Buchtipp: Das Evangelium nach Hoche

Lesezeit: ~ 4 Min.

In seinem Buch „Das Evangelium nach Hoche“ präsentierte Karl Hoche 1998 einen Jesus, den auch (oder vermutlich nur) Nicht-Christen ausgesprochen sympathisch finden dürften.

Das Evangelium nach HocheHoches „Thomas-Evangelium“ schildert das Leben und Wirken von Jesus, nachdem dieser sich von den Strapazen seiner Kreuzigung wieder erholt hatte. In originalgetreuer neutestamentarischer Sprache erfährt der Leser wahrlich Erstaunliches – pointiert, witzig, intelligent und kein bisschen blasphemisch.

Denn sowohl der weitere Werdegang des nun sesshaft gewordenen ehemaligen Wanderpredigers, als auch dessen Ansichten sorgen immer wieder für Überraschungen. Und bringen den Leser, der idealerweise schon mal im „Neuen Testament“ geblättert haben sollte, sicher mehr als einmal mindestens zum Schmunzeln.

Auch im Thomas-Evangelium bedient sich Jesus der schon aus den früheren Evangelien bekannten Gleichnissprache. Nur einmal ist er so außer sich, dass er sogar vergisst, in Gleichnissen zu reden. Denn besonders mit Paulus, der ganz bestimmte Vorstellungen für die Zukunft seiner gerade gegründeten Kirche hat, gerät Jesus gehörig aneinander.

Um nicht zuviel zu verraten, hier nur zwei Leseproben* verbunden mit meiner Leseempfehlung für alle, die an Texten wie diesen ihren Spaß haben:

Jesus disputiert mit einem Rabbi über den Glauben

Obwohl Joseph ein gottesfürchtiger Angehöriger der Gemeinde gewesen war, hatte er [auf seinem Sterbebett] nach seinem Sohn und nicht nach dem Rabbi geschickt. Dies tat nun Jesus. Der Rabbi kam sogleich herbei. Er gedachte, Jesus zu trösten, und sprach zu ihm: „Der Heimgang deines Vaters geschah nach dem Willen Gottes. Der Mensch denkt, Gott lenkt!“ Jesus antwortete: „Ihr habt wahr gesprochen. Aber in eurem Satz fehlt ein kleines Wörtlein.“ Der Rabbi, dessen Aufgabe es war, auf jedes Jota zu achten, konnte das nicht glauben. So mußte Jesus es ihm erklären: „Dieses Wörtlein heißt „daß“. Erlaubt mir daher, daß ich euren Satz vollständig mache. Richtig lautet er: „Der Mensch denkt, daß Gott lenkt.“

Da erfüllte Zorn das Herz des Rabbi, und er rief: „Bist du am Ende gar ein Gottesleugner?“ Jesus sah den Rabbi bewundernd an. „Was für ein Wort! Es soll mich mit der Genauigkeit eines Pfeils und zugleich mit der Kraft einer Keule treffen. Und doch ist es nichts anderes als ein kleiner Batzen Lehm, den ein Kind auf mich wirft:“ Der Rabbi wollte genauer wissen, wie es sich damit verhielt. Also fuhr Jesus fort: „Nehmen wir einmal an, ich sage: „Es gibt keine Maus mit dem Kopf eines Löwen.“ Niemand wird mich daraufhin einen Verleugner der löwenköpfigen Maus nennen. Denn diese gibt es wahrhaftig nicht. Verleugnen kann ich nur etwas, was existiert. Wenn ihr mich einen „Gottesleugner“ nennt, dann tut ihr so, als sei das Dasein Gottes eine Gewißheit. Das aber ist sie nicht. Wäre Gott gewiß, müßtet ihr nicht an ihn glauben. Wer da vom „Gottesleugner“ tönt, ist nichts anderes als ein kleiner Schlaumeier, der noch nicht begriffen hat, daß die Schlauheit der After der Weisheit ist.“

Der Rabbi tat so, als hätte er das nicht gehört. „Du und deinesgleichen nennt euch Ungläubige. Aber wenn du sagst, daß du nicht an Gott glaubst, dann glaubst du daran, daß es ihn nicht gibt. Also glaubst auch du und bist deshalb ebenso ein „Gläubiger“ wie ich.“ Eine solche Beschimpfung wollte Jesus nicht auf sich sitzen lassen, und daher erzählte er dem Rabbi dieses Gleichnis. […]

– Karl Hoche: „Das Evangelium nach Hoche“, Patmos Verlag, Düsseldorf, 1998, S. 126 f

Die Bergpredigt im Thomasevangelium

Auch die von Christen oft als besonders „wertvoll und bedeutsame“ angepriesene „Bergpredigt“ taucht im Thomasevangelium nochmal auf. Doch Jesus scheint durch seinen Beinah-Tod am Kreuz neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Hoches besondere Stärke ist es, wohlbekannten biblischen Aussagen durch minimale Veränderungen und einen zumeist sehr subtilen Wortwitz eine ganz neue Bedeutung zu geben:

„Jesus predigt von einem Maulwurfshügel herab“

Da die Menschen Predigten, in denen jemand niedergemacht wird, lieber hören als solche, die jemanden überhöhen, folgten wiederum einige dem Jesus, um seine Worte zu hören. Es waren ihrer aber so viele, daß man sie an den Fingern einer Hand abzählen konnte. Als Jesus der überschaubaren Menge ansichtig wurde, sagte er:“ Lasset uns auf einen Berg steigen und dem Volke predigen.“

So erstieg er den Hügel, welchen ein Maulwurf angehäuft hatte. Da sagte einer aus der Menge: „Du willst uns eine Predigt halten vom Berge und ersteigst den Hügel eines Maulwurfs?“ Jesus aber antwortete: „Eine gute Predigt erkennt man daran, daß ihre Worte nicht von zu weit oben kommen.“ Und er tat seinen Mund auf, lehrte das Volk und sprach:

  • „Selig sind, die da glauben, daß sie getröstet werden. Denn dieser Glaube selbst ist der Trost.
  • Selig sind, die da glauben, daß der Trost des Glaubens schon ein Beweis für seine Richtigkeit ist, denn ihrer ist der Glaube an das Himmelreich.
  • Selig sind, die davon leben, daß sie anderen den Trost des Glaubens predigen. Denn die haben auf Erden ausgesorgt.
  • Selig sind, die eine irdische Seligkeit gefunden haben, denn die bedürfen nicht des Glaubens an ein Himmelreich.
  • Selig sind, die verstanden haben, daß irdische Seligkeiten so schnell vergehen wie ein Windhauch.
  • Selig sind, die entschlafen sind. Denn die haben die Suche nach dem Himmelreich hinter sich. […]

– Karl Hoche: „Das Evangelium nach Hoche“, Patmos Verlag, Düsseldorf, 1998, S. 137 ff

Mein Fazit

Ein unterhaltsamer, scharfsinniger und amüsanter Lesespaß für alle, die kein Problem damit haben, Glaubens- und Kirchenkritik ausgerechnet aus  dem Mund dessen zu vernehmen, den diese Kirche als Gottessohn bzw. als 2. Drittel von Gott selbst verehrt.

Empfehlenswerte Urlaubslektüre!

*Quelle: Karl Hoche: „Das Evangelium nach Hoche“, Patmos Verlag, Düsseldorf, 1998; Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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