausgerechnet in diesem Bereich nicht genauso Parallelen zwischen religiöser Ideologie und Fussball-Fanatismus.
Gewalt ist, neben Tod und falschen Versprechen, nicht nur eines der zentralen Themen im Alten Testament, auch im Neuen Testament spielt Gewalt eine wichtige Rolle: Grund für die Verhaftung, Verurteilung und Todesfolterung des biblischen Jesus war eine gewalttätige Auseinandersetzung, die eben dieser Endzeit-Sektenführer in der Öffentlichkeit angezettelt hatte. Diese Randale war, objektiv betrachtet, genauso sinn- und grundlos wie die gewalttätigen Auseinandersetzungen heutiger Fanatiker.
Noch ein Beispiel gefällig, wie Fußball und religiöser Wahn harmonieren? Bitte:
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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