„Wir lachen das!“ – das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

„Wir lachen das!“ – das Wort zum Wort zum Sonntag, gesprochen von Lissy Eichert (kath.), veröffentlicht am 18.2.2017 von ARD/daserste.de

Morgen um 11 Uhr 11 geht er los, der Karnevalszug. Vorneweg der Berliner Erzbischof.

Wir lachen das
Quelle: motifake.com

Mein erster Gedanke: Praktisch, da braucht er sich gar nicht zu verkleiden 🙂

Mein zweiter Gedanke: So schlimm steht es schon um die katholische Kirche, dass sie es nötig hat, ein alles andere als katholisches Fest wie einen Karnevalszug für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Wie auch immer – im Karneval ist alles erlaubt. Und alle sind willkommen – auch Männer mit lustigen Hüten oder in Frauenkleidern.

Natürlich stellen es Kirchenvertreter heute gerne so dar, als seien die Karnevalsriten quasi kirchliche Erfindungen. Und legitimieren so ihre Teilnahme an diesen.

Dass Karneval ursprünglich nichts mit der katholischen Kirche zu tun hat, stört sie dabei nicht weiter. Aber mit der Geschichte nehmen sie’s ja sowieso nicht so genau, wenn mal was nicht ins Wunschbild passt…

Er wird die Närrinnen und Narren, bevor sie losmarschieren, segnen.

Das wiederum passt natürlich schon gut zusammen. Denn schließlich ist ein göttlicher Segen genauso Kokolores wie ein Karnevalszug. Wobei aus klerikaler Sicht ein Segen ja eine durchaus ernste Angelegenheit sein soll. Nichts zum Lachen.

Während sich die Karnevalisten bevorzugt über die „Obrigkeit“ lustig machen, behaupten Klerikalisten, dass durch eine Verumglimpfung ihrer Scheinwirklichkeit der öffentliche Frieden gefährdet werden könne. Was als Grund angegeben wird, Blasphemie auch heute noch strafrechtlich verbieten zu müssen.

Über Faschingsprinzen oder über die Verunglimpfung von Politikern lachen: Erlaubt. Über Gottesdiener und ihren Umgang mit der Wirklichkeit lachen: Äußerst kritisch.

Katholisches Design

Außerdem passt Karneval gut ins „katholische Design“, weil: Katholisch heißt universal, weltumfassend.

Hier kollidieren einmal mehr religiöser Wunsch und irdische Wirklichkeit miteinander. Oder mit anderen Worten: Der Schein trügt. Denn Katholisch heißt zwar übersetzt allumfassend, universell. In Wirklichkeit ist Katholisch aber partikularistisch, abgrenzend: Wir, die Gläubigen, sind die Guten. Gottes auserwähltes Volk. Die Un- und Andersgläubigen müssen entweder bekehrt oder vernichtet werden.

Wobei der größte Teil der Herde und ihrer Hirten auf Letzteres dank Aufklärung und Säkularisierung heute netterweise verzichtet. Klar, man wäre gerne allumfassend, universell. Was man auch nach knapp 2000 Jahren nicht ist. Im Gegenteil. Gerade in Berlin, aber auch andernorts ist das Christentum gerade dabei, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Denn römisch-katholisch ist in erster Linie, wer in eine solche katholische Umgebung hineingeboren wurde. Eine Umgebung, die in den allermeisten Fällen in der Folge eines Krieges oder einer politischen Entscheidung katholisch geworden war. Offenbar hatte man damals die eigene Schlagkraft maßlos überschätzt, als man beschloss, sich „universal, weltumfassend“ zu bezeichnen.

Freude und Leid liegen nah beieinander. […] Und dann provoziert ein Karnevalszug. In Berlin beginnt er mit einem Segen. So ein Segen ist wie eine Klammer, die mein Fragen nach dem Warum?, die Freudentränen wie die Trauerkerzen, verbindet.

So ein Segen ist eine bestenfalls hoffnungsvolle Illusion. Er ändert nichts daran, dass Freud und Leid geschehen. Weil kein allmächtiger Gott irgendetwas nachweislich anders geschehen lässt, wenn er um einen Segen gebeten wurde.

Oder wenigstens mal begründet, warum er als angeblich allmächtiger, allgütiger Gott nichts gegen das Leid und Elend unternimmt. Ein Segen beantwortet keine Fragen. Die vermeintliche Antwort Gottes ist ein von Menschen konstruierter (Selbst-)betrug.

Himmel und Erde

Im Segen bietet Gott uns eine Beziehung an: die Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Da auch Jahwe noch niemals serös belegbar in Erscheinung getreten ist, lässt sich nicht sagen, ob sich Gott tatsächlich eine Beziehung zwischen „Himmel und Erde“ wünscht. So etwas können sich Menschen nur ausdenken. Und es behaupten.

Göttern indes scheint es völlig einerlei zu sein, was sich Menschen wünschen. Oder worauf sie hoffen. Und alles andere auch. Man kann nicht mal sagen, ob sie darüber lachen, was eine bestimmte Trockennasenaffenart auf einem kleinen Planeten so veranstaltet.

Eine Liebesbeziehung. Ewig, stärker als Tod und Teufel. Sie ist ein Angebot.

Dieses vermeintliche Angebot ist ein (naiver) Wunschtraum. Von Menschen, die sich ein solches Angebot wünschen. Weil ihnen eine erfundene Liebesbeziehung komfortabler erscheint als die irdische Wirklichkeit. In der es diese Liebesbeziehung nur in der Vorstellung von Menschen gibt.

Das kann ich natürlich, wie jede Liebe, ausschlagen. Mach ich aber nicht. Weil ich doch bei allen, was ich nicht verstehe, instinktiv spüre: Gott liebt mich wirklich.

Nichtverstehen als Grund, sich von einem bestimmten Gott geliebt zu fühlen? Der problemlos in der Lage wäre, seine auserwählte Spezies so aufzuklären, dass sie alles verstehen, was er möchte, dass sie verstehen? Oder auch, dass alle Menschen ihn anerkennen und lieben? Frau Eichert, spüren Sie auch durch Malaria, Tsunamis und Vulkanausbrüche, dass Gott Sie wirklich liebt?

Egal, ob Freud oder Leid: Alles hat eine oder genauer mehrere Ursachen. Die sich einem natürlich nicht immer alle erschließen. Die einzig redliche Antwort kann in diesem Fall nur sein: „Ich weiß es nicht.“

Dinge, die ich nicht verstehe, dem unergründlichen Willen oder gar der Liebe eines übergeordneten, unsichtbaren Wesen zuzuschreiben, ist keine sinnvolle Antwort. Sondern eine typisch religiöse Art der Realitätsverweigerung.

Frau Eichert darf auch lachen

Klar, oft sträube ich mich, diese Liebe zuzulassen. Was aber völlig daneben ist: Denn Gott liebt mich ja nicht erst dann, wenn ich perfekt bin und alles richtig mache. Vor Gott darf ich sein, wie ich bin: traurig, wütend, ratlos. Und eben auch von Herzen lachen.

Warum sträuben Sie sich, diese Liebe zuzulassen? Sie scheinen sie ja für real zu halten. Somit haben Sie doch eigentlich keinen Grund, diese erhoffte Liebesillusion nicht zuzulassen?

Wie sicher sind Sie sich, dass Ihr Gott Sie wirklich so liebt, wie Sie sind? Und woher wollen Sie das wissen?

Der biblische Gott jedenfalls verlangt von seinen Anhängern, dass sie seine Gebote einhalten. Für Nichtbeachtung droht gnadenlose Bestrafung durch ewige physische und psychische Höllenqualen. Da hilft auch kein herzhaftes Lachen.

Da passt der Karneval ganz gut. Zu ihm gehören die Leichtigkeit und auch eine Widerborstigkeit, um sich von Alltagsängsten und Weltuntergangsszenarien nicht runterziehen zu lassen.

Keine Frage: Mal den Alltag vergessen und Fünfe gerade sein lassen macht das Leben leichter. Und sicher auch erträglicher. Dagegen ist natürlich auch gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Doch was soll das alles mit der katholischen Lehre zu tun haben?

Lachen in der Bibel

In der Bibel wird meistens über das Unglück anderer gelacht. Oder es lachen die, die dafür anschließend ob ihres Hochmuts bestraft werden. Auch findet sich bei Bedarf eine Stelle, in der Lachen und Freude als unnütz, als Verblendung abgewertet wird:

  • Ich dachte mir: Auf, versuch es mit der Freude, genieß das Glück! Das Ergebnis: Auch das ist Windhauch. Über das Lachen sagte ich: Wie verblendet!, über die Freude: Was bringt sie schon ein? (Pr 2, 1-2 EU)

Des Menschen Glück liegt laut dieser Bibelstelle sowieso nicht in Menschen-, sondern einzig in Gottes Hand:

  • Nicht im Menschen selbst gründet das Glück, dass er essen und trinken und durch seinen Besitz das Glück selbst kennen lernen kann. Ich habe vielmehr beobachtet, dass dies von Gottes Verfügung abhängt. (Pr 2, 24 EU)

Ein Karnevalsmuffel, der nicht mal im Keller lacht, könnte seine traurige Weltsicht also genauso biblisch begründen wie jemand, der die Bibel als Quelle für Spaß und Freude verwendet. Das angebliche „Wort Gottes“ ist wie „Tropifrutti®“: Da ist für alle was dabei.

Wir lachen das

„Wir lachen das!“ Unter diesem Motto feiern wir in meiner Pfarrgemeinde Fasching. „Wir lachen das!“ Lachen befreit. Ist gesund.

Was auch befreit, ist es, Dinge mal nicht zu ernst zu nehmen. Oder sich selbst. Wer eine solche Gelassenheit bei Jahwe sucht, der wird enttäuscht. Dieser Gott versteht nämlich absolut keinen Spaß. Besonders dann nicht, wenn es um ihn geht.

Deshalb braucht er auch vier von 10 Geboten, um seinen absoluten Machtanspruch geltend zu machen. Wer sich erlauben würde, sich mal (zum Beispiel im Karneval) über ihn lustig zu machen, den lässt Gott nach „eigener“ Aussage nicht ungestraft. Das lachen dann nicht mal mehr Lissy Eichert und ihre Kirchengemeinde weg.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Jesus und seine Jünger todernst durch die Lande gezogen sind. Im Gegenteil: Gerade als fröhliche Truppe von Gottesnarren konnten sie die Menschen positiv irritieren.

Jesus kann alles sein – auch Gottesnarr

Klar – warum nicht? Wie die Bibel berichtet, bezeichnete selbst seine eigene Familie Jesus als verrückt. Einige Bibelstellen wollen allerdings auch gar nicht ins Bild des religiösen Spaßvogels und Gottesnarren passen, zum Beispiel:

  • Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. (Mt 5,22 EU)
  • Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen. (Mt 7, 17-20 EU)
  • Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.(Mt 18,6 EU)

Mangels belastbarer Quellen lässt sich nicht nur Gott, sondern auch Jesus (der wahlweise Mensch, Gottes Sohn auch Gottes zweites Drittel sein kann) praktisch jede beliebige Eigenschaft zugeschrieben werden. Tropifrutti®.

Was ist an dieser Botschaft froh?

Wir haben schließlich eine Frohe Botschaft zu verkündigen.

Die da lautet:

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. (Mk 16,16 EU)

Und solange das Christentum noch auf dem angeblichen „Wort Gottes“ basiert, wird sich daran auch nichts ändern. Diese Botschaft ist also keineswegs für alle froh. Sondern nur für die, die bereit sind, sich bedingungslos diesem Gott zu unterwerfen. Alle anderen erwartet ewige Verdammnis. Gottes einzige Entschuldigung ist, dass er nicht existiert.

Leider lässt sich das Böse nicht einfach weglachen. […] Vergebens ist das [eine Kerze anzünden] nicht – weil der Segen alle umfasst: die Karnevalisten und die Faschingsmuffel, die Traurigen und die Lachenden, die Toten und die Lebenden.

Frau Eichert, was ist denn „das Böse“? Das, was Ihnen nicht in den Kram passt? Oder das, was Sie sich nicht erklären können? Umfasst Ihr Segen auch die, die Dinge tun, die Sie dem „Bösen“ zurechnen? Was, meinen Sie, bewirkt ein solcher Segen? Abgesehen vielleicht von einer Autosuggestion, einem Selbstbetrug?

Natürlich kann man durch das Entzünden einer Kerze seinen Mitmenschen gegenüber seine Anteilnahme zum Ausdruck bringen. Götter zeigen sich von sämtlichen menschlichen Regungen indes völlig unbeeindruckt. Bis zum Beweis des Gegenteils hat Jahwe genausowenig seine Finger oder was auch immer im Spiel wie Zeus, Anubis oder Dornröschen. Allen Phantasiewesen ist es egal, ob Menschen lachen oder weinen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag.
**Bildquelle: motifake.com

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