Gedanken zu NACHGEDACHT 201 zum Thema Engel: Von Teufeln und Engeln…

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu NACHGEDACHT 201: Von Teufeln und Engeln…, Originalartikel zum Thema Engel verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 13.11.16 von Osthessennews

[…] Dieser letzte Gang, dieses letzte Weggeleit erzeugte in mir Angst und Kummer. Denn die liebe Verstorbene allein in die tiefe dunkle Erde gehen lassen, ist ein weiterer Schritt, den ein Trauernder aushalten muss. Auch wenn mein Glaube mich die letzten Tage getragen hat, fühlte ich mich doch auch sehr verloren.*

Worin genau bestand die Angst? Angst wovor? Hinterbliebene müssen den Verlust des geliebten Menschen aushalten, keine Frage. Aber hier ist ja ausdrücklich die Rede von Angst. Ist es die Angst vor dem eigenen Tod? Oder Angst vor der Ungewissheit?

Gleichzeitig gibt die Autorin aber an, dass ihr Glaube sie getragen habe. Das erscheint insofern paradox, weil es ja eben diese christliche Lehre ist, die von der menschlichen Angst vor dem Tod lebt.

Angst – wovor?

Würden die Menschen den Tod als das völlig natürliche und (wohl auch noch bis auf Weiteres) unumkehrbare Ende jeden Lebens akzeptieren, bräuchte sich niemand vor dem Tod zu fürchten. Und niemand bräuchte mehr die hoffnungsvolle Illusion eines Jenseits, wie sie die Kirche verspricht. Ein Jenseits, das allerdings nicht nur eine hoffnungsvolle Illusion ist. Sondern bei genauerer Betrachtung ein bizarres Gedankenkonstrukt. Eines, das einem tatsächlich Angst einjagen kann:

Da wartet also ein überirdisches Wesen, das noch niemals irgendwie seriös beleg- und nachweisbar in Erscheinung getreten ist. Obwohl dieses Wesen allmächtig und allgnädig sein soll, hat es die Menschen so erschaffen, dass sie auch Fehler machen können. Stirbt ein Mensch, existiert seine „Software“, also seine Persönlichkeit, sein Charakter, seine Lebensgeschichte in Form einer „Seele“ weiter. Diese Seele repräsentiert den Menschen, sein Leben. Und diese Seele, bzw. nach katholischer Auffassung auch der Leib zum Todeszeitpunkt, wird nun entweder direkt mit ewiger Höllenqual bestraft. Wenn Gott das nach seinen unbekannten Maßstäben so beschließt. Oder der Tote wird so lange im Fegefeuer gequält, bis er sich doch noch für die Liebe Gottes entscheidet. Oder wenn genug noch lebende Menschen für ihn gebetet haben. Solange er sich nicht für Gott entscheidet oder nicht genug für ihn gebetet wird, wird er gequält. „Bedingungslose Liebe“ sieht wahrlich anders aus. Nur unter ganz besonderen Umständen erreichen Seelen direkt die ewige Herrlichkeit, was aber so gut wie ausgeschlossen ist.

Liest man sich den letzten Abschnitt ohne religiöse Verblendung durch, so könnte man erkennen, dass solche Ideen in der Mythen- und Märchenwelt angesiedelt sind. Erdacht von Menschen, für Menschen. Der hoffnungsvollen Illusion steht die Bedrohung der ewigen Verdammnis gegenüber. Wer sowas glaubt, kann tatsächlich Angst bekommen vor dem Tod. Umso erstaunlicher, dass die Autorin trotzdem ihren Glauben als etwas beschreibt, was sie getragen habe.

Engel – oder Menschen?

Und nach der Kirche, oben am Friedhof, waren sie alle da, diese Engel. Sie kamen in Erscheinung der Nachbarn, der Freunde, der Familie und der Bekannten meiner Oma.

Die Nachbarn, Freunde der Familie und die Bekannten der Oma waren keine Erscheinungen. Sie waren leibhaftig, physisch anwesend. Wäre „liebe Mitmenschen“ nicht die viel bessere Bezeichnung für diese Menschen, als sie (sprachlich) zu Engeln zu machen? Diese Menschen waren von sich aus gekommen. Von keinem Gott geschickt.

[…] Und der Anblick dieser – in meinen Augen – Engel veranlasst mich zu einer weiteren Aussage: Solch eine Gemeinschaft, zu der Menschen fähig sein können, ist der Rettungsanker im Leben.

Die katholische Vorstellung von Engeln

Engel TeufelGanz genau: Gemeinschaft. Menschen. Keine Engel. Und auch keine Teufel. Die „Natur“ dieser Wesen legt die katholische Kirche wie folgt dogmatisch, also unabänderlich und unbedingt wahr fest:

  1. Die Seelen, die im Stande der Erbsünde aus dem Leben scheiden, sind von der beseligenden Anschauung Gottes ausgeschlossen.***
  2. Gott erschuf am Anfang der Zeit geistige Wesen (Engel) aus nichts.
  3. Die Natur der Engel ist geistig.
  4. Die bösen Geister (Dämonen) wurden von Gott gut erschaffen; sie wurden durch ihre eigene Schuld böse.
  5. Die sekundäre Aufgabe der guten Engel ist der Schutz der Menschen und die Sorge für ihr Heil.
  6. Der Teufel besitzt auf Grund der Sünde Adams eine gewisse Herrschaft über die Menschen.

Inhuman, absurd, bizarr, beängstigend: Himmel und Hölle

Und die Vorstellung des Jenseits ist nach katholischer Lehre wie folgt als zu glaubende Tatsachen festgelegt:

  1. Der Tod ist in der gegenwärtigen Heilsordnung eine Straffolge der Sünde.
  2. Alle erbsündigen Menschen sind dem Gesetz des Todes unterworfen.
  3. Die Seelen der Gerechten, die im Augenblick des Todes von aller Sündenschuld und Sündenstrafe frei sind, gehen in den Himmel ein.
  4. Die himmlische Seligkeit dauert in alle Ewigkeit.
  5. Der Grad der himmlischen Seligkeit ist bei den einzelnen Seligen verschieden je nach dem Grade ihrer Verdienste.
  6. Die Seelen derer, die im Zustand der persönlichen schweren Sünde sterben, gehen in die Hölle ein.
  7. Die Höllenstrafe dauert in alle Ewigkeit.
  8. Die Seelen der Gerechten, die im Augenblick des Todes noch mit lässlichen Sünden oder zeitlichen Sündenstrafen belastet sind, gehen in das Fegfeuer ein.
  9. Am Ende der Welt wird Christus in Herrlichkeit wiederkommen zum Gericht.
  10. Alle Toten werden am Jüngsten Tage mit ihren Leibern wieder auferstehen.
  11. Die Toten werden mit (numerisch) demselben Leib auferstehen, den sie auf Erden getragen haben.

Ich fände es wirklich interessant, von der Autorin zu erfahren, wie ein Glaube an solche Hirngespinste, die ich nicht anders als absurd und inhuman bezeichnen kann, in irgendeiner Art bei der Bewältigung der Realität helfen kann. Oder, falls sie das gar nicht glauben sollte, warum sie sich dann noch der katholischen Kirche zugehörig fühlt.

Denn die Kirche behauptet nicht nur solche abstruse Gedanken. Sie verlangt von ihren Anhängern, dass diese Dogmen geglaubt werden. Eigentlich. In Wirklichkeit ist es der Kirche völlig egal, wie sich Menschen ihren Privatglauben nach ihren persönlichen Wünschen und Ängsten zusammenbasteln. Oder ob sie überhaupt noch etwas glauben. Hauptsache, sie treten nicht aus der Kirche aus. Und Hauptsache, sie vererben ihren Glauben an ihre Nachkommen. Zum Erhalt der Heiligen Kirche.

Umgang mit Tod aus humanistischer Sicht

Und stelle den Dogmen der katholischen Kirche nochmal einen Auszug aus dem Artikel von letztem Sonntag gegenüber. In den „Humanistischen Grundsätzen“ des HVD heißt es:

  • Der Humanismus behauptet keine Allmachtstellung des Menschen. Der Umgang mit Scheitern, Krankheit, Alter, Leid und Tod gehört zum Leben. Humanisten hoffen auf Trost in menschlicher Verbundenheit und auf mitmenschliche Hilfe in der Stunde der Not. Humanisten haben verstanden, dass ein Leben in Einsamkeit nicht auf Dauer gelingen kann.
  • Säkulare Humanisten gehen davon aus, dass Geist und Bewusstsein des Menschen mit dem Tod seines Gehirns unwiderruflich enden. Dieser
    existentiellen Zumutung stellt sich der säkulare Humanismus, ohne sich ins Metaphysische zu flüchten.
    (Quelle: HVD: Humanistische Grundsätze)

Interessanterweise geht die Autorin in ihrem heutigen Beitrag nicht näher darauf ein, inwiefern sie ihr Glaube in der schwierigen Situation getragen hat. Vielmehr geht aus ihrer Schilderung für mich hervor, dass es eben die Menschen waren, die ihr beigestanden und die sie unterstützt haben. Die bizarre und tatsächlich beängstigende Vorstellung des von Menschen erfundenen Jenseits ist hinfällig.

Die Vorstellung, dass das Leben mit dem Tod endet, halte ich für wesentlich tröstlicher als eine künstlich erzeugte Ungewissheit und Abhängigkeit von der angeblichen Gnade Gottes bis über den Tod hinaus. Denn ob eine Ewigkeit nun herrlich oder qualvoll ist – furchtbar wäre sie so oder so. Wofür also noch an solchen Hirngespinsten festhalten?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.
**Wir haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.
***Quelle: “Grundriss der Katholischen Dogmatik” von Ludwig Ott

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