Was bedeutet Fronleichnam 2019 für die zeitgenössischen Katholiken? Worauf kommt es ihnen an? Und worauf vermutlich nicht (mehr)?
Zunächst mal ist es bei religiösen Zeremonien im Freien generell immer von Vorteil, wenn die Sonne scheint. Denn dann hat es der liebe Gott natürlich gut gemeint mit seinen Anhängern.
Würde es während des Umzuges, der Tiersegnung, Gebäudeeinweihung oder beim Feldgottesdienst regnen, müsste der Herr Pfarrer einmal mehr die Unergründlichkeit der Wege seines allgnädigen Allmächtigen zu dessen Entschuldigung ins Feld führen.
Auch für alle anderen möglichen meteorologischen Konstellationen hätte er bei Bedarf natürlich passende Interpretationen auf Lager. Hört es zum Beispiel kurz vor der Zeremonie auf zu regnen, hatte „Petrus“ dann doch noch ein „Einsehen.“ So oder so ähnlich ist dann oft in der Zeitung zu lesen.
Aber zurück zu Fronleichnam 2019:
Traditionelle Deko-Basteleien zu Fronleichnam
Eine wichtige Komponente scheint nach wie vor die gesellschaftlich-folkloristisch-traditionelle Komponente zu sein. Sicher freuen sich nicht wenige der überwiegend weiblichen Katholiken schon das ganze Jahr darauf, in stundenlanger Handarbeit mit Blumen, Blüten und Blättern gemeinsam aufwändige Motive neben die Straßen zu zaubern.
Wie auf den Fotos zu den zahllosen Berichten über Fronleichnam 2019 zu erkennen ist, scheinen hier neben allerlei fischigen oder kreuzigen Motiven auch Wappen nach wie vor sehr beliebt zu sein. Dass solche Insignien den (sehr weltlichen) klerikalen Machtanspruch aus früheren Zeiten einerseits und die kirchlichen Verbindungen zu weltlichen Machthabern andererseits symbolisieren, dürfte zumindest die Blumenkünstlerinnen selbst kaum weiter ins Grüblen bringen. Das war schon immer so. Und dann ist das halt so.
Aber die Wahl der Motive dürfte dabei sowieso nur eine genauso untergeordnete Rolle spielen wie in der katholischen Kirche diejenigen, die dem Heiland mit ihrer vergänglichen Kunst eine Freude machen wollen.
Viel wichtiger ist wohl das Gemeinschaftserlebnis. Und natürlich die Anerkennung für die farbenfrohen Ergebnisse. Nicht vom Heiland. Sondern von den Glaubensbrüdern und -schwestern. Und natürlich von der Lokalpresse: Unser Bild war sogar in der Zeitung!
Ein bisschen Glaube muss schon auch noch sein
Und schließlich braucht es noch einen, je nach Verfügbarkeit gerne hochrangigen Kirchenvertreter. Einen, der mit salbungsvollen und vernebelnden Wortgirlanden dafür sorgt, den eigentlichen Inhalt des Festes so zu verzieren, dass dieser möglichst leicht verdaulich konsumiert werden kann.
In Fulda klingt das dann zum Beispiel so:
„Jesus will dabei sein auf den unterschiedlichen Straßen unseres Lebens“, unterstrich Bischof Gerber in seiner Predigt im Fuldaer Dom. Dies sei die Botschaft, die den Gläubigen beim Zug mit der Monstranz durch die Straßen sinnbildlich vor Augen geführt werde. „Im eucharistischen Mahl verinnerlichen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes diese Realität. Wenn das tief in unserer Seele als Wirklichkeit erfahrbar wird, dann können wir anders auf den Straßen unseres Lebens unterwegs sein, gestärkt und gesandt.“ (Quelle: Auf den Straßen des Lebens Katholiken feiern Fronleichnam – Bischof Gerber predigt im Dom, mr/pm via osthessennews.de am 21.6.2019)
Gestärkt und gesandt
Ausgerechnet in diesem Zusammenhang von „Realität“ und „Wirklichkeit“ zu sprechen, erscheint bei Licht betrachtet dann doch geradezu grotesk: Um den Gläubigen zu suggerieren, der biblische Romanheld und Gottessohn habe ein Interesse an ihren Schicksalen, verzaubern Männer, die sich zu Priestern oder Höherem berufen fühlen Oblaten in Fleisch ihres Halb- bzw. Drittelgottes und tragen es feierlich und goldverziert durch die Stadt.
Man stelle sich mal kurz eine beliebige andere Glaubens- oder sonstige Gemeinschaft vor, die ihren Anhängern verspricht, dass diese „gestärkt und gesandt“ seien, wenn sie den unehelichen Sohn ihres Gottes in Form von in Menschenfleisch verwandelten Backoblaten aufessen. Vermutlich kämen auch Katholiken hier ins Grübeln, was sie von dieser Gemeinschaft und ihren Anhängern halten würden… Natürlich nur, solange es nicht um ihren eigenen Aberglauben geht.
Wenn es nach Herrn Bischof Gerber geht, reicht der Verzehr allein allerdings noch nicht aus, um den versprochenen Effekt zu erzielen.
Realität, die tief in unserer Seele als Wirklichkeit erfahrbar ist
Denn dazu bedarf es, ähnlich wie bei anderer Esoterik auch, zusätzlich noch des Glaubens an die Wirksamkeit. Ja, sogar noch mehr als das: Dieses magische Power-Up müsse schon als Teil der erfahrbaren Wirklichkeit anerkannt werden, damit sich Jesus dem persönlichen Road Trip des Lebens anschließt.
Gerade versucht ein Süßwarenhersteller mit einer strafbewehrten Unterlassungsklage, die öffentliche Behauptung zu verbieten, seine als Heilmittel verkauften Kügelchen hätten keine nachweisbare, über den Placeboeffekt hinausgehende medizinische Wirkung.
Die Zeiten, in denen das Christentum noch viel drastischere Methoden anwandte, um kritische Menschen von der unumstößlichen Wahrheit ihrer sowieso schon einzig wahren Lehre zu überzeugen, sind zumindest hierzulande dank Aufklärung und Säkularisierung praktisch vorbei.
…da habe ich was für Sie
Im Gegenteil: Herr Gerber stellt die göttliche Wegbegleitung als eine Art optionales Angebot dar. Also als etwas, das man entweder annehmen könne. Oder eben auch nicht:
- „Sie fühlen sich schwach? Ihr Leben erscheint Ihnen sinnlos? Dann versuchen Sie es doch mal mit einer von diesen Oblaten, die ich gerade für Sie in Menschenfleisch verwandelt habe! Dann macht sich Jesus auch mit Ihnen auf den Weg!“
Dass Gott schon allein den Gedanken an eine Ablehnung seines Angebotes laut biblisch-christlicher Lehre mit zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Dauerfolter durch Höllenqualen bei vollem Bewusstsein ahndet, verschweigt der Oberhirte.
Im Grunde kann es der Kirche heute völlig egal sein, was ihre Anhänger über ihre absurden Dogmen und frei erfundenen Heilsversprechen denken. Hauptsache, sie treten nicht aus.
Am eigentlichen Produkt, das die Kirche ihren Anhängern früher exklusiv in Aussicht gestellt hatte, kann hat heute kaum noch jemand ernsthaft Interesse haben: Schon allein wegen der absurden Prämissen hoffnungslos unplausibel, die Lehre zu offensichtlich nur das Ergebnis von zu bestimmten Zwecken instrumentalisierter menschlicher Fiktion, die moralischen Standards völlig veraltet und unbrauchbar, die Institution Kirche jeglicher Vertrauenswürdigkeit verlustig…
Ein Fest wie Fronleichnam, das keine Flankierung durch Kommerzialisierung hat wie zum Beispiel Weihnachten oder Ostern, hat es da sicher schwer. Besonders bei den Wischiwaschi-Christen. Für die das, worum es hier eigentlich gehen soll, im Grunde längst praktisch bedeutungslos geworden ist.
Nur das Allernötigste…
Und deshalb gibts beim neuen Fuldaer Bischof auch offenbar nur noch das Allernötigste. Leicht ironisiert würde ich von außen betrachtet die bischöflichen Worte (und die dahinter vermuteten Gedanken) in etwa wie folgt zusammenfassen:
- Damit euch Jesus helfen kann (was er gerne möchte – glaubt mir, ich bin Bischof, ich weiß, wovon ich rede), verwandle ich diese Oblaten hier jetzt Kraft meines Amtes in sein Fleisch. Das sogar ihr Schafe dann feierlich, andächtig und vor allem „ganz in Echt“ aufessen dürft. Auch das möchte er gerne so haben.
- Das ändert allerdings nichts daran, dass ihr nächstes Mal wieder genauso sündige und erlösungsbedürftige Schafe seid wie jetzt auch schon. Aber das muss so sein; schließlich müssen wir Kleriker auch von etwas leben. Und die ganz große Belohnung verspreche ich sowieso erst für dann, wenn mich niemand mehr haftbar machen kann…
- Möge euch der Verzehr einmal mehr darin bestärken, alles Positive, was euch bis zur nächsten Zeremonie widerfährt, als Beweis für die Wahrheit meiner Worte und damit für die Wirksamkeit dieses Rituals zu deuten!
- Eines Rituals, das keinesfalls nur symbolisch zu verstehen ist! Ihr müsst schon wirklich echt so tun, als ob ihr hier echtes Menschenfleisch des Gottessohnes verköstigt! …Aber das muss ich euch ja nicht unbedingt so deutlich erkennbar unter die Nase reiben… Denn eigentlich genügt es schon, wenn ihr ein bisschen mitbetet, singt, zur richtigen Zeit niederkniet und ansonsten mal andächtig zum Altar statt aufs Handy schaut. Ach so, und den Klingelbeutel bitte nicht einfach nur weiterreichen. Jeder Cent hilft (der Kirche). Vergelt’s Gott.
- Und wenns dann trotz der göttlichen Speisung doch mal nicht so laufen sollte wie erhofft, hattet ihr das Menschenfleisch ganz offensichtlich noch nicht ordentlich verinnerlicht. An Jesus kanns jedenfalls nicht gelegen haben. Glaubt mir, ich bin Bischof, ich weiß das. Ich habe das ganz tief in meiner Seele erfahren.
- Wenn du nichts gespürt hast, du dich von Jesus im Stich gelassen gefühlt hast oder wenn deine Wünsche nicht in Erfüllung gegangen sein sollten – mache dir nichts draus. Jesus verzeiht dir deine Schwäche! …aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund! Laudato sí!
Fronleichnam: Und jetzt?
Wer meint, diese Vorstellungen seien von besonderer Bedeutung für sein Leben, der möge sich freilich gerne der katholischen Ontologie Phantasiewelt hingeben. Selbst dann, wenn im biblisch-christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzept den Un- und Andersgläubigen ewige Höllenqualen angedroht werden.
Dank Aufklärung und Säkularisierung sind die Gedanken heutzutage und hierzulande (noch) freier denn je. Solange Menschen noch die Freiheit haben, diese Lehre zu kritisieren oder sich auch mal über sie lustig zu machen, ist kaum etwas dagegen einzuwenden.
Wem das Festhalten an grotesker vormittelalterlicher Mythologie sinnvoll erscheint oder wer dies in Kauf nimmt, weil er eben Spaß an Weihrauch, salbungsvollen Reden, gemeinsamem Singen, Niederknien und Beten hat: Warum nicht!
Natürlich meint es Herr Gerber sicher nur gut, wenn er Menschen zu Fronleichnam erzählt, Jesus würde ihnen Kraft verleihen, wenn sie diesen verspeisen. Dass er Menschen damit bis zum Beweis des Gegenteils in die Irre führt, ist ihm vielleicht tatsächlich gar nicht bewusst. Aber solange es noch einen Markt dafür gibt…
Auch wenn es freilich jede Menge guter Gründe gibt, die gegen eine Vermischung von religiösen Wunschvorstellungen und der irdischen Wirklichkeit sprechen: Solange das Gesetz über der Religion steht, sodass dadurch keine Interessen Anderer verletzt werden, möge ein/e jede/r glauben, was auch immer glaubwürdig erscheinen mag. Bis das Weihrauchfass glüht und das Weihwasser kocht.
Nur sollte das dann bitte die Privatangelegenheit Erwachsener sein und nicht auf Kosten der Allgemeinheit geschehen.
Der Tod Jesu, den wir im Abendmahl feiern, ist mir sehr wichtig, denn er hat uns Menschen damit die Erlösung gebracht (die wir annehmen oder verwerfen können). Dass Wein und Brot (in der kath. Kirche als Hostie dargestellt) jedoch die körperliche Gegenwart Jesus darstellen soll, ist wenig glaubhaft. Heute dient die Hostie in der Monstranz zur Verehrung (sprich Anbetung) und das hat Gott schon im Alten Testament verboten. „Ihr sollt euch kein Bildnis machen“ 2. Mose 20, 4 od. 5. Mose 5, 8 und an vielen andern Stellen. In Religionen taten und tun die Menschen solche Dinge. Wir sollen Gott allein anbeten und verehren, den nicht sichtbaren aber gegenwärtigen Herrn.
Hallo Rosemarie Mopanda,
vielleicht kannst Du mir die Fragen beantworten, die bisher niemand widerspruchsfrei beantworten konnte:
Von was genau soll uns der Tod des Jesus denn errettet haben? Und sind erst all die Menschen, die zu seinen Lebzeiten und danach gelebt haben, errettet worden oder auch die, die davor gelebt haben?
Und muss man eine bestimmte Bedingung erfüllen, um zu den Geretteten zu gehören, oder gilt das für alle Menschen? Und warum konnte der allmächtige Gott die Rettung nicht mit einem Fingerschnippen erledigen, sondern nur durch die Folterung und Ermordung seines Sohnes, der ja ein Teil von ihm selbst, also im Prinzip er selbst war? Wenn er die Mneschen erretten wollte, hätte er das doch auch ohne dieses Theater machen können?
Du siehst schon, alleine in meinen Fragen tun sich Abgründe von Irritationen auf. Da Du Dich aber offensichtlich mit der Materie auskennst, wäre es schön, wenn Du mir meine Fragen beantworten könntest.
Gruß
Doris Köhler
Liebe Doris!
Der doch so selbstlose, aufopfernde Liebestot und das vorausgehende Leiden am Kreuz von Jesus, rettet uns vor der grausamen Welt, die Gott sein/der Vater selbst erschaffen hat!
Unterwerfe Dich mir völlig und devot und ich errette Dich!
Und wenn nicht, kommst Du in die Hölle wo Du unentlich gefoltert wirst!
Also, wir müssen die vermurkste Schöpfung von Gott ausbaden, weil Gott sich in seiner überheblichen Arroganz, scheinbar maßlos überschätzt hat!
Bei genaurem Hinsehen, ist die ganze Hinrichtung von Jesus völlig absurd und grotesk!