Kommentar zu: Aussendung zum Weltjugendtag Krakau – Bischof ALGERMISSEN und die Bergpredigt

Lesezeit: ~ 6 Min.

Kommentar zu: Aussendung zum Weltjugendtag Krakau – Bischof ALGERMISSEN: „Jugendliche sind die Baumeister der Zukunft“, Originalartikel mit Verweis auf die Bergpredigt, veröffentlicht am 17.07.16 von Osthessennews

Höhepunkt dabei werden auch Begegnungen mit Papst Franziskus uner dem Leitwort „Selig die Barmherzogen, denn sie werden Erbarmen finden“ sein.*

Gemeint sind vermutlich die Barmherzigen, oder? Die moderne Bibelforschung ist sich heute weitestgehend einig, dass die so genannte „Bergpredigt“, aus der die „Seligpreisung“ der Barmherzigen stammt, niemals stattgefunden hat. Die Aussagen stammen nicht mal von Jesus selbst.

Sie wurden erst viel später zusammengeschrieben und der literarischen Figur Jesus Christus in den Mund gelegt. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung verschiedener Anweisungen und Sprüche aus dieser Zeit. Von Jesus selbst ist nichts Schriftliches überliefert. Einiges spricht dafür, dass er Analphabet war.

Das Motiv des „Berges“ taucht in der Bibel immer wieder auf. Auch der Christengott Jahwe wurde vor seiner heutigen Funktion als dreiteiliger „lieber Gott“ viele Jahrhunderte erst als Wetter- und dann als „Berggott“ gedacht und verehrt. Zu dieser Zeit war er auch noch mit seiner Gemahlin, der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera verheiratet.

Die Bergpredigt – näher betrachtet

Die Aussagen der Bergpredigt mögen schon wesentlich akzeptabler erscheinen als die inhumanen Moralismen und die grausamen Anweisungen, die im Alten Testament (das ja angeblich genauso von Gott offenbart wurde) präsentiert werden.

Betrachtet man den Text etwas genauer und nicht selektiv, so stellt man fest, dass auch hier Dinge auftauchen, die nicht mal den grundlegenden Standards einer modernen Ethik entsprechen. Kein Wunder, schließlich stammt der Text ja auch aus dem Vormittelalter und war als Handlungsanweisung für ein primitives Hirtenvolk in der Wüste Jordaniens und nicht etwa für die Weltbevölkerung im globalisierten 21. Jahrhundert gedacht.

So findet sich zum Beispiel nur wenige Zeilen nach dem Barmherzigkeitsgebot folgender Text:

  • Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.
    (Quelle: Mt 5,22 EU)

Höllenqualen für eine Beleidigung

Hier wird also zeitlich unbegrenzte (!) phyische und psychische Bestrafung in Form von Höllenfeuer für das „Vergehen“ gefordert, dass jemand seinen Bruder einen Narr nennt. Beispiel gefällig? Einfach mal den ausgestreckten Zeigefinger 10 Minuten 2 cm über eine brennende Kerze halten… Aus heutiger Sicht sind Höllenqualen für eine verbale Beleidigung natürlich eine völlig unverhältnismäßige Strafe. Und etwas weiter unten heißt es:

  • Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben. (Quelle: Mt 6,31-33 EU)

Das bringt exemplarisch das zum Ausdruck, worum es in diesem Text geht: Um eine Vorbereitung auf das Jenseits. Jesus war kein Religionsgründer. Es ging ihm nie darum, moralische Standards für das Zusammenleben aller Menschen und zum Wohle aller Menschen zu verkünden: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und seine Gerechtigkeit gehen…“

Jesus und sein Irrtum mit dem Jüngsten Gericht

Selbst wenn man die Gesamtaussage der Bergpredigt isoliert vom biblischen Rest betrachtet, entspricht diese nicht einer modernen Ethik. Grundlegende Punkte, die in unserer heutigen Gesellschaftsordnung verankert sind, fehlen in der Bergpredigt komplett. Theologen versuchen mühsam und wenig überzeugend, diese noch nachträglich irgendwie hineinzuinterpretieren. Sie klammern sich an die Bergpredigt wie an einen Strohhalm.

Aber nicht die Würde und Freiheit des Menschen, sondern ein gottgefälliges Leben mit Aussicht auf „Erlösung“ und Androhung einer „Bestrafung“ im Jenseits steht in der Bergpredigt im Vordergrund.

Diese Erlösung wird freilich nur den Menschen in Aussicht gestellt, die sich auch diesem speziellen Provinzgott Jahwe vollständig unterwerfen. Auf alle anderen warten ewige Höllenqualen. Aber an die richtet sich die Bergpredigt ja auch gar nicht. Wahrlich keine Erfolg versprechenden Voraussetzungen für einen ethischen Standard, der den Anforderungen einer globalisierten Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert gerecht werden kann…

Jesus sah seine Aufgabe darin, die von ihm irrtümlich angenommene, kurz bevorstehende Ankunft seines Gottes anzukündigen. Er wollte seine jüdischen Glaubensbrüder und -schwestern auf das „Jüngste Gericht“ vorbereiten. Da die „Juniortüte“ bis heute das einzige „Jüngste Gericht“ ist, kann man wohl davon ausgehen, dass er sich mit seiner Prophezeiung getäuscht hatte.

Ausgerechnet Glaube…

Es sei zu hoffen, dass der Glaube die Menschen aus ihrer Zerrissenheit und Oberflächlichkeit herausführe.

Es ist nur verständlich, dass der Bischof das hofft. Schließlich lebt er davon, dass es noch Leute gibt, die daran glauben, irgendetwas Sinnvolles in den tiefen Abgründen religiöser Scheinwelten finden zu können. Die sich nicht daran stören, dass das ganze Glaubensgebilde nur aus Schall und Rauch, aus Fiktion, Illusion und Imagination besteht. Ausgerechnet religiösen Glauben als Mittel gegen Oberflächlichkeit zu empfehlen, ist paradox.

Religiöser Glaube setzt Oberflächlichkeit voraus. Das religiöse Kartenhaus hält nicht mal einfachste Nachfragen aus. Es würde sofort komplett einstürzen, wenn man schon nur an einer Stelle mit nur einer Frage etwas weiter in die Tiefe gehen würde. Das zeigt sich auch daran, wie lächerlich zornig und ungehalten Religionsvertreter auf ganz einfache, sachlich und höflich gestellte Fragen reagieren. Dann nämlich wird ihnen die Fragilität ihres Gedankengebildes bewusst und sie schalten oft direkt auf Angriff um.

Dieser Umstand hält Theologen natürlich nicht davon ab, trotzdem unvorstellbar viel Zeit und Energie für die unendliche Suche nach immer neuen Scheinlösungen auf religiöse Scheinprobleme zu verschwenden. Wobei sie tunlichst darauf achten, immer schön innerhalb ihrer religiösen Scheinwelt zu bleiben. Denn mit der Realität verträgt sich ihr fiktives Forschungsgebiet nicht. Wie das Beispiel oben zeigt, entpuppen sich sogar die biblischen „Filetstücke“ wie die Bergpredigt bei näherer Betrachtung als irrelevant.

Oberflächlich und zerrissen

Jugend ohne Bergpredigt: Oberflächlich und zerrissen
Jugend ohne Bergpredigt:
Oberflächlich und zerrissen

Religiöser Glaube hilft gegen Zerrissenheit und Oberflächlichkeit ungefähr so viel, wie Alkohol gegen schlechte Laune hilft. Religiöser Glaube löst keine Probleme und beantwortet keine Fragen. Er bietet bestenfalls eine hoffnungsvolle Illusion. Er ist der Wegweiser am Rande des religiösen Holzweges, der in ein leeres Versprechen führt. Wie das Beispiel mit der Bergpredigt zeigt, verträgt es religiöser Glaube nicht, wenn man ihn auch nur knapp unterhalb der Oberfläche durchleuchtet.

Wenn Herr Bischof Algermissen Zerrissenheit beklagt, dann sei er daran erinnert, dass gerade das Gebaren seiner Arbeitgeberin für Zerrissenheit sorgt. Die katholische Kirche erfrecht sich, neben unserer bestehenden Gesellschaftsordnung eine Parallelwelt mit eigener „Justiz“ und eigenem „Arbeitsrecht“ zu betreiben.

Sie nötigt Menschen dazu, sich zu imaginären Phantasiewesen zu bekennen. Bis ins Schlafzimmer hinein meint sie vorschreiben zu können, wie sich ihre Angestellten zu verhalten haben. Mit diesen Maßnahmen bringt sie unzählige Menschen in schwerste Gewissenskonflikte. Ganz zu schweigen von Priestern, denen durch das Zölibat eine widernatürliche und weltfremde Lebensweise aufgezwungen wird. Das sorgt für Zerrissenheit.

Hochkonzentriert im Trüben fischen

Natürlich könne jeder auch mehrere Sachen gleichzeitig managen, doch das fordere immer seinen Preis. „Man bleibt in beiden Bereichen an der Oberfläche, kommt nirgends wirklich in die Tiefe, entdeckt nichts Neues.“

Diesen Lifestyle-Tipp hatte Herr Algermissen kurz vorher schonmal gegeben. Es ist immer wieder erstaunlich, dass Menschen, die in einer um Phantasiewesen erweiterten Wirklichkeit leben, allen Ernstes meinen, Tipps geben zu können, wie andere Menschen leben sollten. Und dass sie ausgerechnet ihre eigene, absurde und irrationale Weltsicht als besonders geeignet und empfehlenswert halten, um in der realen Welt besser zurecht zu kommen.

Wenn Herr Algermissen sein Glück in den Tiefen seiner religiösen Scheinwelt findet – gerne, wieso nicht. So kann er Privat und Beruflich verbinden. Aber statt Menschen auf seinen eigenen Holzweg zu locken, gäbe es doch so viele Möglichkeiten, wie man „Zerrissenheit und Oberflächlichkeit“ tatsächlich begegnen könnte.

Was wirklich helfen könnte

Indem man sich zum Beispiel seiner eigenen Beschränktheit und Bedeutungslosigkeit, gleichzeitig aber auch seiner eigenen Großartigkeit und Einmaligkeit bewusst wird. Wenn man beginnt, selbständig und selbstverantwortlich zu denken und zu handeln, statt sich als christliches Schaf von einem Hirten nach längst überholten Moralismen führen zu lassen.

Oder wenn man sich bewusst macht, dass gegen reale Probleme reale Lösungen helfen und keine Gebete zu erfundenen Göttern. Gerade für Jugendliche wären solche Impulse sicher hilfreicher, als wenn ihr Denken mit religiösen Scheinwahrheiten noch zusätzlich vernebelt wird.

Die reale, natürliche Welt ist um Lichtjahre faszinierender, spannender, interessanter und auch tatsächlich erleb- und beobachtbar als jeder brennende Dornbusch und jede erfundene Himmelfahrt.

Weltjugendtag: Erfindung des unheiligen Papstes

Die Weltjugendtage haben ihren Ursprung in einer Initiative von Papst Johannes Paul II., der 1984 zum „Internationalen Jubiläum der Jugend“ nach Rom einlud.

Herr Wojtyła hatte offenbar erkannt, dass die Indoktrination von Kindern und Jugendlichen unverzichtbar ist, um seine Kirche künstlich am Leben zu erhalten. Immerhin in dieser Hinsicht bewies er damit einen gewissen Realitätssinn.

Er, der erst nach seinem Tode (!) das für seine Seligsprechung erforderliche Wunder „vollbrachte“ („Heilung“ der Nonne Marie Simon-Pierre Normand). Das zweite, zur Heiligsprechung noch erforderliche Wunder, „vollbrachte“ er dann am Tag seiner Seligsprechung. Diesmal hatte er sich eine Frau aus Costa Rica zur Fernheilung aus dem Jenseits ausgesucht. Wie war das mit der Bergpredigt? Selig die geistig Armen?

Und trotzdem verlassen die Schafe in Scharen und zu Hunderttausenden die Herde.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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