https://daserste.ndr.de/extra3/Rekordeinnahmen-der-Kirchen-in-Deutschland,extra14982.htmlAuf dem Holzweg – Das Wort zum Wort zum Sonntag von Alfred Buß (ev.) über Bäume, veröffentlicht am 25.08.2018 von ARD/daserste.de
Auch das heutige „Wort zum Sonntag“ folgt dem altbekannten Schema dieser religiösen Verkündigungssendung:
- Prangere einen Missstand an.
- Beziehe dazu einen Standpunkt, den du für mehrheitsfähig hältst.
- Begründe oder bekräftige diesen Standpunkt mit einer Bibelstelle, in der wenigstens ein Wort vorkommt, das mit dem Thema zu tun hat.
- Erwecke damit den Eindruck, die Bibel sei eine wertvolle Moralquelle für die Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert.
- Wünsche einen gesegneten Sonntag.
Als Missstand hat sich Herr Buß diesmal die geplante Fällung von fünf Kastanienbäumen in seiner Heimatstadt herausgesucht. Diese sollen einer Wohnbebauung weichen.
Dass sich auf der Seite derer, die sich für den Erhalt der Bäume einsetzen mehr Leute finden lassen als auf der Seite derer, die hier Wohnungen bauen möchten, liegt nahe. Und so nennt Herr Buß auch etliche Argumente, die gegen eine Fällung sprechen. Argumente, denen jeder, dem Naturschutz mehr am Herzen liegt als die Schaffung von Wohnraum, sicher zustimmen dürfte.
Bis hierher gäbe es am Vortrag von Herrn Buß nichts auszusetzen: Bäume leisten einen wichtigen Beitrag fürs Klima, sie spenden Schatten und Feuchtigkeit…
Bäume in der Bibel
Aber weil es sich beim „Wort zum Sonntag“ ja um eine christliche Verkündigungssendung handelt, muss noch irgendein Bezug zur biblischen Mythologie her: „Seht her, das stand sogar schon in der Bibel…“
Fündig wurde Herr Buß in den Psalmen:
Die Bäume des Herrn stehen voll Saft, singt ein Schöpfungspsalm der Bibel. […]
Im selben Schöpfungspsalm, in dem übrigens auch der Klippdachs vorkommt, erfahren wir auch, was noch zu der dort beschriebenen irdischen Idealvorstellung gehört:
- Die Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden / und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den HERRN, meine Seele! Halleluja! (Psalm 104,35 LUT)
In diesem Satz kommen freilich keine Bäume vor. Dafür aber in dem zweiten Verslein, das Herr Buß zum Stichwort Bäume in der Bibel gefunden hat:
Der biblische Psalm 96 sagt: Die Bäume sollen jauchzen, wenn Gott kommt mit seiner Gerechtigkeit.
Wer wünscht sich keine jauchzenden Bäume! Und Gerechtigkeit ist ja auch was Feines. Da könnte man glatt übersehen, was diese Zeilen tatsächlich bedeuten. Ohne wunschgemäße Verkürzung und Weglassung lautet diese Bibelstelle:
- das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; jauchzen sollen alle Bäume im Walde vor dem HERRN; denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit. (Psalm 96, 12-13 LUT)
…in den Feuerofen
Ob die Bäume bzw. das irdische Leben allgemein noch viel zu jauchzen hat, wenn der eifersüchtige biblische Wüstengott dereinst zur finalen Endabrechnung ausholt, halte ich für mehr als fraglich.
Wenn Gott den „Erdkreis“ nach seiner bizarren Vorstellung von Gerechtigkeit richtet, dann haben die Bäume als gottlose Lebensformen natürlich schlechte Karten. Die dürften dann zusammen mit den Un- und Andersgläubigen im Feuerofen landen.
Dass der biblisch-christliche Gott nicht gerade zimperlich ist, wenn es um seine angebliche Schöpfung geht, wissen wir spätestens seit der Geschichte, in der er so gut wie alles Leben (außer das der Fische und anderer Wasserlebewesen und vielleicht noch das der Menschen, die ebenfalls im Besitz von Booten waren) durch einen unvorstellbar qualvollen Tod durch Ertrinken vernichtet hatte. Ganz offensichtlich hatte er sich gehörig verschöpft, der allmächtige Allgütige.
Noch mehr Bäume in der Bibel
Der Vollständigkeit halber hier noch ein paar Bibelfundstücke, in denen auch Bäume vorkommen und die es aber nicht in das heutige „Wort zum Sonntag“ geschafft hatten:
- Zerstört alle heiligen Stätten, wo die Heiden, die ihr vertreiben werdet, ihren Göttern gedient haben, es sei auf hohen Bergen, auf Hügeln oder unter jedem grünen Baum, und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Steinmale und verbrennt mit Feuer ihre heiligen Pfähle, zerschlagt die Bilder ihrer Götzen und vertilgt ihren Namen von jener Stätte. (5. Mo 12, 2-3 LUT)
- Und den König von Ai ließ er an einen Baum hängen bis zum Abend. Als aber die Sonne untergegangen war, gebot Josua, dass man seinen Leichnam vom Baum nehmen sollte, und sie warfen ihn unter das Stadttor und machten einen großen Steinhaufen über ihm, der bis auf diesen Tag da ist. (Josua 8, 29 LUT)
Natürlich werden auch Holzfäller in der Bibel fündig:
- Und als Abimelech hörte, dass sich alle Herren der Burg von Sichem versammelt hatten, ging er auf den Berg Zalmon mit seinem ganzen Kriegsvolk, das bei ihm war, und nahm eine Axt in seine Hand und hieb einen Ast vom Baum und hob ihn auf und legte ihn auf seine Schulter und sprach zu dem Volk, das mit ihm war: Was ihr mich tun seht, das beeilt euch, auch zu tun. Da hieb jeder vom Volk einen Ast ab, und sie folgten Abimelech und legten die Äste auf das Gewölbe und setzten über ihnen das Gewölbe in Brand, sodass auch alle in der Burg von Sichem starben, etwa tausend Männer und Frauen. (Richter 9, 47-49 LUT)
- Wenn die Wolken voll sind, so geben sie Regen auf die Erde, und wenn der Baum fällt – er falle nach Süden oder Norden zu –, wohin er fällt, da bleibt er liegen. (Prediger 11,3 LUT)
- Und alle Bäume auf dem Felde sollen erkennen, dass ich der HERR bin: Ich erniedrige den hohen Baum und erhöhe den niedrigen; ich lasse den grünen Baum verdorren und den dürren Baum lasse ich grünen. Ich, der HERR, rede es und tue es auch. (Hesekiel 17,24 LUT)
Bauherren hingegen picken sich einfach zum Beispiel diese Stelle heraus, um ihre Absicht, Wohnungen zu bauen, biblisch zu „begründen“:
- Und es begab sich, als sie von ihm schieden, sprach Petrus zu Jesus: Meister, hier ist für uns gut sein! Lasst uns drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Er wusste aber nicht, was er redete. (Lk 9,33 LUT)
Völlig irrelevant
Das alles hat gar nichts mit dem Konfliktfeld Naturschutz vs. Wohnungsbau zu tun? Stimmt! Diesen Interessenskonflikt hatte es in der ausgehenden Bronzezeit noch nicht gegeben.
Die „jauchzenden Bäume“ des Herrn sind in einer Argumentation für die wichtige Bedeutung von Bäumen für Klima und Gesellschaft völlig irrelevant. Genauso wie die übrigen biblischen Stellen, in denen zufällig das Wort „Baum“ vorkommt.
Nachhaltiges Planen muss schöpfungsgemäß sein wie sozial gerecht. Und wirtschaftlich ersprießlich. Darum gilt es zu streiten.
Wer sich in einer Debatte um irdische Angelegenheiten äußern und dabei ernst genommen werden möchte, sollte sich zunächst eine möglichst realitätskompatible Weltsicht zulegen. Sonst könnte ja noch glatt ein Gottesdiener auf die Idee kommen, es sei sinnvoll, für oder gegen irgendwas zu beten. Oder eine Feenbeauftragte könnte behaupten, dass Feen und Trolle die Ursache dafür seien, wenn auf einem Autobahnabschnitt überdurchschnittlich viele Unfälle passieren…
Statt also beliebig definierbare Begriffe wie „schöpfungsgemäß“ zu verwenden, wäre es sinnvoller, zum Beispiel die Bedeutung von Bäumen für das Klima im Allgemeinen und für Sauerstoffverstoffwechselnde Lebewesen im Besonderen als Maßstab zu nehmen.
Nicht um die verpfuschte Schöpfung eines flickschusterhaften (oder sadistischen) Schöpfers geht es. Sondern darum, die Erde möglichst auch in Zukunft als geeigneten Lebensraum für eben diese Lebewesen zu erhalten.
A propos wirtschaftlich ersprießlich: Wie war das noch gleich mit den irdischen Gütern, die man laut Bibel nicht ansammeln solle (Mt 6,19)? Diese Zeilen gehören zu den Bibelstellen, die heute nur noch auffallend selten für Verkündigungen herausgepickt werden.
Auf dem Holzweg
Einen Hinweis, ob wir dabei auf dem Holzweg sind, gibt uns der biblische Psalm: Geben wir den Bäumen Grund zum Jauchzen, auf dass sie nicht mehr seufzen.
Wie gerade schon dargestellt: Im zitierten biblischen Psalm sollen die Bäume nicht deshalb jauchzen, weil sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz liefern. Sondern weil sie sich so sehr darüber freuen, dass Gott die Welt endlich in einem infernalischen, gnadenlosen Rundumschlag von allen Un- und Andersgläubigen befreit.
Gott kommt in der Bibel nicht die Funktion des Naturschützers zu. Im Gegenteil. Statt wie zum Beispiel Round up® unerwünschtes Leben einfach nur zu vernichten, belässt es der liebe Gott nicht bei einer Vernichtung.
Vielmehr droht allen, die nicht an ihn glauben, zeitlich unbegrenzte psychische und physische Dauerbestrafung bei vollem Bewusstsein. Für das Vergehen, nicht an ihn geglaubt zu haben.
Wenn Gläubige herausfinden möchten, ob sie auf dem Holzweg sind, dann empfehle ich, ihren Holzweg mal zu verlassen. Von außen betrachtet sind Holzwege nämlich meist ganz gut als solche zu erkennen.
So wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag.
…womit auch der 5. und letzte Punkt in der Wort-zum-Sonntag-Agenda abgehakt wäre: Der allmächtige Allgütige möge im Interesse der Zuschauer von Herrn Buß seinen ewigen Allmachtsplan ändern. Weil Herr Buß ihn darum gebeten hat.
Fazit
Zur Lösung aktueller Interessenskonflikte sind Bibelstellen nicht nur entbehrlich, sondern sogar eher hinderlich. Weil durch sie eine diffuse archaische Mythologie ins Spiel kommt. Und das birgt immer die Gefahr, beliebig ausgelegt und bei Bedarf auch völlig gegenteilig gedeutet zu werden.
Obwohl Herr Buß durchaus nachvollziehbare und starke Argumente für seinen Standpunkt nennen konnte, musste er berufsbedingt noch irgendwie ein paar Bäume aus der Bibel für seine Argumentation zweckentfremden. Überzeugender werden seine Argumente aus meiner Sicht durch Bäume, die sich über die bevorstehende Ausrottung Un- und Andersgläubiger freuen keineswegs. Im Gegenteil.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Quelle der Bibelzitate: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
Ich habe die Beiträge zu dieser Sendung sehr genossen. Warum muss ich als Atheist eigentlich tolerieren, dass eine religiöse Sendung im staatlichen Fernsehen wöchentlich mit meinen GEZ Gebühren finanziert wird? Kann man dagegen nicht vorgehen?
Grüße Armin Opitz
PS: Ihre Webseite ist genial, weiter so
Vielen Dank für das Lob, das freut uns zu lesen!
Tja, gute Frage… Auf entsprechende Anfragen erhält man i.d.R. eine Antwort, die sinngemäß lautet: „Was wollen Sie denn, das ist doch gesetzlich so geregelt und wir halten uns ans Gesetz.“ – Damit ist das Thema für die Kirche dann erledigt; die mehr als fragwürdige rechtliche Grundlage (Stichwort: Konkordat) wird mit einem Achselzucken zugestanden und ansonsten ignoriert, genauso wie bei allen anderen, ähnlichen Fällen (Stichwort: Staatsleistungen).
Auch hier dürfte die Situation die gleiche sein wie sonst auch: Freiwillig, also ohne Druck von außen wird die Kirche keinen Millimeter ihrer beispiellosen staatlichen Sonderprivilegierung aufgeben.
Noch ein Vorschlag: „7 Wochen fasten ohne Staatsknete.“