Wie Gott arbeitslos wurde

Lesezeit: ~ 3 Min.

In einer Facebook-Diskussion erläuterte Jori Wehner,* wie es dazu kam, dass Gott arbeitslos wurde.

Menschen haben ein (evolutionär erworbenes) Bedürfnis, ihre Umwelt zu verstehen. Gott war die erste (und schlechteste) Erklärung für unverstandene Phänomene in der Umwelt.

Bessere Erklärungen machten Gott arbeitslos

Warum Gott arbeitslos wurde
Erkenntnis machte Gott arbeitslos

Warum blitzt es? Das wussten unsere Vorfahren vor 5000 Jahren nicht. Denkkurzschluss: Es sind zornige Götter!

Blitze wurde naturwissenschaftlich (und damit sachlich korrekt) erklärt. Heute wissen wir: Blitze sind elektrische Entladungen (Stromflüsse), die elektrische Potentialdifferenzen zwischen statisch aufgeladenen Wolken ausgleichen. Blitze sind die absichtlose Folge thermodynamischer Zwänge.

Vormals bestand eine „Erklärungslücke“. Wie entstehen Blitze? Diese Lücke (gap) wurde geschlossen. Deshalb verehrt heute kaum noch jemand blitzeschleudernde Götter. Die sachlich korrekte Erklärung hat die vormals postulierten Götter überflüssig gemacht.

Natürlich lassen Gläubige nicht so einfach von ihren liebgewonnenen Gottesvorstellungen ab.

Statt die Götter einfach als gescheiterte Erklärungsversuche ad acta zu legen, wurden sie „abstrahiert“. Gott steuert jetzt nicht mehr direkt die Blitze, sondern er hat die Rahmenbedingungen geschaffen (das Ökosystem Erde), in denen Blitze auftreten können.

Auch dafür gibt es mittlerweile eine viel bessere Erklärung. Die Erde ist absichtlos, ungeplant aus einer protoplanetaren Scheibe entstanden, die sich durch Graivation und Zentrifugalkräfte aus den Staubwolken zurückliegender Supernovae gebildet hat. Die Erde ist die absichtlose Folge thermodynamischer Zwänge.

Wieder ist eine „Erklärungslücke“ geschlossen worden. Gott ist einen Job ärmer geworden. (Gläubige haben ihren Gott eine Erklärungslücke weiter abstrahiert. Gott habe nun das Universum geschaffen.)

Die Wissengrenze der Menschheit hat sich tausendfach verschoben.

gefunden bei Religioten & Co.
gefunden bei Religioten & Co.

Noch nie haben sich die postulierten übernatürlichen Götter als Ursache bestätigt. Stets haben sich unverstandene Phänomene auf das absichtslose Wirken von Naturkräften zurückführen lassen.

Menschen vermuteten göttliches Eingreifen in die Laufbahn der Planeten, bis Newton diese korrekt auf Gravitation zurückführte.

Selbst Newton vermutete göttliches Eingreifen, wo seine Gleichungen die Planetenbewegung nicht vollständig erklären konnten. Bis Laplace der Nachweis gelang, dass die Planetenbewegung allein durch Gravitation zustande kommt.

„Wo bleibt da Gott?“ fragte Napoleon. Laplace antwortete: „Diese Hypothese habe ich nicht mehr benötigt.“

Nie hat sich der vermutete Gott als Ursache bestätigt. Wieder wurde eine Erklärungslücke geschlossen. Das naturalistische Weltbild wurde noch plausibler – das theistische noch unplausibler. Und Gott arbeitslos.

„Gott“ wohnt in den schrumpfenden Habitaten menschlichen Unwissens.

Es ist kein Wunder, dass Gottesglaube mit zunehmendem naturwissenschaftlichen Wissen abnimmt.

Nicht nur die Aufklärer haben diese Entwicklung erkannt, sondern auch Theologen. Bonhöffer: „Ihr macht aus Gott einen Lückenbüßer-Gott. Ihr steckt ihn immer dorthin, wo man mit dem Wissen noch nicht ist, und da vertreibt ihr Gott sozusagen immer in diese Löcher hinein“

Damit wird die Gottesbehauptung immer unsinniger, immer überflüssiger.

Gott hat keine Aufgabe mehr. Gott wird „weg-erklärt“. So wurde Gott arbeitslos.

Unsere aktuelle Wissensgrenze liegt hier:

Was ist die Ursache des Urknalls? Wie ensteht Bewusstsein aus neuronaler Datenverarbeitung?

Und natürlich stecken Gläubige ihren Gott vorhersehbar in diese Erklärungslücke. „Gott ist eine sinnvolle Erklärung für die Entstehung des Universums“.

Eine typische god-of-the-gaps-Pseudoargumentation.

Viele Gläuige (insbesondere Evangelikale) stehen mit ihrem Wissen in Biologie und Physik immer noch auf dem Stand des frühen 19. Jahrhunderts. Sie haben nicht verstanden, dass die Naturwissenschaften die Entstehung der Arten geklärt haben. Oder die Entstehung der Materie. Oder weitestgehend auch die Entstehung de Lebens.

Auch als Lückenbüßer ist Gott arbeitslos

Für wissenschaftlich unterinformierte Evangelikale sind das immer noch ungelöste Probleme. Sie setzen auf ihren Lückenbüßergott. Gott habe die Arten geschaffen (Kreationismus). Und Gott habe die Materie geschaffen. Gott habe das Leben geschaffen.

Lückenbüßergott-Argumentationen, obwohl die Lücken längst geschlossen sind. (Daher wirken evangelikale Glaubensinhalte auf wissenschaftlich gebildete Menschen besonders naiv.)

Interessant ist der Umgang der Apologeten mit diesem Problem. Kennst Du John Lennox? Er versteht das Problem natürlich gut. Lennox verwahrt sich energisch gegen die Unterstellung, er glaube an einen „Lückenbüßergott“.

Gute Lücken – Schlechte Lücken

Ja, sagt er, dieser Lückenbüßergott sei durch die Naturwissenschaften prinzipiell widerlegbar. Gott wird überflüssig, wenn man ihn als Lückenbüßergott für unverstandene Phänomene einsetzt.

Aber dann macht er es ganz genau so!
Woher kommt das Universum? Gott.
Die angebliche Feinabstimmung des Universums? Gott.

Und wenn man Lennox drauf hinweist, dass er gerade einen Lückenbüßer-Gott benutzt? Fängt er an zu lachen und sagt:“Jaaa, es gibt schlechte Lücken und gute Lücken! Schlechte Lücken: bereits gefüllt. Gute Lücken: aktuell noch nicht gefüllt.“

Kein Witz! Er bringt wirklich diese jämmerliche Ausrede (in diesem Video bei 1:40:02, zwei Minuten):

Hier zeigt sich wieder, zu wie intellektuell unredlichen Mitteln man greifen muss, um den Glauben zu verteidigen.

*Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

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1 Gedanke zu „Wie Gott arbeitslos wurde“

  1. Der Film ist schon etwas älter. Lennox hat über das mit den Lücken noch etwas nachgedacht und beschreibt nun ‚gute Lücken‘ als solche, die sich bei zunehmender Kenntnis nicht schließen. Mir fällt kein Beispiel ein, aber Abiogenese wäre zumindest ein Kandidat.

    Sollte es so etwas geben, wäre das zwar kein Argument für Design, aber dennoch ein Riesen-Problem für den Naturalismus. Man müsste dann, wie auch an anderen Stellen, Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Und vielleicht etwas vorsichtiger sein, wenn man meint, Schöpfungsgläubigen gegenüber die Evidenz auf seiner Seite zu haben.

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