„Welcome to hell – Willkommen in der Hölle“- das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

„Welcome to hell – Willkommen in der Hölle“- das Wort zum Wort zum Sonntag von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 8.7.2017 von ARD/daserste.de

[…] Hölle – die hat aber auch mit dem Tod zu tun. Hölle ist eine mögliche Perspektive für das Danach, nach dem Leben hier auf der Erde.*

Willkommen in der HölleDa bis zum Beweis des Gegenteils nichts dafür spricht, dass es ein „Danach“ in dem hier gemeinten Sinne überhaupt gibt, kann man sich alle beliebigen Perspektiven als „möglich“ ausdenken. Wahrscheinlich, plausibel oder gar wahr werden solche Perspektiven dadurch allerdings keineswegs.

Nach aktuellem Wissensstand ist davon auszugehen, dass das, was eine menschliche Persönlichkeit ausmacht, nach dem Tod aufhört zu existieren. Tod bedeutet einfach nur das Ende des Lebens. Und damit das Ende der individuellen, von anderen unterscheidbaren Persönlichkeit. Alles andere ist esoterische Fiktion oder Illusion.

Eine Hölle, also ein Zustand zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Qual ist bis zum Beweis des Gegenteils keine „mögliche Perspektive“, sondern ein absurdes und widerliches, von Menschen erdachtes Gedankenkonstrukt.

Hölle als Ort der Konsequenz

In der Bibel kommt die Hölle als Konsequenz vor. An der Hölle können sich die nicht vorbeimogeln, die hier auf Erden andere zerstören, erniedrigen, sie vernichten und ihrer Menschlichkeit berauben.

Genau so könnten auch die radikalen Gewalttäter argumentieren. Sie verstehen ihre Verbrechen als Konsequenz für das Verhalten derer, die hier auf Erden andere zerstören, erniedrigen, sie vernichten und ihrer Menschlichkeit berauben.

„Willkommen in der Hölle“ Ich finde es sehr sympathisch, dass manche Theologen davon ausgehen, dass die Hölle leer ist. Aber ganz egal, ob die Hölle leer ist oder voll, ob es sie gibt oder nicht: Das Bild von der Hölle als einem Ort der Konsequenz, das gefällt mir.

Natürlich wird die Vorstellung einer leeren Hölle denen sympathisch erscheinen, die, zum Beispiel berufsbedingt, an der Existenz einer Hölle festhalten müssen. Denn schließlich kann nicht mal der gläubigste Christ ausschließen, dass Jahwe vielleicht doch ganz andere Maßstäbe anlegt als die, von denen der Gläubige ein Leben lang ausgegangen war.

Nicht mal innerhalb einzelner Konfessionen ist man sich einig, inwieweit das menschliche Verhalten überhaupt einen Einfluss auf die jenseitige Belohnung oder Bestrafung haben soll. Im „Wort Gottes“ finden sich passende Stellen für alle möglichen Varianten. Und so wundert es kaum, dass die Aussagen zum Thema Hölle höchst unterschiedlich ausfallen und je nach persönlichem Geschmack angepasst können.

Leerer Himmel wahrscheinlicher als leere Hölle

Geht man vom Konzept der Erbsünde aus, so erscheint ein leerer Himmel viel wahrscheinlicher als eine leere Hölle. Wäre die Hölle leer, dann wäre sie eben kein Ort der Konsequenz.

Das Vorhandensein einer nicht leeren Hölle ist Voraussetzung für eine Erlösung. Denn das würde ja sonst bedeuten, dass alle Menschen sowieso erlöst und eben nicht mit Höllenqualen bestraft werden. Und damit wäre das ganze Erlösungsversprechen hinfällig: Wovon sollte man noch erlöst werden müssen?

Innerhalb der christlichen Glaubenslehre ist es also keineswegs „ganz egal, ob die Hölle leer ist oder voll, ob es sie gibt oder nicht.“ Ganz egal ist das nur in der irdischen, natürlichen Wirklichkeit. Allerdings ist die Hölle hier auch kein „Ort der Konsequenz.“ Sondern ein Hirngespinst. Erdacht zu bestimmten Zwecken, bei denen Angst die zentrale Rolle spielt.

„Willkommen in der Hölle“ Die Hölle als Ort der Konsequenz „danach“ ist eigentlich eine Idee für das Hier und Jetzt: was jemand hier und heute tut oder nicht tut, trägt seine Konsequenz in sich.

Wofür braucht es dann überhaupt die Idee einer Hölle als Ort der Konsequenz „danach“, wenn damit die tatsächlich und im Diesseits auftretenden Konsequenzen menschlichen Handelns gemeint sein sollen?

Willkommen in der irdischen Wirklichkeit

Eine andere Begrüßung für die G20er hätte ich angemessener gefunden: „Welcome to earth“ – „Willkommen auf der Erde“. Willkommen auch in der Verantwortung für die Erde und für die Konsequenzen dessen, was wir tun und nicht tun.

„Welcome to earth“ wäre auch eine angemessene Begrüßung für alle, die heute noch in religiös erweiterten Scheinwirklichkeiten leben. Denn der „Ort der Konsequenz“ ist nun mal die Erde. Und keine Hölle im Jenseits.

Hier wird ein grundlegendes Problem deutlich, das religiöser Glaube mit sich bringt. Der vermeintliche, beliebig definierbare Wille eines erfundenen Gottes ist kein brauchbarer Maßstab für moderne ethische Standards.

Während Gläubige viele Jahrhunderte lang wahrscheinlich sogar aus tiefster Überzeugung und aufrichtig auf die versprochene postmortale Erlösung hofften und sich gleichzeitig vor einer ebensolchen Bestrafung fürchteten, ist dieses Konzept für halbwegs aufgeklärte, rational denkende Menschen heute wohl hinfällig geworden.

Auch Herrn Pfarrer Welter scheinen diese unsäglichen, absurden Vorstellungen eher peinlich zu sein. Denn sonst müsste er sie nicht als im Grunde völlig gleichgültig und belanglos darstellen. Und sie nur zur Metapher für tatsächliche Konsequenzen menschlichen Verhaltens umfunktionieren.

Vergeltung des zornigen Rachegottes

Dabei darf nicht vergessen werden, dass es auch heute, anno 2017 noch Christen gibt, die selbstverständlich von der Existenz der Hölle als Ort ewiger Bestrafung ausgehen. Und zwar zur Bestrafung der einzigen wirklich gravierenden Sünde: Des Un- oder Andersglaubens.

Hier spielen ganz profane Rachegedanken, der Wunsch nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit eine wichtige Rolle. Die Vorstellung besonders frommer und konsequenter Christen, Un- und Andersgläubige, aber auch persönliche Feinde oder sonstige ungeliebte Zeitgenossen würden dereinst noch angemessen von ihrem mächtigen lieben Gott persönlich bestraft werden, erfüllt sie mit großer Genugtuung.

Zu diesem Willkommen hat der Apostel Paulus noch einen sehr guten Tipp: „Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen.“

Der Grund für diese Anweisung findet sich bei Bedarf ebenfalls in der Bibel, im Römerbrief. Da heißt es:

  • Rächt euch nicht selber, liebe Brüder, sondern lasst Raum für den Zorn (Gottes); denn in der Schrift steht: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr. (Röm 12,19 EU)

Rache ist Chefsache, darum kümmert sich der zornige Gott höchstpersönlich. Mit dieser Vorstellung fällt es womöglich tatsächlich leichter, den eigenen Zorn bis zum Abend irgendwie hinunterzuschlucken.

Nur dürfte die Zahl derer, die heute deshalb nicht über Nacht zornig sind, weil sie mit einer Vergeltung göttlicherseits rechnen, wahrscheinlich auch drastisch abgenommen haben…

Engagiert euch

Ich kann etwas bewegen, um diesen Planeten wohnlicher und menschenwürdiger zu machen. Statt „empört euch“ sage ich lieber „engagiert euch“.

Und welche Rolle spielt die christliche Lehre von Himmel und Hölle hierfür jetzt noch? Wozu braucht es noch Götter, Geister, Gottessöhne, um zu dieser Erkenntnis zu kommen? Sollte das Engagement für einen wohnlichen und menschenwürdigen Planeten nicht im höchst eigenen und im Interesse der Mitlebewesen sein?

An diesem Wort zum Sonntag wird für mich sehr deutlich, dass die christliche Ideologie schlicht überflüssig geworden ist. Ich habe vielmehr den Eindruck, als müsse sich Herr Pfarrer Welter richtig bemühen, um in seine gesellschaftspolitischen Überlegungen irgendwie noch seine Religion hineinzumogeln. Nach dem Motto: „Hölle? Ja, das gabs bei uns auch mal, ist aber eigentlich bei Lichte betrachtet Quatsch…“

Ich wünsche Ihnen einen schönen geerdeten Sonntag.

Geerdet? Keinen gesegneten Sonntag diesmal?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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