Bischof Dr. Franz Overbeck und seine unfreiwillige Selbstkritik

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Bischof Dr. Franz Overbeck brachte eine wohl formulierte Selbstkritik – vermutlich unbeabsichtigt –  in seiner Weihnachtspredigt 2016 auf den Punkt:

Selbst für die krudesten Überzeugungen und das inhaltsloseste Gerede lassen sich mit Leichtigkeit Anhänger finden, wenn der Wortführer selbstgefällig genug auftritt und die passende Stimmung trifft.*

Bischof Dr. Franz Overbeck

Was von Herrn Overbeck wahrscheinlich als eine Kritik an Populismus, „Fake News“ und „Postfaktizismus“ gemeint war, lässt sich freilich auch wortwörtlich auf klerikale Wortführer wie ihn anwenden.

Dass es indes offenbar doch nicht mehr ganz so leicht ist, Anhänger für krude religiöse Überzeugungen und das zwangsläufig inhaltslose Gerede darüber zu finden, belegt die erfreuliche Entwicklung der Kirchenaustrittszahlen.

Wenn die Behauptung von Herrn Overbeck stimmt, dann trifft dieses Gerede offenbar nicht mehr die passende Stimmung. An mangelnder Selbstgefälligkeit der klerikalen Wortführer kann es jedenfalls nicht liegen.

Paradox: Overbeck gibt Tipps zum Umgang mit der Wirklichkeit

Manchmal kann die Ironie geradezu schmerzen. Etwa wenn man es mit religiösen Verkündern zu tun hat, die sich augenscheinlich von jeglicher Realität befreit zu haben scheinen.

Zum Beispiel dann, wenn jemand wie Herr Overbeck, der noch an Götter und Geister glaubt, meint, Rezepte verraten zu können, um mit der komplexten Wirklichkeit zurechtzukommen:

Ein gutes Rezept, um mit der komplexen Wirklichkeit zurechtzukommen: Sorgfältig die Grenze einhalten zwischen Berichten, Kommentieren, Aufklären und Belehren – und das sowohl im persönlichen Gespräch als auch in der öffentlichen Wortmeldung.

Herr Bischof Overbeck hält genau diese Grenze bewusst und permanent eben nicht ein. Und vermischt stattdessen nach Herzenslust seine religiösen Hirngespinste mit der irdischen Wirklichkeit:

Gott wird in Jesus Mensch unter uns, um uns mit seinem Wort ganz nah zu kommen.

Herr Bischof Overbeck gibt also vor, etwas zu wissen, was er nicht wissen kann. Er behauptet Dinge, die sich Menschen nur ausgedacht haben, als handle es sich dabei um Tatsachen. Das ist eine mehr als krude Überzeugung. Und entsprechend inhaltslos ist das Gerede darüber. Also genau das, was Herr Overbeck bei anderen kritisiert.

Was in einer vormittelalterlichen Legende unklaren Ursprungs behauptet wird, ist alles andere als eine plausible Grundlage für irgendwelche Aussagen über die natürliche, irdische Wirklichkeit.

Warum empfiehlt Herr Overbeck das kritische Hinterfragen, hält sich aber gleichzeitig selbst nicht daran, wenn es um seine eigenen Behauptungen geht? Ist ihm wirklich nicht bewusst, dass dieser Schuss gründlich nach hinten losgegangen ist? So ignorant kann man doch eigentlich nicht sein? Sollte man meinen…

Angemaßte Kompetenz

Doch damit nicht genug. Als wäre die völlig religiös vernebelte Selbstwahrnehmung nicht schon lächerlich und absurd genug, erklärt Overbeck anschließend noch ausgerechnet die Kirche als komeptent, einen Gegenentwurf zu einer Gesellschaftsordnung anbieten zu können:

Davon unberührt bleibt aber unsere Kompetenz, einer Gesellschaftsordnung, in der ökonomische Ziele immer mehr zum Selbstzweck werden, einen Gegenentwurf anzubieten zugunsten der Rechte und der Achtung aller Menschen und damit auch für die Freiheit, besonders aber die Religionsfreiheit aller.

Ein jeder mag sich seine Welt zusammenspinnen, wie sie ihm gefällt und wie er am besten damit klar kommt. Religionsfreiheit ist in unserer Gesellschaftsordnung, die hier kritisiert wird, festgeschrieben. Dies ist nur eine der vielen Errungenschaften von Aufklärung und Säkularisierung, die gegen den erbitterten Widerstand der Kirche durchgesetzt werden mussten.

Diese Gesellschaftsordnung ist es, die auch Menschen wie Herrn Overbeck es ermöglicht, die noch so krudesten Überzeugungen zu vertreten. Und alles zu verkünden, was ihnen dazu einfällt. Völlig egal, wie absurd, irreal, arrogant oder realitätsfern das auch immer sein mag. Und die es anderen Menschen genauso ermöglicht, ihre Meinung dazu kundzutun.

Denn eben diese unsere Gesellschaftsordnung ist es, in der die Würde und Freiheit des Menschen an oberster Stelle stehen. Und kein erfundenes überirdisches Wesen, wie in der fiktiven christlichen Scheinwirklichkeit. Das Un- und Andersgläubige mit Bestrafung durch ewige Höllenqualen bedroht.

Wer für sich die Kompetenz beansprucht, einen Gegenvorschlag zu unserer Gesellschaftsordnung im 21. Jahrhundert bieten zu können, kann sich dabei redlicherweise nicht gleichzeitig noch auf Wüstengötter aus der Bronzezeit berufen. Oder auf deren Söhne.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus der eingangs genannten und verlinkten Veröffentlichung von waz.de. Meme: Facebook
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