Wort zum Wort zum Sonntag über Rio, Adveniat und Paulus: Olympiafieber und Olympiaernüchterung

Lesezeit: ~ 4 Min.

Wort zum Wort zum Sonntag über Rio, Adveniat und Paulus: Olympiafieber und Olympiaernüchterung – gesprochen von Benedikt Welter (kath.)

[…] Es gibt da in Brasilien eine andere Art von Wettlauf; das katholische Hilfswerk ADVENIAT und viele Partner hier in Deutschland und drüben im Land engagieren sich da mit vielen Projekten unter der Überschrift „Rio bewegt. Uns“.

Kein Tunnelblick auf das Höher, Schneller, Weiter; sondern ein aufmerksamer Blick auf das „Wirkungsvoller“.

Wenn ein Kirchenvertreter etwas von einem aufmerksamen Blick auf das „Wirkungsvoller“ erzählt, dann drängt sich mir die Frage auf, warum er diesen aufmerksamen Blick nicht auch mal auf die „Wirksamkeit“ seiner eigenen religiösen Wirklichkeitserweiterung richtet.

„Rio bewegt.Uns“ soll mit seinen Projekten das Leben der Menschen vor Ort verbessern; dazu werden auch Partner aus dem großen Sportsbetrieb gesucht.

Adveniat bewahrt vor Aberglaube – und vor Kommunismus

Was motiviert eigentlich die katholische Kirche, das „Leben der Menschen vor Ort“ zu „verbessern“? Eine Kirche, in deren Ideologie doch ein Provinzial-Wüstengott aus der Bronzezeit an oberster Stelle steht? Und nicht etwa die Würde und Freiheit des Menschen?

Reichlich naiv wäre die Vorstellung, es ginge der Kirche tatsächlich vorrangig um das Wohl von Menschen. Auskunft über die ursprüngliche Zielsetzung von ADVENIAT gab der Gründer persönlich. Da sieht die „Lebensverbesserung“ dann so aus:

  • Der Essener Bischof Franz Hengsbach, Ideengeber und dann Chef von Adveniat, sagte kurz nach der Gründung: „Hier geht es darum, dass die Menschen eine innere Mitte aus dem Glauben gewinnen, dass sie bewahrt werden davor, in Aberglauben, in Spiritismus oder gar im Kommunismus abzustürzen.“ (Quelle und weitere Infos: deutschlandradiokultur.de)

Indem die Kirche anderen Menschen hilft, hilft sie also in erster Linie sich selbst. Mit christlichem Aberglauben sollen die Menschen vor anderem Aberglauben bewahrt werden. Nebenbei bemerkt: Ich finde es ganz schön arrogant, die Verehrung eines bestimmten Wüstengottes als Glaube, die Verehrung von tausenden anderen Göttinnen und Göttern aber als Aberglauben zu bezeichnen.

Interessant auch die politische Dimension dieses „Hilfswerks“, die bei der Gründung 1961 offenbar eine nicht unwichtige Rolle gespielt hatte. Noch schlimmer als der Glaube an andere als den eigenen Gott oder an Geister war dann nur wohl noch der Kommunismus.

Und den galt es mit allen Mitteln zu bekämpfen – nicht nur, aber offenbar besonders auch im Lateinamerika der 1960er Jahre. Das dürfte der eigentliche Hauptgrund für die Einrichtung von ADVENIAT gewesen sein – für Bedürftige hatte vorher ja MISEREOR schon gesammelt.

Große Dinger – schmutzige Finger

Es könnten mehr sein, als bis jetzt schon mitmachen. Mir scheint, da gibt mancher gnädig seine Unterschrift auf einer Presseerklärung; und die „Gutmenschen“ von den Kirchen sollen dann ihr Ding machen. Damit das Große Ding ungestört und ohne schmutzige Finger durchgezogen werden kann.

Da werden die Kirchen schon gut aufpassen. Mit dem Durchziehen „Großer Dinger“ ohne „schmutzige Finger“ dürfte es jedenfalls keine Probleme geben.

Die Formulierung trifft es auf den Punkt: Die Kirchen machen ihr Ding. Kein Wunder, dass immer weniger Menschen das unterstützen wollen. Oder auch nur ihren Namen dafür hergeben wollen. Ihnen deswegen pauschal Desinteresse oder Untätigkeit zu unterstellen, erscheint reichlich selbstgerecht, ignorant und überheblich.

Sportler, die zum Beispiel andere Gottheiten als Jahwe verehren oder auch Athleten, die sich von religiösen Wahngedanken schon ganz befreit haben (oder die nie welche hatten), werden sehr wahrscheinlich andere Hilfsorganisationen unterstützen. Solche, bei denen die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen nicht nur ein Nebeneffekt beim Verfolgen eigener Ziele (Verbreitung des Glaubens und Bekämpfung des Kommunismus), sondern die eigentliche Handlungsmotivation ist.

Adveniat liegt im Spenden-Transparenz-Ranking auf Platz 19 und verzeichnet – möglicherweise auch deshalb – seit 20 Jahren sinkende Spendeneinnahmen.

Ich finde klasse, was ADVENIAT und andere da unternehmen mit „Rio bewegt.Uns“.

Ich finde es ebenfalls „klasse“, wenn Menschen geholfen wird. Und den Leuten, denen geholfen wird, dürfte es ziemlich egal sein, welche Ziele die Leute verfolgen, die ihnen helfen. Menschen in Not lassen sich sogar von Kommunisten helfen. Oder von Schamanen.

„Sportsfreund“ Paulus

Das hat was mit meinem alten Sportsfreund, dem Apostel Paulus zu tun:

»Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt! (1 Kor 9, 24) Jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen.

Das sind Momente für die Ewigkeit. Das ist ein unvergänglicher Siegespreis: Wo der Wettkampf auf ein besseres Leben für andere zielt.

Dumm nur, dass es auch in dem Gleichnis von Paulus in erster Linie gar nicht um „ein besseres Leben für andere“ geht. Worum es – auch hier – eigentlich geht, erschließt sich, wenn man den ganzen Text betrachtet, aus dem der vermeintlich zur eigenen Aussage passende Satz herausgepickt worden war.

Direkt vor der Geschichte mit den Wettkämpfern erklärt Paulus ausführlich seine eigentliche Absicht (Hervorhebungen von mir):

  • Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen.
    Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen;
    denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen.
    Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser – nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen.
    Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen.
    Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.

    Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.
    (Quelle: 1 Kor 9, 19-23 EU)

„Gewinnen“ und „retten“ bedeutet hier, Menschen zum vermeintlich „rechten“ Glauben zu bekehren. Diesen Aspekt lässt Herr Benedikt Welter in seiner Verkündigung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen elegant unter den Tisch fallen. Und biegt den Sinn des von ihm aus dem Zusammenhang gerissenen Textteils so um, dass er die gewünschte Aussage zu bestätigen scheint. Und es hat irgendwas mit Sport zu tun. Perfekt. Wird schon niemand nachschauen, was eigentlich gemeint ist. Image ist alles.

Alles für den Club…

Der „unvergängliche Siegeskranz“, den Paulus für erfolgreiche Akquise in Aussicht stellt, ist die Illusion einer postmortalen Belohnung durch einen fiktiven Gott. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.

Auch wenn es Herr Benedikt Welter vermutlich anders gemeint haben dürfte: Der gewählte Bibeltext hat tatsächlich etwas mit ADVENIAT zu tun. Sowohl bei ADVENIAT, als auch bei Paulus ist das mitmenschliche Engagement in Wirklichkeit Mittel zum kirchlichen (Selbst-)Zweck.

Trotzdem lässt sich auch daraus ein „Wort zum Sonntag“ zusammenschustern, bei dem die (weltliche) Sportwelt als tendenziell dubios und böse, die katholische Kirche aber als völlig selbstlos und höchst moralisch erscheint. So kann man sich (und andere) täuschen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Wort zum Sonntag.
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