In seiner Videoverkündigung auf kathlisch.de zum Thema „Gibt es Gott“ liefert Herr Christian Olding ein Paradebeispiel für immer wieder anzutreffende Strategien, mit denen Christen versuchen, diese Frage ihrer Wunschvorstellung entsprechend mit „ja“ zu beantworten.
Quelle: Youtube
Zum Einstieg seines Beitrages bedient sich Herr Olding des Allgemeinplatzes, dass Menschen sich die Frage „gibt es Gott“ spätestens dann stellen würden, wenn sie mit existentiellen Krisen wie etwa Leid und Tod konfrontiert werden.
Damit hat Herr Olding dieser Frage schon mal eine Relevanz zugeschustert, die diese gar nicht hat. Es läuft auf die wohlbekannte Behauptung „im Schützengraben gibts keine Atheisten“ oder „im abstürzenden Flugzeug glauben alle an Gott“ hinaus.
Zumindest diese beiden, in diesem Zusammenhang immer wieder genannten Beispiele im Zusammenhang mit der Frage „Gibt es Gott“ stimmen nicht. Atheisten in Schützengräben betreiben eine eigene Webseite zu diesem Thema. Und in Flugzeugen sitzen auch Menschen, die noch nie von Göttern gehört haben.
Nein Herr Olding, auch wenn Sie das glauben: Es kommt nicht spätestens dann jeder an den Punkt, sich die Frage „gibt es einen Gott“ zu stellen. Der größte Teil der Menschheit hat mit Ihrem Gott nichts am Hut. Die meisten Menschen kennen ihn gar nicht. Viele haben nie von ihm gehört. Oder er spielt für sie genausowenig eine Rolle wie vermutlich Zeus, Anubis oder das Fliegende Spaghettimonster für Sie. Die Frage „gibt es Gott“ ist für immer mehr Menschen – ganz unabhängig von der Antwort – völlig irrelevant.
Gibt es Gott? Herr Olding ist sich sicher…
Ich für meinen Teil bin mir bei wenigen Dingen in meinem Leben so sicher wie bei dieser Frage: Ja, es gibt Gott.
Prima! Dann haben Sie ja sicher stichhaltige, überzeugende Argumente für diese Behauptung. Wenn Sie sich dessen sicherer sind als bei den meisten anderen Dingen in Ihrem Leben, dann werden Sie ja bestimmt mehr zu bieten haben als zum Beispiel subjektives Wunschempfinden gepaart mit einem chronischen rekursiven Bestätigungsfehler und basierend auf biblischen Mythen und Legenden. Also mehr als das, worauf der Glaube vieler Christen beruht.
Na dann schießen Sie mal los!
Und nur weil ich ihn nicht sehen kann, ist es kein guter Grund für mich, nicht an diesen Gott zu glauben.
Na, das wäre ja auch töricht. Denn natürlich gibt es Dinge, die für Menschen optisch nicht wahrnehmbar sind. Und die aber trotzdem existieren.
Etwas in Augenschein nehmen zu können, ist der erste, sehr starke Hinweis darauf, dass dieses Etwas auch existiert. Wobei natürlich auch das Auge auf vielfältige Art und Weise getäuscht werden kann. Was bei jedem Zaubertrick zu beobachten ist. Oder bei jeder Fata Morgana.
Zum Glück verfügen Menschen noch über andere sensorische Informationsquellen, mit denen sie ihre Umwelt wahrnehmen können. Und für Dinge, die außerhalb der menschlichen Sensorik liegen, haben Menschen Geräte gebaut, die zum Beispiel Ultraschall „hörbar“ oder sogar atomare Strukturen für das Auge sichtbar machen.
Im Video sehen wir nun eine werdende Mutter, die sich über den prallen Bauch streichelt. Dazu Herr Olding aus dem Off:
Die entscheidenden Dinge im Leben, die mich motivieren, die mich antreiben und die mich anspornen, die sehe ich nicht.
Was genau meinen Sie damit, Herr Olding? Das Baby im Bauch? Nicht nur den Bauch, sondern auch das Baby darin kann man sehen. Stichwort Ultraschall – oder einfach neun Monate warten…
Mit der Liebe frühstücken
Ich meine: Hast du schon mal mit der Liebe gefrühstückt? Oder mit der Gerechtigkeit zu Mittag gegessen?
Gemeinsame Mahlzeiten mit immateriellen Dingen sind kein sinnvolles Mittel, um die Existenz immaterieller Dinge wie Liebe oder Gerechtigkeit festzustellen. Aber das würde auch niemand ernsthaft annehmen.
Hier haben wir ein klassisches Strohmann-Argument: Einfach eine absurde Behauptung (Menschen würden annehmen, man könne mit immateriellen Werten frühstücken) aufstellen und diese dann als offensichtlich unsinnig darstellen.
Mit diesem rhetorischen Trick versucht Herr Olding den Eindruck zu erwecken, Menschen hätten ja gar keine Möglichkeit, die Existenz von immateriellen Dingen wie Liebe oder Gerechtigkeit nachzuweisen. Dabei lässt sich Liebe zum Beispiel als Emergenz von biochemischen Vorgängen beschreiben und natürlich auch an vielen tatsächlich beobacht- und wahrnehmbaren Faktoren festmachen.
In einem Facebook-Kommentar gabs hierzu vor Kurzem eine interessante Überlegung: Wenn sich verliebte Teenie-Mädchen darüber unterhalten, wie es denn um die Liebe eines bestimmten Jungen zu einem der Mädchen aus der Clique steht, dann hinterfragen sie alles, woran sich diese Liebe erkennen lassen könnte: „Was hat er gesagt? Hat er dich zum Essen eingeladen? Hat er dich angerufen? Wusstest du von seiner Urlaubsreise?…“ Und so weiter. Sie suchen nach allen möglichen Belegen, die dafür sprechen könnten, dass dieser Junge tatsächlich in dieses Mädchen verliebt sein könnte.
Liebe: Bloße Worte
Das alles sind nur Worte. Bloße Worte. Kommt also jemand und sagt: Die Liebe gibt es nicht. Wie willst du ihm dann das Gegenteil beweisen?
Lustigerweise spricht Herr Olding diese Worte, während sich im Film zwei offensichtlich Verliebte umarmen und küssen. Die Liebe ist hier sogar ohne Worte erkennbar – am Verhalten der beiden Verliebten.
Als Beweis für die Existenz von Liebe könnte man zunächst mal den Oxytocin-, Vasopressin-, Dopamin-, Adrenalin- und Serotoninspiegel von Verliebten messen. Ein Psychologe könnte zudem das Verhalten von Verliebten analysieren. Und feststellen, welches Verhalten typischerweise bei Verliebten weltweit zu beobachten ist.
Es handelt sich bei der Liebe also keineswegs um „bloße Worte.“ Aber warum behauptet Herr Olding das dann? Ganz einfach: Ihm geht es ja darum, die Existenz seines Gottes zu belegen. Und der besteht tatsächlich nur aus Worten.
Genauer: Aus der Behauptung, einer Vorstellung von Gott, die Menschen haben, würde dessen Existenz belegen. Nun kann diese Vorstellung natürlich ebenfalls etwas bewirken. Aber das, was dann tatsächlich etwas bewirken kann, ist bis zum Beweis des Gegenteils eben nur die Vorstellung von Gott. Und nicht Gott selbst.
Liebe: Nicht bloße Worte
Ich glaube, dass wir im Leben Erfahrungen machen. Und da, wo ich angenommen bin, mit all meinen Fehlern und all meinen Schwächen, da wo jemand „ja“ zu mir sagt, trotz all meiner Macken, da erfahre ich so etwas wie Liebe.
Damit hat sich Herr Olding sein vorher aufgebautes Argument („Liebe ist bloß ein Wort“) wieder selbst zunichte gemacht. Indem er aufzählt, woran er persönlich Liebe konkret erkennen kann. Denn er kann es ja hören oder auch ohne Worte wahrnehmen, wenn ein anderer Mensch „ja“ zu ihm sagt.
Menschen haben also durchaus Möglichkeiten, subjektive Empfindungen wie Liebe oder Geliebtwerden dem Verhalten oder den Worten des oder der Geliebten ursächlich zuordnen zu können.
Und genauso kann ich Gott erfahren.
Dies ist der klassische Fehlschluss, den Gläubige nutzen, um an ihre Götter glauben zu können. Denn wie sollte man belegen können, dass diese vermeintliche Erfahrung nicht nur auf der Vorstellung, der Behauptung eines solchen Gottes beruht? Subjektive Empfindungen sind also noch längst kein Beleg für die Existenz von übernatürlichen Wesen. Schon gar nicht für die eines ganz bestimmten Vertreters der Götterriege.
…fehlt nur noch die Bibel
Mangels tatsächlicher Beweise für das Wirken eines bestimmten Wüstengottes, bringen Christen an dieser Stelle meist die Bibel ins Spiel. So auch Herr Olding:
Die ganze Bibel ist voll von solchen Erzählungen. Von Menschen, die mit all ihren Brüchen, mit all ihren Sehnsüchten nach echtem, nach gutem Leben, mit all ihrer Verzweiflung alle irgendwann bei Gott ausgekommen sind.
Aber wie plausibel sind die biblischen Mythen und Legenden, wenn es darum geht, die Frage „gibt es Gott“ zu beantworten? In zahllosen anderer Göttermythen kommen die Menschen eben bei irgendwelchen anderen Göttern „aus“.
Und natürlich gibt es auch sehr viele Menschen, die mit all ihren Brüchen, mit all ihren Sehnsüchten nach echtem, nach gutem Leben, mit all ihrer Verzweiflung alle irgendwann eben nicht in religiösen Alternativwahrheiten landen.
Und so, wie du dich fragen musst: Glaube ich jemanden, der zu mir sagt: Ich habe dich lieb, genauso musst du dich fragen: Glaubst du diesen Erzählungen und Erfahrungen, die Menschen dort aufgeschrieben haben?
Um diese Frage beantworten zu können, kommt man nicht umhin, die Bibel zu lesen. Und zwar unvoreingenommen und ohne die zahlreichen Stellen wegzulassen, die nicht ins gewünschte Bild passen.
Orientalische Göttermythologie: nicht glaubwürdig
Um die Frage zu beantworten: Geschichten, in denen sprechende Schlangen, zornige Götter, von Geistern geschwängerte Jungfrauen, Dämonen als Krankheitsverursacher, Zombie- und Himmelfahrtsereignisse vorkommen, halte ich für nicht glaubwürdig.
Die Bibel enthält lediglich Behauptungen. Keine Beweise. Natürlich kann jemand behaupten, durch Gott zu einem echten, einem guten Leben gekommen zu sein. So etwas kann man sich ohne Weiteres einbilden.
Das beweist allerdings kein bisschen, dass tatsächlich der jeweils angenommene Gott aktiv seine Finger oder was auch immer im Spiel hatte. Es beweist lediglich, dass auch eine Einbildung, eine Fiktion etwas bewirken kann.
Für die Beantwortung der Frage, ob mich jemand lieb hat, kann ich prüfen, ob das Verhalten des Menschen zu dieser Aussage passt. Zur Beurteilung des Verhaltens von Gott steht lediglich das zur Verfügung, was die Bibel über ihn berichtet.
Gibt es Gott? Natürlich gibt es Gott, weil ja in der Bibel steht, dass es ihn gibt. Diese Aussage ist genauso sinnvoll wie die Beantwortung der Frage: Sind des Kaisers neue Kleider tatsächlich so prunkvoll und prächtig? mit: Natürlich, das haben die Schneider doch behauptet!
Hier haben wir es mit mindestens zwei sehr unterschiedlichen Gottesbildern zu tun: Einmal der dauerbeleidigte, zornige, rach-, eifer-, kriegssüchtige Gott Jahwe im Alten Testament. Und dann der wahlweise sadistische oder unfähige Gott des Neuen Testaments, der Menschen mit einem freien Willen ausstattet, um sie dann dauerhaft zu bestrafen, wenn sie von diesem Gebrauch machen.
Man kann auch zum Kopf einer Sardine beten, wenn man fest daran glaubt.
Für alles, was in der Bibel oder von Gläubigen göttlichem Wirken zugeschrieben wird, gibt es plausiblere Erklärungen, die ohne einen „übernatürlichen“ Einfluss auskommen. Kein Wunder: Die Menschheit verfügt heute über ein ungleich größeres Wissen darüber, wie Dinge zusammenhängen und funktionieren als zu der Zeit, in der die biblischen Myhten und Legenden verfasst worden waren.
Und selbst bei Phänomenen, die sich (noch) der menschlichen Erkenntnis entziehen, lautet die einzig redliche Antwort: „Wir wissen es (noch) nicht.“ Denn aus dem Umstand, etwas (noch) nicht zu wissen folgt freilich nicht, dass der jeweils behauptete Gott auch tatsächlich die Ursache ist.
Und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand tatsächlich den richtigen Gott verehrt, ist bei den vielen tausend Göttern, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, verschwindend gering. Insbesonders, weil Götter nicht anhand irgendwelcher tatsächlicher Eigenschaften irgendwie voneinander unterscheidbar sind.
Lass das an dich ran…
Also – lass das an dich ran, öffne dich für diese Erfahrung und lass sie dir zu Herzen gehen.
Ich fasse die Aussagen von Herrn Olding wie folgt zusammen:
- Praktisch alle Menschen stellen sich irgendwann die Frage „gibt es Gott“, spätestens in existentiellen Krisen.
- Liebe ist nur ein Wort.
- Liebe ist nicht nur ein Wort. Sie lässt sich an verschiedenen subjektiven Wahrnehmungen und Empfindungen festmachen.
- Auch die Existenz Gott lässt sich an subjektiven Empfindungen festmachen. Dazu müssen tatsächliche Wahrnehmungen und Empfindungen dem Wirken Gottes ursächlich zugeordnet werden.
- Darüberhinaus ist es erforderlich, biblische Mythen und Legenden für wahr zu halten.
- Herr Olding emfpiehlt, dies zu tun.
Weil in einer orientalischen Mythen- und Legendensammlung, die unbekannte Autoren in der Bronzezeit und im Vormittelalter basierend auf ihrem damaligen, vergleichsweise sehr begrenzten Wissens- und Erkenntnisstand verfasst hatten, Menschen behaupten, von einem bestimmten Gott in ihrem Sinne unterstützt worden zu sein, soll ich ebenfalls meine beobacht- und wahrnehmbare natürliche Wirklichkeit in einen ursächlichen Zusammenhang mit diesem Wüstengott bringen?
Warum um alles in der Welt sollte ich das tun?
Um einen Gott für wahr zu halten, der das Vergehen, sich nicht von ihm lieben lassen zu wollen, mit physischer und psychischer Dauerbestrafung durch Höllenqualen bestraft? Und um den Wert der Liebe, die ich von Mitmenschen erfahre, zu schmälern, in dem ich behaupte, es handle sich dabei um göttliche Liebe? Um die Liebe eines Gottes, der trotz angeblicher Allmacht und Allgüte nicht in der Lage oder willens ist, eine weniger leidvolle Welt als diese zu erschaffen?
Und so hat auch Herr Olding einmal mehr nicht mehr zu bieten als das, was ich schon befürchtet hatte: Subjektive Empfindungen und biblische Mythologie.
Daraus ergibt sich für mich auf die Frage „gibt es Gott“ eine klare Antwort: Nein, es gibt ihn zum Glück nicht. Was es sehr wohl gibt, ist die Einbildung, es gäbe ihn. Das trifft auf den christlich-biblisch-abrahamitischen Monogott genauso zu wie auf die vielen tausend anderen Götter, die sich Menschen schon ausgedacht haben.
Nach meiner Erfahrung steht eine Gottesvorstellung dem Streben nach einem erfüllten, glücklichen Leben eher im Wege, als dass sie diesem zuträglich wäre. Ein absurdes, unethisches jenseitiges Belohnungs-Bestrafungskonzept wie es die christliche Lehre zu bieten hat halte ich für kritikwürdig. Und für überflüssig, wenn es darum geht, ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Dafür war es aber ja auch gar nicht gedacht.
Meine Empfehlung: Heidenspaß statt Höllenqualen – Gottlos glücklich!
Nachtrag
A propos „Gibt es Gott“: Solange Gläubige nicht mal verbindlich sagen können, wen oder was sie mit „Gott“ meinen und solange sich nichts seriös belegbar mit dem Wirken dieses Gottes in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt, stellt sich die Frage gar nicht.
Natürlich kann man sein Leben damit verbringen, nach Beweisen dafür zu suchen, die die Frage „Gibt es Gott“ seriös und nachweislich mit „Ja“ beantworten. So, wie es etwa Erich von Däniken tut, wenn er nach Belegen für seine Behauptung sucht, die Welt habe in früheren Zeiten Besuch von Außerirdischen gehabt.
Nur: Bis ein solcher Beweis erbracht ist, einfach so zu tun, als sei die Behauptung wahr, halte ich für intellektuell unredlich und unvernünftig.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Videoclip zum Thema „gibt es Gott“, veröffentlicht von katholisch.de, abgerufen am 18.10.2017.
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