Fundstück der Woche: Religiöser Einfluss auf die Gesellschaft

Lesezeit: ~ 4 Min.

In einem Facebook-Post analysiert Timor Kodal den Einfluss von Weltreligionen auf die moderne Gesellschaft und erläutert, warum die Welt seiner Meinung nach ohne diese Einflussnahme besser dran wäre.

Hier Ein Repost des Beitrages mit freundlicher Genehmigung des Verfassers:

Kirchenglocken

Als Atheist bzw Agnostiker freue ich mich über jedes Gotteshaus, von dessen Marketingmaßnahmen ich verschont bleibe. Somit betrachte ich es generell als übergriffig, Anwohner und Passanten ungefragt mit regelmäßigen Gebetsaufforderungen zu beschallen.

Dies trifft auch aufs Kirchengeläut zu, das im Grunde eine sehr ähnliche Form der Lärmbelästigung darstellt wie der Ruf des Muezzins. Beim Glockenläuten werden aber immerhin keine Verse religiöser Einflussnahme oder Selbstherrlichkeitsfloskeln intoniert — ein wie ich finde signifikanter Unterschied.

Religiöse Lärmverschmutzung

Insgesamt sollten alle Formen der religiösen Lärmverschmutzung im öffentlichen Raum auf das absolute Minimum reduziert werden. Ich wünsche mir in einer säkularen Ordnung weniger statt mehr religiösen Einfluss auf das gesellschaftliche Miteinander. Glockengeläut zu bestimmten Feiertagen, zu Weihnachten oder an Ostern: Ok. Und wenn der Muezzin zum Opferfest oder zu Beginn des Ramadans unbedingt herumkrakeelen muss: Meinetwegen.

Wenn man es aber Glaubensgemeinschaften zubilligt, öffentliche Aufrufe zu tätigen, muss das generell für alle Weltanschauungen gelten. Und dies kann wiederum schnell in einer Kakophonie münden, wenn ständig irgendwo jemand lauthals öffentlich Zeugnis über seine erfolgreiche weltanschauliche Indoktrination ablegen darf. Wenn man es einer religiösen Gruppierung gestattet, den öffentlichen Raum mit Glaubensbekenntnissen zu penetrieren, muss das im Grunde genommen für alle Weltanschauungen gelten.

Religion: Privatsache

Religion ist jedoch Privatsache und muss dies auch bleiben und der öffentliche Raum ist möglichst von derlei Botschaften frei zu halten; auch und gerade weil vor allem die drei abrahamitischen Religionen allesamt ihr anti-emanzipatorisches Dominanzbestreben hinreichend bewiesen haben. Im historischen Wettstreit der Religionen haben sich diejenigen behauptet, die ihren Herrschaftsanspruch besonders rücksichts- und kompromisslos verbreiten konnten.

Vor diesem Hintergrund ist der pathologisch anmutende Expansions- und Geltungsdrang von Islam, Christentum und Judentum zwar nachvollziehbar, macht ihn aus emanzipatorischer Perspektive aber keineswegs besser. Wäre es den Anhängern dieser Religionen nicht gelungen, ihre Glaubensgrundsätze effektiv und nachhaltig zu verbreiten, gäbe es sie schlicht heute nicht mehr. Sekten und Religionen nutzen dabei stets ein urmenschliches Bedürfnis nach Spiritualität, um daraus Macht- und Kontrollstrukturen abzuleiten und diese zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Hauptsache gottgefällig

Im Angebot haben sie nicht weniger (aber auch nicht mehr) als Collagen ideologischer Versatzstücke, mehr oder weniger zielführende Verhaltensregeln, kultische Handlungen und Traditionen, die sie sich allzu häufig von anderen – im Kampf der Kulturen unterlegenen – Glaubensgemeinschaften angeeignet und vereinnahmt haben.

Das Vorliegen stimmiger, bindender und exklusiver Grundsätze für ein glückliches und „gottgefälliges“ Menschenleben beansprucht dabei nahezu jede Glaubensgemeinschaft für sich.

Und weil sie zugleich jeden objektiv nachvollziehbaren Nachweis der Richtigkeit ihres Gottesbegriffs schuldig bleiben, sind sie allzu häufig darauf angewiesen, ihre fiktiven Narrative durch Nötigung, Manipulation und Zwang zu verbreiten und gewaltsam aufrecht zu erhalten.

Verbreitung mit dem Schwert, nicht mit Argumenten

Dass ausgerechnet die blutigsten und autoritär geprägtesten Religionen heute noch existieren, erscheint vor diesem Hintergrund folgerichtig, denn übrig geblieben sind von einst hunderten Gottheiten und Gemeinschaften vorrangig diejenigen, die sich darauf verstanden, die übrigen Mitbewerber erfolgreich zu verdrängen.

Plakativ ausgedrückt: Die Anhänger von Islam, Judentum und Christentum waren schlicht verschlagener, grausamer und/oder beharrlicher bei der Missionierung und Verbreitung ihrer jeweiligen Weltanschauungen und Gottesbotschaften als die Anhänger der vorherigen Natur-Religionen und haben sie genau aus diesem Grund überlebt.

Viele von uns würden heute noch an Thor, Odin und Freya, Jupiter oder Zeus glauben, wenn diese nicht von Jahwe, Jesus, Allah, Mohammed, Abraham und Co. vom Thron gestoßen worden wären — durch Unterdrückung, Zwang und Marginalisierung.

Meine steile These lautet somit:

Um glücklich zu sein oder gute Dinge zu tun, braucht der Mensch keinen Gott.

Dieser bietet denjenigen, die an ihn glauben möchten, bestenfalls eine leere Hülle für das eigene Leben; wie ein Glas, das jeder Gläubige mit seiner Lebenszeit füllt und auf dessen Innenseite er sich im besten Falle selbst (und nur sich selbst) spiegeln kann. Wenn Menschen finden, dass sie diesem Glas/Konstrukt einen Namen geben und/oder es als Gottheit anbeten möchten: Meinetwegen.

Letztlich entspringt jeder Gottesglaube jedoch einem narzisstischen Impuls. Wer an Gott glaubt, wäre gern größer und mächtiger und projiziert diesen Anspruch auf eine fiktive höhere Instanz.

Wer dies aus eigener Entscheidung tun möchte, dem sei dies gewährt. Aber bitte im Privaten. Aus dem öffentlichen Raum haben alle Religionen zurückzutreten und sich einer weltlichen Ordnung zu unterwerfen.

Religiöse Indoktrination – ab Geburt

Wer Religion – wie eine wachsende agnostische Mehrheit – für sich ablehnt, möge bitte nicht durch Missionierungsversuche und Gebetsaufrufe belästigt werden, so wie die großen Weltreligionen es allzu gerne tun. Diese beginnen bereits frühzeitig im Kindesalter mit der religiösen Prägung, Bevormundung und Indoktrination ihrer Nachkommen, um ihre weltanschauliche Deutungshoheit zu festigen und zu konservieren.

Koranschulen, Bibelstunden und ähnliche Events dienen letztlich der Gehirnwäsche und dem Zweck, alle Anhänger auf eine gemeinsame Linie zu trimmen. Taufen, Beschneidungen und ähnliche Rituale dienen wiederum der Markierung der Nachkommen als zur eigenen Gruppe zugehörig. Dies ist nichts, worauf die Religionen stolz sein dürfen.

Allenfalls Anspruch auf Duldung

Im Gegenteil: Religionen haben allenfalls einen Anspruch darauf, geduldet zu werden. Mehr nicht. Wir Menschen haben zudem erkennbar Wichtigeres zu tun als imaginierte Projektionen unserer selbst anzubeten.

Wir haben durch den Verlauf unserer bisherigen Zivilisationsentwicklung eine große Verantwortung für einen Planeten übernommen, den wir im eigenen Interesse retten müssen. Dabei helfen uns Gott, Jahwe und Allah herzlich wenig, weil diese, ganz Projektion unserer selbst, stets zu sehr auf sich fixiert waren und sind.

In diesem Sinne sind die drei „alten weißen Männer“ in ihrer an den Tag gelegten selbstgerechten Renitenz maßgeblich mitverantwortlich für viele Probleme in unseren Gesellschaften.

Deswegen: Weg mit dem Ballast! Nicht beten, sondern das Leben selbst in die Hand nehmen und durch eigene Taten die Welt zu einem etwas besseren Ort machen. Darauf zu hoffen, dass eine höhere Instanz über uns wacht und zu unseren Gunsten eingreift, ist gleichermaßen naiv wie gefährlich.

Fest steht: Gott existiert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Dafür spricht auch der bis zum heutigen Tage fehlende Gottesbeweis, den die Buchreligionen seit vielen Jahrhunderten dröhnend in Aussicht stellen, aber nie liefern.

Das eigene Leben selbst übernehmen

An Gott zu glauben ist aus meiner Sicht in etwa so zielführend wie an einer Lotterie teilzunehmen, die viel Geld kostet, süchtig macht und an der Millarden Menschen seit vielen Jahrhunderten zu ihrem erkennbaren Nachteil teilnehmen und bei der klägliche Gewinne nur an einige wenige Privilegierte ausgeschüttet werden.

Kaum ein vernünftig denkender Mensch würde solch ein Casino betreten, aber den großen Weltreligionen gelingt es trotzdem weiterhin, Menschen in ihre Abhängigkeit zu bringen, indem sie ihren Nachwuchs möglichst frühzeitig manipulieren und indoktrinieren.

Jeder Gläubige sollte daher innehalten und sich gut überlegen, ob er bei diesem Spiel mitmachen und es wider jeder Empirie und Evidenz riskieren sollte, einen Gott anzubeten, der letztlich nur eine Projektion menschlicher Selbstüberschätzung darstellt. Ich denke nein.

Besser wäre es imho, sich von solchen Projektionen zu emanzipieren und die Verantwortung für das eigene Leben keiner imaginierten höheren Instanz zuzuschieben, sondern in Gänze selbst zu übernehmen. Diese Welt wäre ohne die großen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam ein besserer Ort. Davon bin ich überzeugt.

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