Das Wort zum Wort zum Sonntag: Nicht okay!

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Das Wort zum Wort zum Sonntag: Nicht okay!, verkündigt von Christian Rommert, veröffentlicht am 14.10.2016 von ARD/daserste.de

Wie sollten sich Männer Frauen gegenüber heutzutage verhalten? Herr Rommert (ev.) muss zur Beantwortung dieser Frage auf eine vormittelalterliche Mythen- und Legendensammlung zurückgreifen.

[…] Und eigentlich weiß ich doch, dass es immer mit Worten und Gesten und anzüglichen Kommentaren anfängt. Oder anders gesagt: zuerst sind es Gedanken, dann sind es Worte, dann folgen Taten.

Genau auf diese Dynamik weist auch Jesus einmal hin.*

Vorweg: Mit dieser Behauptung und seinen weiteren Ausführungen suggeriert Herr Rommert, es würde sich dabei tatsächlich um Aussagen eines realen Jesus handeln. Der biblische Jesus Christus ist eine literarische Kunstfigur, die mit dem möglicherweise historisch belegbaren Jesus von Nazaret höchstens den Namen gemeinsam hat.

Von den Aussagen dieses Jeschua ben Josef, wie er eigentlich hieß, existieren keine zeitgenössischen schriftlichen Überlieferungen. Und so gut wie keine außerbiblischen Erwähnungen.

Die Inhalte der so genannten „Bergpredigt“ haben anonyme Autoren ihrem Jesus in den Mund gelegt. Wenn also der biblische Jesus mal auf etwas hinweist, dann hat das bestenfalls die Bedeutsamkeit einer Legende. Also wie wenn zum Beispiel Zeus auf etwas hinweist. Oder Aphrodite.

Als er während einer Predigt auf das Thema Sex zu sprechen kommt.

Da wird er ungewohnt scharf. Vor ihm sitzen – wie damals üblich – vor allem: Männer. Ihnen sagt er: „Ihr kennt das Gebot: ‚Du sollst nicht ehebrechen‘. Ich aber sage Euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen. Darum: wenn Dich Dein rechtes Auge zum Bösen verführt, so reiß es aus und wirf es von Dir. Und wenn Dich Deine Hand zum Bösen verführt: Hack sie ab!“

Harte Worte, die keinen Zweifel daran lassen, was Jesus sagen will: Nein, es ist nicht okay, wie abfällig oder gierig Männer Frauen manchmal anschauen.

Es dürfte nicht allzu schwer zu erkennen sein, dass „nicht okay“ etwas anderes ist als Bestrafungen wie selbst ausgerissene Augen und abgehackte Hände. Erwartungesgemäß fehlt auch die Angabe des Grundes, warum man sich mit solchen vergleichsweise unangemessen drastischen Maßnahmen bestrafen sollte.

Nicht etwa aus Anstand oder aus Respekt der Frauen gegenüber. Sondern um sich selbst vor ewiger Bestrafung durch Höllenqualen zu beschützen (Hervorhebung von mir):

  • Wenn dich deine rechte Hand zum Abfall verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre. (MT 5,30 LUT)

Die aus heutiger Sicht völlige Unverhältnismäßigkeit zwischen Vergehen und der von Jesus geforderten Bestrafung findet sich auch noch in weiteren Stellen, zum Beispiel hier (Hervorhebung von mir):

  • Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig. (Mt 5, 22 LUT)
  • Denn Gott hat geboten (2.Mose 20,12; 21,17): »Du sollst Vater und Mutter ehren; wer aber Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben.« (Mt 15, 4 LUT)

Nicht okay – aber warum?

Nein, es ist nicht okay, wie Männer manchmal über Frauen reden. Nein, es ist nicht okay, wenn Männer Frauen einfach anpacken.

Stimmt. Ist es nicht. Aber nicht, weil mal der Held einer vormittelalterlichen Legende postmortale Bestrafung durch zeitlich unbegrenzte Höllenqual angedroht hat. Sondern weil es unseren modernen ethischen Standards entspricht, dass sich Männer Frauen gegenüber respektvoll verhalten sollen.

Trotz der unverhältnismäßigen biblischen Androhungen bei Fehlverhalten ist das katastrophale biblisch-christliche Frauenbild bis heute nicht überwunden. Denn auch zur Rechtfertigung des christlichen Patriarchiats finden sich mehr als genug Bibelstellen, die die untergeordnete Stellung der Frau unmissverständlich klar machen, hier nur einige von vielen Beispielen:

  • Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie sich’s gebührt in dem Herrn. (Kol 3, 18 LUT)
  • Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen. Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden. (1. Kor 14, 33-35 LUT)
  • Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen. (Eph 5, 22-24 LUT)

Auch diese und viele weitere Stellen mit ähnlicher Gesamtaussage bietet die Bibel. Und diese wiederum gilt bei Bedarf (zumindest in der katholischen Kirche) als vollumfänglich von Gott geoffenbarte und sicherheitshalber trotzdem auch noch dogmatisch unveränderlich festgelegte Wahrheit.

Die Bibel: Quelle für jede beliebige Sichtweise

Der oft geäußerte Einwand, das aus heutiger Sicht das Alte Testament mit seinem furchtbaren Frauen-, Menschen- und Gottesbild sei durch das Neue Testament aufgehoben, lässt sich bei Bedarf mit folgendem angeblichen Jesuszitat entkräften:

  • Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. (Mt 5, 18 LUT)

Kurzum: Die Bibel ist eine völlig beliebig ausleg- und interpretierbare Mythen- und Legendensammlung aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter. Die Aussagen darin taugen nicht als Grundlage für eine moderne Ethik der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert. Schon allein deshalb, weil an oberster Stelle nicht die Würde und Freiheit des Menschen, sondern ein erfundener Gott steht. Ein Gott, der, wie alle anderen Gottheiten auch, noch niemals seriös belegbar in Erscheinung getreten ist.

Die biblischen Texte waren verfasst worden, um ein kleines, überwiegend isoliert lebendes, primitives Wüstenvolk leichter zu führen und um in der Folge auf Grundlage der jüdischen Glaubenslehre eine staatskompatible Religion zu erschaffen.

Jesus hatte nicht die Absicht, eine Religion zu gründen. Seine Anweisungen galten lediglich seinen Glaubensbrüdern und -schwestern, die er auf die vermeintlich unmittelbar bevorstehende Ankunft seines Gottes vorbereiten wollte. Mit seiner grundlegenden Aussage hatte sich Jesus somit geirrt.

Respektvoller Umgang, der Mitmenschen wegen

Nicht, weil sich in der einzigen schriftlichen Grundlage einer Religion ein entsprechender Satz findet, der sich mit ausreichender Kreativität entsprechend umdeuten lässt, ist es „nicht okay“, sich Frauen gegenüber respektlos zu verhalten.

Sondern weil die Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer modernen Gesellschaftsordnung verankert ist. Als einer von vielen Werten, die gegen den erbitterten Widerstand des Christentums durchgesetzt werden mussten.

In einer Zeit, in der Menschen mit unterschiedlichen religiösen Vorstellungen zusammenleben, sollte es eigentlich auf der Hand liegen, dass die Regeln für das Zusammenleben dieser Menschen nicht auf der Gottesvorstellung einer dieser Religionen basieren können. Eine moderne Ethik muss für alle Menschen verpflichtend sein können. Und zwar unabhängig davon, welche Götter, Geister oder Gottessöhne diese verehren. Oder auf welche alten Schriften sie sich berufen.

Diese Notwendigkeit zeigt sich in Anbetracht von Globalisierung mehr denn je.

Was können wir sonst noch tun? Wir können unsere Söhne sensibilisieren, dass sie Stopp sagen zu Gedanken und zu Worten durch die Frauen abgewertet werden, so wie Jesus es fordert.

So wie Jesus es fordert? Wir sollen also unseren Söhnen sagen, dass sie sich ein Auge ausreißen sollen, nachdem sie beim Erblicken einer Frau erotische Gedanken hatten? Weil das Auge schuld daran war? Und weil sie sonst in die Hölle geworfen werden?

Wäre es nicht viel einleuchtender, sinnvoller und realistischer, einen respektvollen, fairen Umgang mit den Mitmenschen zu fordern – und zwar der Mitmenschen wegen?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

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