Licht, Blume und Schmetterling: Ostern in der Kinderkirche – Gedanken zu einem Beitrag auf evangelisch.de, verfasst von Karin Vorländer, veröffentlicht am 4.4.2015
Der Glaube an die Auferstehung ist das Fundament des christlichen Glaubens. […] Im Prinzip besteht die Osterbotschaft aus einem einzigen Satz: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt.“
Spätere biblische Ostererzählungen (zum Beispiel in Markus 16 oder Johannes 20) sind aus der knappen Botschaft heraus entfaltet worden. „Es sind Legenden, die das Unvorstellbare anschaulich machen“, betont Hubertus Halbfas in seiner „Bibel für kluge Kinder und ihre Eltern“. Doch trotz der biblischen Erzählungen ist die Rede von der „Auferstehung“ für kleinere Kinder bis etwa neun Jahren nur schwer verständlich.*
Demzufolge basiert das Fundament des christlichen Glaubens auf einer Legende? Handelt es sich dabei um eine von christlicher Seite allgemein anerkannte Erkenntnis?
Oder besteht nicht auch im 21. Jahrhundert noch ein Großteil gläubiger Christen darauf, dass es sich dabei eben nicht nur um eine Legende, sondern um eine Tatsache gehandelt haben soll?
Und ist „…aus der knappen Botschaft heraus entfaltet“ nicht nur eine nebulöse Umschreibung des Umstandes, dass diese Geschichten später einfach auf Grundlage der dürftigen, wenig außergewöhnlichen Kreuzigungsgeschichte zu bestimmten Zwecken erfunden worden waren? Oder genauer: Von früheren, ähnlichen Legenden abgekupfert und im Verlauf der Evangelien nochmal um 200% überhöht?
Kluge Kinder – und ihre Eltern
Der Buchtitel „Bibel für kluge Kinder und ihre Eltern“ enthält eine gewisse (vermutlich unfreiwillige) Komik: Über die Klugheit von Eltern, die ihre Kinder mit biblischen Mythen und Legenden konfrontieren, wird keine Aussage gemacht.
Wenn kluge Kinder mit Absurditäten wie einer Auferstehung von den Toten konfrontiert werden, dann stellen sie dies in Frage. Und verlangen nach Belegen, die eine solch hanebüchene Behauptung beweisen können. Da helfen dann weder biblische Mythen aus dem Vormittelalter, noch die blumigen Schmetterlingsvergleiche engagierter Religionsverkündiger in der Kinderkirche:
Nach allem, was wir bis heute wissen, ist eine Auferstehung von den Toten ausgeschlossen. Und deshalb ist davon auch bis zum Beweis des Gegenteils auszugehen. Ein Beweis, der bis heute noch nicht erbracht werden konnte. Als bewiesen kann jedoch das Gegenteil angesehen werden: Tot ist tot. Und das war auch vor rund 2000 Jahren schon so.
Wohingegen Auferstehungsmythen in vielen Aberglauben aller Art anzutreffen sind. Und da lassen sich erstaunliche Parallelen vom Schicksal des biblischen Christus zu dem früherer angeblicher Gottessöhne finden. Deren Biographien manchmal sogar überraschend viele Übereinstimmungen haben mit der des christlichen Gottessohnes. Oder umgekehrt, um genau zu sein.
Nur wird eine Auferstehung dadurch freilich kein bisschen plausibler. Kluge Kinder gehen davon aus, dass es auf Erden „mit rechten Dingen“ zugeht. Ereignisse wie eine Auferstehung von den Toten sind damit bis zum Beweis des Gegenteils ausgeschlossen. Auch wenn sie in der Kinderkirche etwas anderes erzählt bekommen.
Geheimnisvolles aus der Kinderkirche
[…] Denn den biblischen Ostererzählungen ist gemein, dass sie davon erzählen, wie Menschen in der Begegnung mit dem Auferstandenen auf geheimnisvolle Weise verändert werden: Von der Furcht zur Freude, von der Trauer zum Trost, von der Hoffnungslosigkeit zur Zuversicht, vom Zweifel zum Vertrauen. Solche Gefühle erleben auch Kinder schon.
Und zwar auch Kinder, die von ihren verantwortungsbewussten Eltern vor sämtlichen Göttern, Geistern und Gottessöhnen verschont wurden. Von Eltern, die ihren Kindern ein realitätskompatibles Weltbild vermitteln. Statt eines, das um religiöse Scheinwahrheiten erweitert wurde.
Ich halte es für höchst frag- und kritikwürdig, Emotionen, Wahrnehmungen und Empfindungen so zu instrumentalisieren, dass darüber Götter in die gerade entstehende Wirklichkeit von Kindern eingeschleust werden.
Beim Versuch, sich dem Geheimnis der Auferstehung anzunähern, hat die Christenheit schon früh auf Symbole wie etwa Licht und Sonne zurückgegriffen.
Das könnte aber auch genau umgekehrt der Fall sein: Die gesamte christliche Lehre könnte einen Sinn ergeben, wenn man sie als Analogie für die natürlichen Vorgänge zwischen Sonne, Licht, Erde, Leben und Tod versteht. Natürlich wissen wir heute sehr umfangreich über all diese Zusammenhänge Bescheid, sodass zur Erklärung längst keine Götterlegenden mehr erforderlich sind. Und das, was wir (noch) nicht wissen, wissen wir eben (noch) nicht.
Hilfreiche Lichtsymbole
Hilfreich sind Lichtsymbole allerdings nur, wenn auch die vorausgehende dunkle Geschichte des ungerechten Leidens und Sterbens Jesu zur Sprache kommt.
War das Leiden uns Sterben von Jesus ungerecht? Nach heutigen Maßstäben bestimmt. Aber nach den damaligen Gesetzen der römischen Besatzungsmacht war die Todesfolterung am Kreuz offenbar die angemessene, gerechte Strafe für Unruhestifter, die den inneren Frieden der entlegenen Besatzungszone gefährdeten.
Die Methode, die Geschichte immer so darzustellen, wie sie gerade am besten zum gewünschten Bild passt, trifft man in religiösem Kontext immer wieder an. Nicht nur in der Kinderkirche.
Den Einwand, man könne doch Kinder nicht mit Leiden und Tod konfrontieren, mag der Bibeldidaktiker Ingo Baldermann angesichts allgegenwärtiger Schreckensmeldungen in den täglichen Nachrichten nicht gelten lassen.
Ein nicht tabuisierter, offener Umgang mit Leid und Tod ist für Kinder genauso wünschenswert wie für Erwachsene. Denn Leid und Tod sind ebenso Bestandteil der natürlichen Wirklichkeit wie Freude und Leben.
Gerade an der Leidensgeschichte Jesu, so argumentiert er, könne auch Kindern deutlich werden, dass Jesus das Leiden nicht fremd sei. So könne Verständnis für einen Gott angebahnt werden, der nicht „a-pathisch“ und allmächtig über den Menschen thront, sondern ihr Leiden kennt und mitfühlt, „mit-leidet“.
Kein Verständnis für Gott
Und wieder werden natürliche Phänomene instrumentalisiert, um den Wunschgott irgendwie in die Wirklichkeit hineinzuquetschen.
Kluge Kinder würden dann Fragen wie zum Beispiel diese stellen:
- „Wieso soll ich für einen Gott auch noch Verständnis haben, der sich selbst seinen eigenen Sohn als Menschenopfer zu Tode foltern lässt?“
- „Und wieso hat ein angeblich allmächtiger Gott offenbar keine Möglichkeit oder nicht die Absicht, seinem Sohn dieses Leid zu ersparen?“
- “ Hätte Jesus nicht noch viel mehr für die Menschheit bewirken können, wenn er nicht am Kreuz hingerichtet worden wäre?“
- „Was ist denn das für ein Vater, der seinen eigenen Sohn qualvoll umbringen lässt, um anderen Menschen so seine Liebe zu beweisen?“
- „Und was ist dieses Menschenopfer überhaupt wert, wenn Jesus sowieso nach kurzer Zeit wieder zum „ewigen Leben“ auferstanden sein soll?“
- „Was ist das Mitleid eines allmächtigen Gottes wert, der zwar angeblich Leid kennt und sogar mitfühlt, ohne freilich – trotz Allmacht! – jemals etwas dagegen zu unternehmen?“
Eine Auferstehungslegende bringt viel mehr redlicherweise unbeantwortbare Fragen, als dass sie Antworten auf irgendwas liefern kann. Und deshalb ist klugen Kindern ein Umfeld zu wünschen, in dem Themen wie Leid und Tod unverkrampft und ohne Verbindung zu irgendwelchen grotesken Götterlegenden behandelt werden. Was in der Kinderkirche nicht der Fall zu sein scheint.
[…] Der Weg führt vom Einzug in Jerusalem über das Abschiedsmal Jesu mit seinen Jüngern, die Fußwaschung über Gefangennahme und Kreuz bis zum leeren Grab. Für die Kinder wird der Weg jeweils durch Erzählungen in kindgerechter Sprache, Symbole, Lieder und Aktionen lebendig.
Wieder stellt sich die Frage: Was denken sich Erwachsene dabei, wenn sie die angebliche Todesfolterung eines aufrührerischen Endzeitsektenführers durch die römische Besatzungsmacht und das ungeklärte Verschwinden des Leichnams kindgerecht aufbereiten? Welche Bedeutung soll diese Legende heute denn noch haben? Was hat sich durch die angebliche Kreuzigung/Auferstehung/Himmelfahrt denn tatsächlich geändert?
Niemand für immer tot?
[…] Und natürlich erstrahlt auch das erloschene Lebenslicht der Kerze neu: Bei Gott ist niemand für immer tot.
Natürlich sei es Erwachsenen zugestanden, ihre Vorstellung von der Wirklichkeit beliebig nach eigenen Wünschen zu gestalten. Wer sich gerne aus der Realität in religiöse Scheinwirklichkeiten flüchten und an ein ewiges Leben beim lieben Gott glauben möchte – warum nicht. Die Gedanken sind frei, nicht mal Götter kennen sie.
Wer allerdings Kindern einen solchen Humbug vermittelt, muss sich Irreführung vorwerfen lassen. Eine Täuschung unter perfider Ausnutzung des kindlichen, entwicklungsbedingten Vertrauens darauf, dass das, was Erwachsene ihnen so erzählen.
Ohne diese geradezu hinterhältige frühkindliche Indoktrination wäre auch das Christentum schon längst genauso Geschichte wie die zahlreichen Religionen vor ihm. Und was sagt es über eine Ideologie aus, wenn sie solche Methoden nötig hat?
Kindgerechte Kreuzigung
[…] In einer Gartenecke oder in einer Holzkiste in der Wohnung gestalten Kinder allein oder mit Hilfe eine Osterkrippe. Aus Steinen, Zweigen und Erde entsteht eine kleine Landschaft mit einer Grabeshöhle. Jüngere Kinder mögen es zudem, wenn sie Figuren der biblischen Geschichten in ihrem Ostergarten aufbauen dürfen. Am möglichst frühen Ostermorgen wird er dann mit Blumen geschmückt und die vormals verschlossene dunkle Grabhöhle wird von einer brennenden Kerze erleuchtet.
Sicher findet sich auch ein Kindergottesdienstexperte, der die Grabeshöhle noch um eine kleine Kreuzigungsgruppe ergänzt. Die Kinder können dann eigene kleine Dornenkrönchen flechten und dazu gibts Essig auf Schwamm. Man könnte ihnen auch noch symbolisch mit Nadeln in die Hände, Füße und in die Seite pieksen. Um das Leid für sie erfahrbar zu machen. Und für die besonders Engagierten gibts dann zusätzlich noch eine Tüte Kieselsteine.
Beim Nachspielen biblischer Geschichten rund um die Grabeshöhle ist allerdings Vorsicht geboten. Denn hier besteht häufig die Gefahr, mit dem Grundgesetz und/oder mit Menschen-/Völkerrechten in Konflikt zu geraten.
Jüngere Kinder mögen es zudem, wenn ihr Haustier die nachgespielte Sintflut überlebt und jemand die ertränkten Meerschweinchen, Hamster und Springmäuse der Nachbarskinder entsorgt.
Klingt absurd und widerlich? Ist es auch. Aber das kommt davon, wenn man meint, Kindern bizarre Mythen und Legenden aus dem Vormittelalter als etwas außerordentlich Bedeutsames näherbringen zu müssen.
Immer mehr Kinder und ihre Eltern bringen keinerlei Vorkenntnisse im Blick auf Ostern mit.
Immerhin ein Hoffnungsschimmer.
[…] Am Chamäleonvogel wird sichtbar: Das Leben ist stärker als das Leiden und der Tod, das Licht stärker als die Dunkelheit.
Am Chamäleonvogel wird sichtbar: Lebewesen (offenbar auch Chamäleonvögel) sind fähig zu Empathie und Mitgefühl. Sie können mit anderen Lebewesen mit-leiden. Und sich mit ihnen freuen. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Götter haben dabei keine Finger oder was auch immer im Spiel.
Wo er recht hat…
[…] Die Osterbotschaft, die er schon den Kindern und auch den sie begleitenden Eltern nahe bringen möchte, lautet: „Selbst der Tod kann der Nähe und Liebe Gottes zu uns Menschen nichts anhaben.“
Stimmt. Durch Tod ändert sich an der Nähe und Liebe Gottes zu uns Menschen rein gar nichts. Nur dass sich Tote die Nähe und Liebe von Göttern nicht mehr einbilden können.
[…] So wie die Raupe geheimnisvoll verwandelt aus ihrem Kokon heraus kommt, so trat auch Jesus aus dem dunklen Grab in ein neues verwandeltes Leben.
Hier sind wieder die klugen Besucher der Kinderkirche gefragt: „Moment mal. Die Raupe war doch gar nicht tot, die hat sich nur verwandelt. Der Vergleich ist Bullshit!“
[…] Neben Symbolen wie Raupe und Schmetterling, Licht und Dunkelheit greift Christian Nell-Wunsch gerne auf das Samenkorn zurück (und ist damit in guter Gesellschaft des Apostel Paulus, 1. Korintherbrief 15,35 ff). Wenn Kinder – womöglich bereits vor Ostern – Kresse- oder Weizensamen aussäen, dann können sie beobachten, dass das Samenkorn nach dem Aufgehen nicht mehr zu sehen ist. Es stirbt – aber aus ihm wächst geheimnisvoll und wunderbar neues Leben. Dieses frühe Bild kann die Grundlage für einen späteren, bewussten Zugang zu dem großen Geheimnis von Ostern sein.
Sie wussten es damals einfach noch nicht besser…
Diese Grundlage kann freilich nur dem vergleichsweise minimalem Erkenntnisstand der Menschen vor rund 2000 Jahren entsprechen. Und diesen beschreibt die zitierte Bibelstelle wie folgt.
- Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen Leib. Nicht alles Fleisch ist das gleiche Fleisch, sondern ein anderes Fleisch haben die Menschen, ein anderes das Vieh, ein anderes die Vögel, ein anderes die Fische. Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen. Einen andern Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz hat der Mond, einen andern Glanz haben die Sterne; denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch seinen Glanz. So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. (1. Kor 15, 36-42 LUT)
Für die Menschen damals muss es demzufolge völlig unbegreiflich gewesen sein, wie sich das mit den Samen und dem daraus entstehenden und danach wieder vergehenden Leben tatsächlich verhält. Da war göttliches Wirken vermutlich noch die plausibelste Erklärung. Kein Wunder: Für die Leute damals waren Krankheiten Anzeichen von Dämonen. Und man wunderte sich täglich, wohin die Sonne denn wohl am Abend verschwinden könnte.
…wir heute aber schon
Wenn wir aber doch heute wissen, wie die natürlichen, biologischen Abläufe wie Metamorphose, Fortpflanzung, Absterben etc. funktionieren, wofür brauchen wir dann zur Erklärung noch überirdische Götterwesen? Die Menschen angeblich mit anderem Fleisch als Tiere ausstatten?
Und wieso erzählt man Kindern solche offensichtlich falschen Behauptungen? Kindern, die sich, wie weiter oben schon angedeutet, ja darauf verlassen, dass Erwachsenen ihnen keinen Unsinn erzählen?
Wäre es nicht viel sinnvoller und realitätsnäher, wenn man Kindern erklären und vorleben würde, dass Menschen zu Empathie fähig sind? Oder auch zur Änderung ihres Verhaltens?
Ohne bizarre Geschichten in der Kinderkirche und Grabeshöhlen im Garten? Sondern einfach, weil es klug ist, freundlich zu sein?
Auch hierfür gibt es kindgerechtes Material, wie zum Beispiel Die Geschichte vom frechen Hund.**
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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Zusatzfrage an evangelisch.de:
Jedes Mal frage ich mich, was mit Ihrem Slogan „evangelisch.de – Mehr als du glaubst“ gemeint sein könnte. Nicht glauben muss man das, was man wissen kann. Was hat aber evangelisch.de mit Wissen zu tun? Oder wie ist das „mehr als du glaubst“ zu verstehen?
Aha - Frau Kiess redet sich ein, Ihr Gott meine es gut mit "uns". Schon mal was von der Theodizee-Problematik…