Unterschiede sind nur oberflächlich – Das Wort zum Wort zum Sonntag

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Unterschiede sind nur oberflächlich – Das Wort zum Wort zum Sonntag von Alfred Buß, veröffentlicht am 21.07.2018 von ARD/daserste.de

[…] Es gibt offenbar Schubladen im Kopf, woher Menschen kommen und wohin sie gehören. […] Wenn mit diesen Schubladen nicht Einordnungen daherkämen von minderwertig und höherwertig, von fremdartig und zugehörig, von „die“ und „wir“.

Unterschiede…dann? Na, dann waren die Menschen auf die fatale Idee gekommen, sich einfach ein künstliches „Unterscheidungsmerkmal“ auszudenken. Eines, das es ihnen ermöglicht, sich von anderen abzugrenzen. Unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder sonstigen Kriterien. Die Rede ist von monotheistischen Religionen.

Die Abgrenzung und Überhöhung der „ingroup“ (wir, das auserwählte Volk Gottes, die Rechtgläubigen, die Guten…) von allen anderen, subsumiert in der „outgroup“, also Un- und Andersgläubige, die Fehlgeleiteten, die Bösen ist ein, wenn nicht das zentrale Element der biblisch-christlichen Glaubenslehre.

Künstlich geschaffene Unterschiede

Diese Trennung in Gut und Böse, in Erlöst und Verdammt zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel und durch die Kriminalgeschichte des Christentums: Das göttliche Heilsversprechen ist grundsätzlich immer an die Bedingung geknüpft, sich diesem Gott unterzuordnen.

Und diesem Heilsversprechen steht stets die Androhung ewiger Dauerbestrafung durch physische und psychische Höllenfolter bei vollen Bewusstsein gegenüber. Mit denen Gott all jene bestraft, die sich zu Lebzeiten nicht von ihm hatten lieben lassen wollen.

Wie hervorragend sich das Christentum zur Legitimierung von Abgrenzung bestimmter Gruppen eignet, zeigt die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums. Religiöse, aber sogar schon nur konfessionelle Unterschiede sind geeignet, um furchtbare Kriege auszulösen.

Und bis heute ist diese rein von Menschen erfundene Lehre geeignet, um frei erfundene Unterschiede völlig unnötigerweise als unüberwindbare Gräben zwischen Menschen zu etablieren. Selbst innerhalb des Christentums. Die Theologen freuts…

Ausgerechnet die Schöpfungsgeschichte…

Diese Dimension der von ihm vertretenen und verkündigten Lehre scheint Herr Buß völlig zu ignorieren. Im Gegenteil:

Auffällig vermeidet die Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel solche Schubladen: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Erschaffen wird der Mensch – nur unterschieden in männlich und weiblich – Ebenbild Gottes, ausgestattet mit unverlierbarer Würde.

Wenn es um so grundlegende Fragen geht und sowieso immer, sobald die biblischen Mythen und Legenden ins Spiel gebracht werden, ist ein genauer Blick erforderlich.

Hier ist zunächst anzumerken, dass Gott im biblischen Schöpfungsmythos zunächst den Mensch erschaffen hat. Um dann erst, im nächsten Schritt, aus dessen Rippe noch die Frau nachzuliefern.

Schon allein dieses, oberflächlich betrachtet vielleicht harmlos erscheinende, aber sicher nicht zufällig genauo so und nicht anders erdichtete Narrativ kann seitdem zur biblischen Legitimierung weiblicher Diskriminierung herangezogen werden. Die patriarchialische, männerdominierte Struktur ist bis heute im (katholischen) Christentum erhalten geblieben.

Mensch und Frau

Schon in den ersten Zeilen der Bibel wird also die Hierarchie von Mann und Frau also unmissverständlich festgelegt. Und als gottgegeben legitimiert. Mensch – Frau. Obere Schublade – untere Schublade. Von wegen „nur unterschieden in männlich und weiblich.“

Der biblischen Eva wurde dabei die Rolle angedichtet, die besser den Vorstellungen der Bibelschreiber entsprach als die der (gleichberechtigten, selbstbewussten) Lilith, die aus der Bibel als erste Frau Adams sicherheitshalber entfernt worden war.

Wie sieht es aber nun mit der angeblichen „unverlierbaren Würde“ aus, mit denen Gott seine Ebenbilder ausgestattet haben soll? Mit der Würde war es schnell vorbei. Und die Schuld dafür bekam – wen wunderts – die Frau:.

  • Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir und häufig wirst du schwanger werden. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Nach deinem Mann hast du Verlangen und er wird über dich herrschen. Zum Menschen sprach er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes wirst du essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. (Quelle: 1. Mo 3, 15-19 EU)

Und schon war die unverlierbare Würde verloren. Die einzige Chance, sie vielleicht, und wenn überhaupt, dann erst im Jenseits wiederzuerlangen, war fortan abhängig von der Gnade Gottes.

Diese Ausführungen sollen genügen um zu zeigen, dass ausgerechnet alttestamentarische Mythen denkbar schlecht geeignet sind, um als Beispiele für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu dienen.

„Die“ und „wir“

Dass Menschen höchst unterschiedlich aussehen, spielt überhaupt keine Rolle. Völlig anders wurde das, als man die bunte Völkerwelt einteilte in Rassen – mit all den bekannten Zuschreibungen von „die“ und „wir“. Das führte zu Kriegen, zu Kolonialismus und Sklaverei. Und mündete im furchtbaren Holocaust, in der Shoah, mit Millionen ermordeter Menschen.

Ich finde es nur schwer erträglich, dass Herr Buß hier den Faktor Religion als Unterscheidungskriterium einfach mal komplett weglässt. Die christliche Ideologie diente stets als göttliche Legitimierung der bekannten Zuschreibungen von „die“ und „wir.“ Egal, welche Unterschiede auch für solche Zuschreibungen genannt wurden: Mit einer monotheistischen Religion kann man praktisch alle beliebigen Unterschiede flankieren und verstärken.

Trotz alledem ist heute der Stolz auf die eigene Rasse wieder in.

Pauschalisierungen dieser Art halte ich für mindestens genauso dumm wie einen „Stolz auf die eigene Rasse.“  Weil sich eine Minderheit von Schwachköpfen ermutigt fühlt, ihre Schwachköpfigkeit durch einen öffentlich zur Schau gestellten Rassismus unter Beweis zu stellen, ist der Stolz auf die eigene Rasse damit noch längst nicht „wieder in.“

Was natürlich nicht heißt, dass die Zahl derer, die alles glauben, was ihnen ihre Anführer über angebliche Unterschiede erzählen, in der letzten Zeit sicher zugenommen hat.

Es gibt keine verschiedenen Menschenrassen

[…] Das französische Parlament hat jetzt den Begriff „Rasse“ aus der Verfassung gestrichen.

Zurecht. Die Unterschiede zwischen den Menschen sind viel zu gering, um überhaupt von Rassen sprechen zu können. Deshalb ist auch der Begriff „Rassismus“ genau genommen falsch; gemeint ist damit meist die Diskriminierung von Menschen mit anderer ethnischer Herkunft oder Hautfarbe. Obwohl diese beiden Kriterien eben keine eigenen „Rassen“ darstellen.

[…] Unsere Unterschiede vereinen uns. Aus solchem Geist lebten und handelten auch die frühen Christen. Wenn sie sich taufen ließen, trugen sie alle ein weißes Kleid. Und der Apostel Paulus schrieb dazu: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“

Dieses Beispiel zeigt lediglich, dass das Kriterium des „richtigen“ Glaubens über alle anderen Kriterien erhoben worden war. Egal, wer oder was du bist, was du tust oder woher du kommst – Hauptsache, du glaubst an unseren Gott. Dann, und nur dann ist alles andere egal. Denn dann, und nur dann gehörst du bei uns dazu. Zu den „Guten.“

Auch historisch betrachtet ist dieser Aufruf zur Einigkeit leicht zu erklären: Schließlich galt es, eine kleine jüdische Endzeitsekte so umzuinterpretieren, dass sie zu einer möglichst großen Schnittmenge an Menschen kompatibel wurde. Sonst hätte sie kaum als Staatsreligion getaugt…

Christliche Lehre: Als Grundlage offener und freier Gesellschaften unbrauchbar

Hier geht es nicht etwa um die Beschreibung einer toleranten, offenen und freien Gesellschaft. Sondern um den Zusammenhalt innerhalb einer Glaubensgemeinschaft. Die sich ausschließlich durch ihren gemeinsamen Glauben identifiziert und die sich damit über den Rest der Welt erhöht. Wer getauft ist und glaubt, wird erlöst. Wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.

Für die damaligen Anforderungen und unter den damaligen Umständen war eine solche monotheistische Religion mit ihrem Belohnungs-Bestrafungskonzept sicher ein probates Mittel, um die Herde zusammenzuhalten.

Zur Frage, wie es die Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert schafft, diesen Planeten fair und friedlich zu bevölkern, kann die biblisch-christliche Lehre nichts beitragen. Im Gegenteil, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.

Denn hier sind Lösungen gefragt, die eben nicht nur für die Anhänger eines bestimmten Wüstengottes gelten. Sondern für alle Menschen. Die sich dann natürlich gerne ihre Wirklichkeit so gestalten mögen, wie es ihnen beliebt. Solange sie keine gleichberechtigten Interessen Anderer verletzen.

Das, was die Weltbevölkerung vereint, ist ganz bestimmt nicht der Glaube an bestimmte Himmelswesen. Sondern das Schicksal und gleichzeitig die Chance, sich gemeinsam für ein faires und friedliches Miteinander auf diesem Planeten einzusetzen. Im eigenen, aber auch im Interesse aller anderen Lebewesen. Während sich Christen darüber streiten, wer denn nun alles die in Menschenfleisch verwandelten Oblaten verspeisen darf und wer nicht…

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

 

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