Radio-Interview mit Michael Schmidt-Salomon

Lesezeit: ~ 4 Min.

In der Sendung Eins zu Eins. Der Talk auf Bayern 2 unterhielt sich Moderator Achim Bogdahn am 4.3.2021 mit Michael Schmidt-Salomon.

  • Für ihn sind Religionen Fake News aus der Vergangenheit. Michael Schmidt-Salomon ist nicht nur Philosoph und Schriftsteller, er ist, als Mitgründer der Giordano-Bruno-Stiftung, wohl auch Deutschlands bekanntester Religionskritiker.
    (Quelle: br.de- Mediathek)

Für alle, die die Sendung verpasst haben oder nochmal anhören möchten, gibts hier das Interview:

In diesem Interview mit dem Moderator Achim Bogdahn erfährt der Hörer nicht nur etwas über den Werdegang des bekannten Philosophen und Schriftstellers Michael Schmidt-Salomon, sondern vielmehr gibt der Religionskritiker auch zahlreiche Einblicke in seine Weltsicht.

In der aktuellen Krise seien viele Menschen einem Lagerdenken verfallen ohne die Qualität von Argumenten zu überprüfen. Er hat dafür den Ausdruck „Empörialismus“ geprägt.

Kein „Chef-Atheist“

Die Bezeichnung Chef-Atheist träfe nicht zu, da er nicht als Chef irgendwelche Weisungen erteilen wolle- und Atheist im strengen Sinne sei er auch nicht, da er, wie er später sagt, sich zu Gott keine Urteile anmaße und nur die Aussagen überprüfen könne, die Menschen über Gott gemacht hätten. Hier scheitern einfach alle gängigen Gottesvorstellungen.

Wer, wie er, seit früher Jugend intellektuelle Redlichkeit sucht, fragt sich, ob die Werte und Normen im Einklang mit den Menschenrechten stehen. Hier gäbe es große Probleme in allen Religionen. Das Christentum sei einerseits aufgeklärt, es gäbe aber auch eine Rückwärtsströmung.

Aktuelle Arbeitsfelder

Er erinnert an die Arbeit auf dem Feld der nicht aufgeklärten Missbrauchsfälle. Und freut sich über den Erfolg 2020 vor dem Bundesverfassungsgericht zur Sterbehilfe, das Recht, mit Hilfe eines Arztes sein Leben beenden zu können, nicht nur, weil das Gericht seine Argumentation akzeptiert habe, vielmehr weil kein Lagerdenken stattfand und es so zur einzig verfassungsmäßigen Entscheidung kam.

Gelassenheit

Selbst bei Morddrohungen, die er seit den 90er Jahren bekommt, rät er zur Gelassenheit: „Mit Panik lassen sich Probleme nicht lösen“. Daher heißt auch eines seiner Bücher  „Entspannt euch“.
Wer sich nicht in die Mitte des Universums stellt und von seinem Selbst lassen kann, entwickelt Gelassenheit. Unser Ich- eine virtuelle Zusammensetzung des Gehirns- steht nicht über den Naturgesetzen.

Statt Selbstdarstellung- weg vom Stolz

Selbstdarstellung- in den Augen anderer irgendjemand sein zu müssen- auch wenn man in den sozialen Netzwerken punkten wolle, ist eine „Rolle, die man spielt“. Sie hat nichts mit dem eigenen Wert zu tun. Wer sich von der Meinung, was andere über einen denken, abhängig macht, setzt sich einem Stress aus und wird „geschüttelt von Gefühlen von Stolz und Minderwertigkeitskomplexen“.

Wenn wir uns unsere eigene Leistung und auch alles Versagen uns selbst zuschreiben, stellen wir uns über die Naturgesetze, beachten nicht die Erfahrungen, die wir gemacht haben und die Anlagen, die wir haben.
Dies gilt für viele Gebiete, etwa die Schönheit, Auf die sich etwas einzubilden sei eh absurd. Auch „Stolz auf Intelligenz ist kein Zeichen von Intelligenz.“

„Wenn du dich nicht mehr schuldig fühlst, der zu sein, der du bist, fällt es dir leichter, der zu werden, der du sein könntest.“
Für ein Flowgefühl sei es ratsam sich von der „Ich-Haftigkeit“ zu befreien. Das merkt man bei einem Klavierspieler. Wenn die Improvisation aus ihm herauskommt, dann wird es ein gutes Solo!!

„Wer nicht mehr stolz auf seine eigene Leistung ist, der kann Leistung erbringen, auf die er stolz sein könnte, wenn er denn noch stolz sein könnte.“

Damit wird man toleranter gegenüber den Fehlern der anderen. Auch das Lachen sei eine wichtige Ressource zur Weiterentwicklung.

„Wer keine Angst mehr hat zu versagen, muss sich auch vieles nicht mehr versagen.“

„Traumlos gezogen“

Michael Schmidt-Salomon schwärmt davon, im Leben, das er mit einem Lotteriespiel vergleicht, ein Traumlos gezogen zu haben. Durch die Familie- in Trier geboren, Vater Geschäftsmann und Künstler- war er sensibilisiert für verschiedene Milieus. Er las. Schopenhauer, Marx, Nietzsche, Freud und Einstein empfand er als Kumpel. Je mehr er las, desto weniger konnte er auch der Religion, mit der er aufgewachsen war, einen Sinn abgewinnen.

Eine Zeitlang zweifelte er sogar an seinen Mitmenschen, da er sich nicht vorstellen konnte, wie die das alles hinnehmen. Auch viele kath. Theologen könnten dem kath. Katechismus keinen Sinn abgewinnen.

Anfeindungen

Als Musiker wurde sein Musical, eine Hommage an den US-amerikanischen Komponisten Frank Zappa, 1994 unter Bezugnahme auf den sogenannten „Gotteslästerungsparagraphen“ 166 StGB verboten. Es war die Zeit des Bündnisses von „Thron und Altar“, in der auch manche meinten, Sex sei sexistisch. Das passe aber nicht in eine offene Gesellschaft. Er plädiere für „Freie Liebe für freie Geister“.

Später berichtet er auch von den Anfeindungen im Zusammenhang mit dem Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“, das vom Familienministerium auf die Liste der Jugend gefährdenden Medien gesetzt werden sollte, was zum Glück abgewendet wurde. Durch das gleichmäßige Kritisieren der Religionen Judentum, Christentum, Islam gab es weniger Moddrohungen.

Die Anhänger ärgerten sich zwar über die Angriffe auf die eigene Religion, aber schauten dann doch auch hämisch auf die anderen betroffenen.

Visionen

„Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.“ (Karl Marx)

Mehrere Jahre arbeitete er als Dozent, hielt große Stücke auf den Zukunftsforscher der 90er Jahre Robert Jungk und mutmaßte, dass im 21. Jh. neben Umweltthemen und sozialen Fragen die Religionen wiederkehren würden und es sogar zu globalen Religionskriegen käme. Neben der säkularen Gesellschaft gäbe es eine starke Gegenbewegung zu dogmatischem und militantem Glauben. Wer Argumente nutzt, die nachweislich falsch sind, macht die ganze Argumentation beliebig.

Deswegen ist es wichtig, die Wahrheitsfrage zu stellen und für wissenschaftliches Denken einzutreten, wie etwa der „March for Science“, der auch von der GBS unterstützt wird. Religion sei eine „Wahrheit“ die Jahrtausende existiert und trotzdem falsch ist, so wie heute QAnon.

In Europa gäbe es wohl liberale und aufgeklärte Christen, doch in Afrika seien noch christlich motivierte Hexenverfolgungen angesagt, nach dem AT: „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.“ Dogmatisch geht es auch in Polen, Russland und den USA zu, die so ihre Anhänger binden wollen. „Je liberaler eine Religionsgemeinschaft ist, desto eher verliert sie Anhänger.“

Religion light hat keine Bindungskraft. So sei auch Jesu Erlösungstat ohne Hölle uninteressant. Gotteskraft braucht den Teufel als Gegenkraft.

MSS und die Giordano-Bruno-Stiftung

Michael Schmidt-Salomon leitet die GBS. Sie ist eine Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung mit vielen Wissenschaftlern, Künstlern und Philosophen, eine Alternative zu den traditionellen Weltbildern und politischen Ideologien. Ethisch orientiert sie sich an den Menschenrechten und erkenntnistheoretisch an den wissenschaftlichen Erforschungen und einem evolutionären Weltbild, in dem Wissen, dass alle Erkenntnisse fehleranfällig sind.

„Lasse falsche Ideen sterben, bevor Menschen für falsche Ideen sterben müssen!“

Was ist ihm wichtig?

Wahrhaftig zu sein, intellektuell redlich, alles dafür tun, dass die Selbstbestimmungsrechte der Menschen viel stärker geachtet werden.
Bei Ängsten helfen ihm Gedanken an seine Mitmenschen, auch aufklärende Ex-Muslime, die viel stärker gefährdet seien und noch mehr Mut bräuchten als er in unserer freien Gesellschaft.

Seine Gemütsruhe kann nur von jemandem gestört werden, der ihm seine Zeit stiehlt. Denn: „Carpe diem und nichts machen, von dem ich denke, dass es mich oder andere nicht weiterbringt!“

–Gastbeitrag von Sybille

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