Engel… Gedanken zu Nachgedacht… (237)

Lesezeit: ~ 5 Min.

Engel… Gedanken zu Nachgedacht… (237), Originalbeitrag verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 17.9.2017 von Osthessennews

Nachdem Frau Lander ihre ursprünglich mal religiös geprägte sonntägliche Kolumne NACHGEDACHT heute wiedermal einem religiösen Thema gewidmet hat, kommen hier einige Gedanken dazu aus rationaler Sicht. Diesmal geht es um geflügelte Gottesgehilfen.

[…] In der Bibel finden sich zahlreiche solcher Textstellen, die allesamt vom himmlischen Gottesboten, dem Engel, erzählen.*

EngelNicht nur in der Bibel, sondern auch schon in viel älteren Mythen und Legenden finden sich bereits Schilderungen von „himmlischen Gottesboten“ aller Art. Es handelt sich dabei also – wie in so vielen anderen Fällen auch – um kein ursprünglich biblisches Produkt menschlicher Phantasie.

Nicht nur in der Bibel…

Vielmehr waren Engel in den abrahamitischen Monotheismus (wie der Gott selbst auch) aus früheren Religionen mitübernommen und entsprechend angepasst worden.

Im früher in Persien weit verbreiteten Zoroastrismus beispielsweise waren es die Yazata und die Malakim, die als Mittler zwischen der Götter- und der Menschenwelt fungierten.

Und konkrete Vorbilder der biblischen geflügelten Himmelswesen könnten die Nephtys des Osiriskultes gewesen sein. Denn diese haben verblüffende Ähnlichkeit mit den biblischen Engeln.

Auch in der griechischen und römischen Antike erweiterte man die Wirklichkeit um Engelswesen wie Daimones oder Genius.

In der jüdischen Lehre galten sie als Götterboten. Und auch in den verschiedenen Strömungen des Islams tauchen immer wieder Engel auf.

Die Art und Ordnung der Engel

Die Übersicht (Quelle: Wikipedia) der Art und Ordnung biblischer Engel liest sich wie die Besetzung eines Phantasy-Romanes:

  • zweite Triade (himmlische Verwalter)
    • Kyriotetes (lat. dominationes, „Herrschaften“)
    • Dynameis (lat. virtutes, „Mächte“)
    • Exusiai (lat. potestates, „Gewalten“)
  • dritte Triade (himmlische Boten)
    • Archai (lat. principatus, „Fürstentümer“)
    • Archangeloi (lat. archangeli, „Erzengel“)
    • Angeloi (lat. angeli, „Engel“)

Die katholische Verkündigungswebseite katholisch.de erklärt in einem Videoclip ohne mit der Wimper zu zucken, wie sich die katholische Kirche das mit den Engeln zusammenphantasiert hat:

Quelle: Youtube

Es erstaunt kaum, dass ein halbwegs aufgeklärter Mensch im 21. Jahrhundert mit solchen Hirngespinsten kaum noch etwas anfangen kann.

Nichtsdestotrotz profitiert auch die nicht-christliche Esoterikbranche hervorragend von der Anfälligkeit von Menschen für Fiktionen wie etwa persönliche Schutzengel. Wie ebenfalls auf der genannten Webseite zu lesen ist, glauben mehr Deutsche an Schutzengel (66%) als an Gott (64%).

Deshalb verwundert es kaum, dass die katholische Kirche davon natürlich auch profitieren möchte. Und stellt deshalb klar, dass Schutzengel schon christliche Figuren seien.

Unsere Wirklichkeit?

[…] Aber wie sieht es denn in unserer Wirklichkeit mit ihnen aus?

Hier fände ich es interessant, von der Autorin zu erfahren, wieso sie zwischen „unserer“ und der religiös erweiterten Wirklichkeit unterscheidet. Und ob sie Letztere konsequenterweise dann genauso behandelt wie die Wirklichkeit, in der auch das Tapfere Schneiderlein, die Zahnfee oder Harry Potter zu finden sind?

Um diese Frage zu beantworten, wäre eine Definition des Engels hilfreich: Was ist denn ein Engel überhaupt?

Eine sehr gute Frage. Gerade bei Phantasiewesen, deren angebliche Eigenschaften allesamt und ausnahmslos von Menschen erdacht wurden, wäre eine möglichst genaue Defintion hilfreich. Um erstmal wissen zu können, worüber überhaupt gesprochen wird.

Weil aber Engel an sich keine Eigenschaften haben (außer denen, die sich Menschen für sie ausgedacht haben), lässt sich redlicherweise auch nichts über ihre tatsächlichen, also beobacht- oder nachprüfbare Eigenschaften sagen.

Und Gleiches gilt für Götter, Geister und vergleichbare Phantasiewesen: Was sich per Definition der menschlichen Erkenntnis entzieht, darüber lässt sich redlicherweise auch nichts Verbindliches sagen. Nur beliebig behaupten.

Engel in der Bibel

Wenn wir vom gezeichneten Bild der Bibel ausgehen, sendet er wichtige Impulse zum Weiterhandeln, kommt in die dunklen, traurigen Situationen des Menschen hinein, zeigt ihm neue Klarheit, begleitet schwere Wege und eröffnet neue. Alles das tut er natürlich im Auftrag Gottes.

Damit hat sich Frau Lander schon fast für eine „Goldene Rosine am Band“ für hochselektives biblisches Rosinenpicken qualifiziert.

Engel
Kriegsengel***

Denn die Engel in der Bibel können auch ganz anders – natürlich immer im Auftrag Gottes (oder dessen Sohnes):

  • Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. (Mt 13, 41-42 EU)**
  • Sie sollen werden wie Spreu vor dem Wind; der Engel des Herrn stoße sie fort. Ihr Weg soll finster und schlüpfrig sein; der Engel des Herrn verfolge sie. (Ps 35, 5-6 EU)
  • Da sagte Daniel zu ihm: Mit deiner Lüge hast auch du dein eigenes Haupt getroffen. Der Engel Gottes wartet schon mit dem Schwert in der Hand, um dich mitten entzweizuhauen. So wird er euch beide vernichten. (Dan 13, 59 EU)

Oft tauchen Engel in der Bibel als von Gott beauftragte Warlords zur Unterstützung etwa bei Eroberungskriegen in Erscheinung:

  • Ich sende einen Engel, der dir vorangeht, und ich vertreibe die Kanaaniter, Amoriter, Hetiter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. (2. Mo 33, 2 EU)
  • In jener Nacht zog der Engel des Herrn aus und erschlug im Lager der Assyrer hundertfünfundachtzigtausend Mann. Als man am nächsten Morgen aufstand, fand man sie alle als Leichen. (Jes 37,26 EU)

Übereifrige willfährige göttliche Erfüllungsgehilfen

Und manchmal müssen Engel sogar zurückgepfiffen werden, wenn sie es wiedermal übertreiben mit der Erfüllung des göttlichen Willens. Offenbar treffen Engel ab und zu auch eigene Entscheidungen, die sich dann nicht immer mit den Ansichten ihres Herrschers decken:

  • Als der Engel seine Hand gegen Jerusalem ausstreckte, um es ins Verderben zu stürzen, reute den Herrn das Unheil und er sagte zu dem Engel, der das Volk ins Verderben stürzte: Es ist jetzt genug, lass deine Hand sinken! Der Engel war gerade bei der Tenne des Jebusiters Arauna. (2. Sam 24,16 EU)
  • Dem Engel aber gebot der Herr, das Schwert in die Scheide zu stecken. (1. Chronik 21,27 EU)

Weil Engel sich offenbar nicht selbst verteidigen können oder dürfen, ist es laut Bibel durchaus angebracht, diese vor einer geplanten Massenvergewaltigung zu schützen, indem man den Vergewaltigern stattdessen seine beiden jungfräulichen Töchter zur Verfügung stellt. So nachzulesen im „Wort Gottes“, und zwar bei 1. Mose 19, 1-8:

  • Seht, ich habe zwei Töchter, die noch keinen Mann erkannt haben. Ich will sie euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur jenen Männern tut nichts an; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten. (1. Mo 19,8 EU)

SchutzengelDiese wenigen Beispiele sollen genügen um zu zeigen, dass die Engel, die in den biblischen Mythen und Legenden auftauchen, keineswegs die oft goldgelockten, breit grinsenden Schutzengelchen mit weißen Kleidchen und putzigen Flügelchen sind, wie sie sich Gläubige heute gerne imaginieren.

Sondern die durchaus auch gnadenlosen, brutalen, radikalen und inhumanen Erfüllungsgehilfen eines Gottes, dessen geschildertes Verhalten verblüffend dem eines gewalttätigen, selbstsüchtigen Psychopathen ähnelt.

Radikale Umdefinierung eines Phantasiewesens zum Mitmenschen

Da bleibt nur eines, wenn man Engeln weiterhin etwas Positives abgewinnen möchte. Und zwar eine radikale Umdefinierung, mit der die unangenehmen Eigenschaften verschwinden:

Und so fällt es mir nicht schwer, zu sagen, dass Engel auch heute noch existieren, allerdings vielleicht in der Gestalt unseres Nachbarn, eines flüchtigen Bekannten, einer Ärztin, einer Freundin. Engel haben Anteil an Gott und wissen um seinen Auftrag, Liebe und Kraft zu spenden.

Menschen können auch ohne einen „Anteil an Gott“ (was auch immer damit konkret gemeint sein soll) und ohne ein eingebildetes Wissen „um seinen Auftrag“ Liebe und Kraft spenden. Einfach so, von sich aus. Und im Interesse der Mitmenschen. Nicht von Göttern. Sondern als Ergebnis der Evolution, in der sich Altruismus als Überlebensvorteil ausgeprägt hatte.

Mitmenschlich – ohne Gott

So ist es doch klar, dass wir Menschen, wenn wir uns diesem Auftrag bewusst sind, einander zum Engel werden können.

Ist es das? Wie gerade schon geschrieben: Es bedarf doch keines eingebildeten Auftrages eines imaginären Wesens, um sich mitfühlend und mitmenschlich zu verhalten?

Denn auch Menschen, die sich von anderen oder von keinen Göttern beauftragt fühlen, helfen anderen und sind für andere da. Ist es nicht geradezu ein intellektuelles Armutszeugnis, heute noch metaphorisch-illusorische Flügelwesen aus der vormittelalterlichen Mythologie zu bemühen, um mitmenschliches Verhalten zu beschreiben?

Und wenn man, wie die Autorin, alle „überirdischen“ und auch die Eigenschaften, die nicht ins gewünschte Bild passen von der eigenen Engel-Vorstellung sowieso schon wegdefiniert hat, weil sie sich nicht mehr mit der irdischen, natürlichen Wirklichkeit in Einklang bringen lassen, kann man diese Vorstellung auch völlig verlustfrei aufgeben. Und sich einfach darüber freuen, wenn es Mitmenschen gut mit einem meinen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
**Wir haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.
***Dieser kriegerische Engel mit Schwert und Schild wird in der katholischen Kirche in Reichenbach (Lkrs. Bad Kissingen) zur Schau gestellt.

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