In seinem neuen Clip klärt Urs von Wulfen darüber auf, warum Maultaschen Spuren von Glauben enthalten können:
Wir erfahren, dass Maultaschen möglicherweise von Mönchen im Kloster Maulbronn erfunden wurden. Denn weil der Fleischverzehr in der Fastenzeit untersagt war, kam man auf den Trick, das Fleisch einfach in Nudelteig zu verpacken. Und zwar offenbar mit dem Hintergedanken, Gott so „bescheißen“ zu können.
Erwartungsgemäß gestaltete man die Legende so, dass die Mönche möglichst fein raus waren: Das Fleisch hatten sie geschenkt bekommen – das durfte man natürlich nicht verkommen lassen. Wer könnte da den Mönchen schon ganz profane Fleischeslust unterstellen? Und angeblich soll der Herrgott gezwinkert haben, als er den Maultaschen-Beschiss bemerkte. Na, dann ist ja alles gut…
Einen Beitrag über weitere Fasten-Schummelmethoden von Mönchen gibts hier.
Maultaschen als „Herrgottsbescheißerle“
Natürlich räumt auch Urs ein, dass die Vorstellung, einen angeblich allmächtigen und allwissenden Gott bescheißen zu können, reichlich lächerlich ist.
Solange es um etwas Harmloses geht wie Maultaschen, die deshalb auch „Herrgottsbescheißerle“ genannt werden, wäre dies auch keine weitere Erwähnung wert.
Allerdings zeigt sich an diesem Beispiel eine Problematik von weit größerer Tragweite: Die moralische Orientierungslosigkeit des Christentums.
Denn Göttern, Geistern und Gottessöhnen ist es völlig egal, ob sich Menschen an die Regeln halten, die sie auf den vermeintlichen Willen dieser Götter zurückführen. Alle Verhaltensregeln und Normen, die angeblich auf göttlichen Willen zurückgehen, stammen in Wirklichkeit von Menschen. Der vermeintliche göttliche Wille diente lediglich zur Legitimierung dieser Vorschriften.
Praktisch: Doppelmoral
Ärgerlich nur, wenn diese Regeln auch die Freiheit derer einschränkten, die auf die Einhaltung dieser Regeln bestanden. Da musste der göttliche Wille dann, wie bei den Maultaschen, ausgetrickst werden. Man passte einfach die Wirklichkeit so an, dass die klerikale Freiheit nicht allzu sehr unter den selbst aufgestellten Regeln leiden musste.
Eine erschreckend große Anzahl an weiteren, viel gravierenderen Beispielen für die christliche Doppelmoral findet sich in der 10bändigen Kriminalgeschichte des Christentums.**
So stellt sich die Frage: Sind Religionen überhaupt als Moralquelle geeignet, wenn sich mit ihnen jede beliebige Verhaltensweise ebenso wie das genaue Gegenteil „rechtfertigen“ lässt?
Dieser Frage geht der Philosoph Andreas Edmüller in seinem lesenswerten Buch Die Legende von der Christlichen Moral – Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist** auf den Grund. Edmüller legt anschaulich und umfassend begründet dar, warum das Christentum als Moralsystem nicht geeignet ist.
Denn es erfüllt nicht mal die Mindestanforderungen an ein Moralsystem, wie etwa Berechenbarkeit oder Stimmigkeit. Es hapert schon an den Grundannahmen. Denn diese sind weder klar im Umfang, noch klar im Inhalt.
Leicht durchschaubare Strategie
Am Beispiel von den Maultaschen lässt sich eine interessante Entwicklung erkennen. War das „Verstecken“ von Fleisch vor dem Auge des Allmächtigen damals noch problemlos mit ein bisschen Nudelteig zu bewerkstelligen, erscheint ein solches Vorgehen heute selbst vielen Christen als lächerlich – und als typisch menschlich allzu einfach durchschaubar.
Im gleichen Atemzug bestehen viele Christen aber auch heute noch darauf, im Besitz einer übergeordneten, göttlichen Wahrheit zu sein. Und gründen ihr Moralsystem auf den behaupteten Willen eines ebenso behaupteten Gottes. Auf einen Willen, der sich quasi beliebig (um-)definieren lässt. Denn bis heute hat noch kein einziger Gott seinen Willen unmissverständlich und seriös belegbar kund getan.
Selbst wenn ein Großteil des Christentums heute (v. a. dank der klerikalen Entmachtung durch Aufklärung und Säkularisierung) eine Moral vertritt, die weitgehend mit den modernen ethischen Standards übereinstimmt, so liegt genau darin der wichtige Unterschied: Eine säkulare Moral orientiert sich an der Würde und Freiheit des Individuums. Eine christliche Moral am vermeintlichen Willen eines Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Lieben-Gottes, den sich ursprünglich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten.
Götter haben längst ausgedient
Mag eine solche kollektive Gottesvorstellung vor mehreren tausend Jahren (und zum Teil bis heute) noch als identitätsstiftendes Machtinstrument wirksam gewesen sein, so hat sich die moderne Gesellschaft schon längst viel weiter entwickelt. Zur Aufrechterhaltung moderner ethischer Standards von offenen und freien Gesellschaften müssen keine Götter mehr verehrt werden. Und auch nicht beschissen.
Religionen eignen sich hervorragend zur Legitimierung einer Doppelmoral. Nicht nur in Bezug auf Fleisch-/Nudelgerichte. Sondern zum Beispiel auch, um einerseits zwar Verzicht und Gerechtigkeit zu predigen, und andererseits aber trotzdem auf die eigene Bevorzugung und Bevorteilung zu bestehen. Natürlich immer mit einer passend gemachten biblischen Begründung.
Besonders diese Beliebigkeit ist es, die Religionen so saugefährlich (Zitat Pfarrer Meurer) macht.
Nachtrag: Den einzig wahren Nudelbezug hat übrigens die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters im Angebot. Denn es kann ja wohl kaum Zufall sein, dass Planeten exakt wie Fleischbällchen geformt sind und DNA wie Spiralnudeln!?!?
*Quelle des Videos: Youtube
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!!! „Und den Auftrag der Schulen, diese Werte, ihre Ursprünge und Grundlagen, auf denen sie basieren zu lehren, statt Kinder…