Sam Harris (2): Überheblichkeit

Lesezeit: ~ 4 Min.

Warum das Weltbild, das monotheistische Religionen ihren Anhängern anbieten, an Überheblichkeit kaum zu übertreffen ist, beschreibt Sam Harris so:

„Dabei gibt es tatsächlich kein Weltbild, das in seiner Überheblichkeit verwerflicher wäre als das eines frommen Gläubigen: ‚Der Schöpfer des Universums ist an mir interessiert, heißt mich gut, liebt mich und wird mich nach dem Tode belohnen; mein gegenwärtiger und auf der Heiligen Schrift beruhende Glaube wird bis zum Ende der Welt die einzig gültige Aussage über die Wahrheit bleiben; jeder, der anderer Meinung ist als ich, wird in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren…‘“

Quelle: Sam Harris: Brief an ein christliches Land, S. 99/100, C. Bertelsmann 2006

Sam Harris

Peinliche Überheblichkeit

In vielen Gesprächen mit Gläubigen habe ich die Erfahrung gemacht, dass ihnen diese Überheblichkeit peinlich zu sein scheint. Das sei ja alles gar nicht so gemeint. Und „wahre“ Christen wüssten das auch.

Gerade die Aspekte der Glaubenslehre, die man bei Licht betrachtet als nichts anderes als Überheblichkeit bezeichnen kann, sind ihnen oft unangenehm. Einerseits glaubt man ja schon daran, in einer besonderen Liebesbeziehung des Schöpfers des Universums zu stehen. Spätestens wenn es aber um den absoluten Wahrheitsanspruch oder um die Bestrafung Un- und Andersgläubige geht, weisen viele Christen diesbezügliche Kritik empört zurück:

Was man denn wohl für eine Vorstellung vom Glauben habe. Das seien doch nur Fundamentalisten, die sowas glauben würden. Natürlich würde auch Zweifel zum Glauben dazugehören.

Das Praktische an erfundenen Geschichten: Es macht faktisch keinen Unterschied, ob jemand alles, nur Teile oder gar  nichts mehr davon für wahr hält, was die christliche Lehre so an Glaubensinhalten eigentlich verlangt zu glauben. Einen Unterschied macht nur das Verhalten des Gläubigen.

Wann ist ein Christ ein Christ?

Und so ist es immer wieder spanndend von Gläubigen zu erfahren, was ihrer Meinung nach eigentlich der „kleinste gemeinsame Nenner“ ihres Glaubens ist. Die Antworten auf die die Frage: „Was muss man deiner Meinung nach mindestens glauben, um sich Christ nennen zu können?“ können jedenfalls unterschiedlicher kaum ausfallen.

Das christliche Key Feature „Gott belohnt euch Auserwählte, wenn ihr an ihn glaubt. Alle anderen bestraft er dafür, dass sie ihn nicht verehren“ mag früher ein, wenn nicht sogar das stärkste Argument in der Mitgliederwerbung gewesen sein. Gerade wenn man die Zielgruppe der Armen, Schwachen und sozial Minderprivilegierten im Auge hat.

Also Menschen, denen es durchaus noch etwas bedeutete, sich zu einem auserwählten Volk zugehörig zu fühlen. Wobei freilich auch Machthaber aller Art kein Problem mit einem Vorwurf der Überheblichkeit gehabt haben dürften. Wenn sie ihren Machtanspruch mit „von Gottes Gnaden“ legitimierten.

Heute ist eine solche Vorstellung Christen, die sich noch nicht ganz von der irdischen Wirklichkeit verabschiedet haben, oft so peinlich, dass sie diese grundlegende christliche Aussage „Ihr seid was Besseres, weil ihr an an unseren Gott glaubt“ gerne wortreich vernebeln.

Allzu offensichtlich, dass man eine solche Aussage bei Anhängern anderer Götter sofort als Überheblichkeit entlarven würde.

Kurzum: Wer sich keine Überheblichkeit vorwerfen lassen möchte, muss seine Glaubenslehre heute massiv zurechtstutzen und zurechtbiegen.

Die grundlegenden christlichen Glaubensinhalte sind im so genannten Glaubensbekenntis (Credo) zusammengefasst. Wer mal testen möchte, was davon er glaubt, findet hier unser Glaubensbekenntnis-Quiz. Und natürlich sollte man bei der Gelegenheit auch gleich mal überlegen, warum man das glaubt, was man glaubt.

Warum glauben Menschen Dinge, obwohl sie wissen, dass sie nicht wahr sind?

Diese Frage stellt sich freilich nicht nur um Zusammenhang mit religiösen Glaubensgewissheiten. Denn während diese heutzutage immer mehr an Bedeutung verlieren, profitieren heute auch andere Menschen von der Verbreitung von Fake News. Und davon, dass Menschen ihnen das glauben, was sie behaupten. Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes.

Dieses Thema haben jetzt Jay Van Bavel und Andrea Pereira von der University of New York (USA) untersucht:

  • Ihre Hypothese stellen sie im Fachmagazin „Trends in Cognitive Sciences“ vor. Sie basiert unter anderem auf der Theorie der sozialen Identität, die sich mit Gruppenprozessen befasst. „Eine wirklich hochwertige Nachrichtenquelle ist nicht so wichtig, wenn wir glauben, dass die Menschen, die sie produzieren, einer anderen Gruppe angehören als wir“, erklärt Van Bavel.
  • Die Forscher führen diese Denkweise darauf zurück, dass in langen Zeiten der menschlichen Entwicklung die Stammeszugehörigkeit des Menschen von entscheidender Bedeutung war. Deshalb werde die Identität mit der eigenen sozialen Gruppe, etwa Mitgliedern einer Partei, als wichtiger eingeschätzt als Werte wie Genauigkeit oder Wahrhaftigkeit.
    (Quelle: heise.de)

Bei Glaubensverlust droht Identitätsverlust

Weiter weisen die Psychologen darauf hin, dass eine Ent-Täuschung, also das Aufgeben einer falschen Überzeugung sogar durchaus die persönliche Identität des Betroffenen bedrohen kann.

  • Die Forscher machen Vorschläge, wie diese Denkweise durchbrochen werden kann: Wichtig sei, die Bedürfnisse nach gesellschaftlicher Anerkennung bei den Betroffenen zu berücksichtigen. „Die Menschen empfinden Unsicherheit im Allgemeinen als Unlust erzeugend und herauszufinden, dass du eine falsche Überzeugung hast, kann deine Identität bedrohen“, schreiben die Psychologen. Sie empfehlen, sich bei der Argumentation auf eine größere Mengengruppe zu beziehen: alle Amerikaner oder gar alle Menschen; oder auf Kritiker in der Partei des Betroffenen.
  • Eine weitere Möglichkeit, politische Polarisierung zu reduzieren, sehen die Wissenschaftler darin, den Menschen ihre Ignoranz gegenüber politischen Details bewusst zu machen. Dies geschehe dann, wenn sie aufgefordert würden, diese Details genau zu erklären. (Quelle: heise.de)

Schon eine solche Aufforderung kann für manche Gläubige schon zuviel sein. Denn wenn man Gläubige dazu auffordert, die Details ihres Glaubens näher zu erklären, dann führt das Erkennen der Absurdität mitunter zu heftigen Reaktionen.

So kann es vorkommen, dass ein Gesprächspartner das Gespräch abbricht, wenn man ihn bittet zu erklären, nach welchen Kriterien er entscheidet, welche Bibelstellen heute noch „von großer Bedeutung“ sind und welche nicht mehr:

Ende der Debatte
Quelle: Ein Gläubiger via Facebook

Und man kann von Glück reden, wenn eine erneute Nachfrage dann so vergleichsweise harmlos wie hier beantwortet wird:

Verdi
Quelle: Ein Gläubiger via Facebook

Womit wir wieder beim Thema Überheblichkeit sind…

 

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1 Gedanke zu „Sam Harris (2): Überheblichkeit“

  1. Ich frage Gläubige oft über ihren Glauben aus. Das ist sowohl aufschlussreich als auch oft erheiternd. Sehr gerne lasse ich die Gläubigen die Worte definieren, die sie verwenden, einfach weil ich die meisten davon nur als Worthülse kenne und den Eindruck habe, Gläubige verwenden sie ohne zu wissen was sie bedeuten. Worte wie heilig, spirituell oder geistig können sie nicht präzise definieren. Wenn die Definition nicht einfach ein anderes Wort beschreibt (das zu definierende Wort also nur ein synonym für ein anderes ist), ist sie entweder so weit gefasst dass sie bedeutungslos ist, oder bezieht sich auf Begriffe, die ebenfalls nicht klar definiert sind. Da wird sich gewunden, relativiert, verdreht und umgedeutet dass es eine wahre Pracht ist. Fragt mal einen Gläubigen, was er denn genau meint wenn er sagt dass er eine Beziehung zu Gott oder Jesus hat.
    Man sollte aber behutsam fragen, sonst ist das Gespräch schnell vorbei.

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