Der Tod und der Trost – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 11 Min.

Der Tod und der Trost – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 1.11.2019 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Mit einer sogar für das „Wort zum Sonntag“ außergewöhnlich großen Häufung von Scheinargumenten und rhetorischen Winkelzügen versucht Frau Eichert diesmal, ihrer Glaubenslehre irgendetwas Tröstliches zum Thema „Tod und Trauer“ abzuringen. Schon allein die hohe Konzentration an rhetorischen Taschenspielertricks, aber auch die augenscheinlichen Denkfehler lassen vermuten, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist.

Tod und TrostIn der biblisch-christlichen Mythologie spielt der Tod eine, wenn nicht die zentrale Rolle.

Diejenigen, die sich diese Religion ausgedacht hatten, bedienten sich einer Taktik, die bis heute erstaunlich erfolgreich angewendet wird:

Die Berufschristen binden Menschen mit einer Lehre an sich, mit der bereits latent vorhandene Ängste (vor dem Tod) verstärkt und das Thema mit einer magisch-esoterischen Bedeutung aufgeladen wird. So vorbereitet, sind die Anhänger dann besonders empfänglich für den Trost, den die Annahme und Ausübung dieses Glaubens zu bieten scheint.

Das Vorgehen erinnert an den Konzern, der sowohl Bonbons, als auch Zahncreme herstellt.

Am eigentlichen „Problem“, dem Tod an sich, ändert diese, im besten Fall zumindest tatsächlich hoffnungsvoll erscheinende religiöse Illusion von Jenseits und Erlösung freilich nichts.

Tod kann schmerzhaft sein – für die Hinterbliebenen

Keine Frage: Der Sterbeprozess kann für den Sterbenden sehr schmerzhaft sein. Der Tod nicht.

Der Verlust durch den Tod eines geliebten oder geschätzten Menschen kann tief schmerzen. Aber nur die Hinterbliebenen. Nach allem, was wir heute wissen, hat, wer tot ist, aufgehört, Schmerz, Trauer, Erleichterung oder sonstwas zu empfinden. Wer an ein Jenseits glauben möchte, um aus dieser Vorstellung Trost zu schöpfen, der muss sich eine Ausrede dafür ausdenken, dass dies nicht so ist. Sondern irgendwie anders.

Dabei soll schon Epikur gewusst haben:

  • „Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an;
    denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da,
    und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.“
    (Quelle: Brief an Menoikeus, 125, überliefert in der Epikur-Biographie im 10. Buch der ca. 220 n. Chr. entstandenen antiken Philosophiegeschichte „Leben und Lehren berühmter Philosophen“ von Diogenes Laertios; Übersetzung von Olof Gigon, philo.uni-saarland, Zit. n. wikiquote.org)

In den meisten Kulturen existiert die Trauer als Strategie zur Bewältigung eines solchen Verlustes. Auch bei bestimmten Tierarten haben Forscher Verhaltensweisen beobachtet, die sie als Audruck von Trauer deuten.  Einschließlich Trost und sogar Trauerritualen. Jedoch wohl ohne Götterphantasien.

Trauer ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Aber: Sie betrifft eben lediglich die Hinterbliebenen. Für den Verstorbenen ist die Show mit dem eigenen Tod vorbei. Der letzte Vorhang gefallen. Der gleiche Zustand wie vor dem Beginn des Lebens.

Nach diesen Vorüberlegungen zum Thema Tod jetzt aber zu Lissy Eicherts theologischer Trickparade.

Los gehts mit der Verallgemeinerung, um eine bestimmte Sichtweise als für alle Menschen zutreffend erscheinen zu lassen:

Vor dem Trost gibts erstmal mulmige Gefühle für alle

Nach dem Einstieg mit einer Anekdote aus dem Berufsalltag von Frau Eichert, in der eine Witwe am Grab feststellt, dass ihr gerade ins Grab hinabgelassene Mann „nicht da“ sei, folgt erstmal die offenbar unverzichtbare Verallgemeinerung, mit der Frau Eichert auch diesmal ihre Ansichten auf ihr Publikum zu übertragen versucht:

Niemand mag den Gedanken, einmal sterben zu müssen. Das eigene Ende löst mulmige Gefühle aus. Den Wunsch, das Leben möge ewig währen. Oder auch die Enttäuschung: „Das kann es doch nicht gewesen sein!“
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Der Tod und der Trost – Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 1.11.2019 von ARD/daserste.de)

Keine Frage: All das kann natürlich vorkommen.

Aber: Die Option, dass jemand vielleicht ein ganz natürliche, unverkrampfte und vor allem wirklichkeitskompatible Einstellung zum eigenen Tod hat, scheint es für Frau Eichert nicht zu geben. Klar: Nur wer ein Problem mit seinem Tod hat, kommt als Interessent für religiöse Heilsversprechen in Frage.

Augen geöffnet und Trost geschenkt – von wem?

In der Konfrontation – am offenen Grab – wurden der Witwe die Augen über die Grenze hinaus geöffnet. Ein lichter Moment. Ihr wurde Trost geschenkt: Hier ist er nicht; hier liegt nur die sterbliche Hülle.

Hier fällt zunächst die Passiv-Formulierung auf. Offenbar möchte Frau Eichert hiermit suggerieren, dass hier gerade irgendetwas „Übernatürliches“ geschehen sei.

Der „lichte Moment“ könnte genauso (und meines Erachtens viel wahrscheinlicher) eher das Gegenteil dessen gewesen sein: Ein Moment geistiger Umnachtung.

Ein „Nicht-wahrhaben-Wollen“ des Verlustes ihres Mannes. Oder auch einfach nur eine Ersatzhandlung zur Bewältigung der schmerzhaften Realität.

Das erscheint mir jedenfalls wesentlich plausibler als die hier sicher nicht zufällig im Passiv formulierten Darstellung, die suggeriert, ein Augen öffnendes und tröstendes Irgendwas habe hier seine Finger oder was auch immer im Spiel..

Religiös instrumentalisierte Herbstdepression

Der November ist der Monat mit dem „Trauerflor“. […] Am Monatsende folgen dann der Volkstrauertag und der Totensonntag, der – viel schöner – Ewigkeitssonntag heißt.

Erstmal ist der November ein Monat wie jeder andere auch.

Wer aber, wie die Kirche, ein großes Interesse daran hat, dass Menschen ihre eigene Endlichkeit möglichst ihr ganzes Leben lang als etwas Bedrohliches, Ungerechtes oder auch Kränkendes wahrnehmen, dem passt der November mit Nebel, Dunkelheit und Kälte natürlich besser ins Konzept als zum Beispiel der Wonnemonat Mai.

Und was den viel schöneren Ewigkeitssonntag angeht: Hierzu fände ich es interessant, mal von Frau Eichert zu erfahren, was genau denn an einer wie auch immer gearteten Ewigkeit eigentlich so viel erstrebenswerter, so viel schöner sein soll als die ehrlicherweise nun mal sowieso (und wohl auch noch bis auf Weiteres) unausweichliche Akzeptanz der Tatsache, dass sämtliches Leben früher oder später unweigerlich mit dem Tod endet. Ohne jenseitige Nachspielzeit.

…nur bedingt

Menschliche Zuwendung kann diesen leeren Platz im Herzen nur bedingt füllen.

Was Frau Eichert hier schon anteasert, wird sich gleich noch bestätigen. Ihre Aufgabe besteht ja darin, das von ihr vertriebene Produkt anzupreisen: Die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Und da gilt es, den Glauben als etwas Wertvolles, Bedeutsames darzustellen. Vielleicht sogar als etwas Unverzichtbares. Zumindest aber, und darum geht es heute, als etwas, das Trost spenden kann.

Nicht zuletzt in Anbetracht der desaströsen Entwicklung der Mitgliederzahlen kann man schon nachvollziehen, dass moralische Bedenken bei der Bewerbung der Glaubenslehre schon mal außen vorbleiben müssen.

Da kann man schon mal auf die Idee kommen, den Wert menschlicher Zuneigung zu diskreditieren. Um dann die eigene magisch-esoterische Religionsfiktion als etwas ins Spiel zu bringen, das wirklichen, unbedingten Trost spenden könne.

Was tröstet wirklich?

Was tröstet wirklich? Ist der Glaube an ein Leben nach dem Tod ein Trost oder doch bloß Vertröstung? Der Atheismus scheint da so realistisch: Der Tod ist das Ende. Aus die Maus.

Atheismus bedeutet...Vorab und gerne auch immer wieder, so lange noch erforderlich:

  • Atheismus bedeutet einfach nur, nicht so zu tun, als gäbe es Gott/Götter.

Nicht mehr und nicht weniger. Atheismus ist keine Aussage zum Thema Leben und Tod.

Aber mit solchen Details hält sich Frau Eichert nicht auf.

Der Versuch, vermittels einer Formulierung wie „Der Atheismus scheint da so realistisch“ den Eindruck zu erwecken, es scheine nur realistisch, dass der Tod das Ende des Lebens ist, zeugt von einer intellektuellen Hilflosigkeit, bei der man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Atheismus scheint realistisch?

Dass die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt gar keine Frage von Atheismus ist, hatten wir gerade schon festgehalten.

Die Aussage, das Leben würde mit dem Tod enden scheine realistisch ist ungefähr ähnlich sinnvoll (bzw. sinnfrei) wie es zum Beispiel die Behauptung wäre, es scheine realistisch, dass Dinge zu Boden fallen und nicht in den Himmel.

Klar: Frau Eichert dürfte sehr wohl bewusst sein, dass sich auch die christlichen Jenseitsfiktionen mit dem aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand redlicherweise nicht in Einklang bringen lassen.

Angetäuschte Flucht nach vorne

Für den Versuch, diese Unvereinbarkeit von wissenschaftlichem Erkenntnisstand und religiöser Wunschvorstellung zu bewältigen, wendet Frau Eichert ein altbekanntes Ausweichmanöver an. Dieses bezeichne ich als „Angetäuschte Flucht nach vorne“:

  • Sprich das, was deine Behauptung widerlegt klar aus, gehe dann aber nicht weiter darauf ein, sondern fahre mit deiner Rede fort und hoffe, dass niemand nochmal nachfragt. So erweckst du den Eindruck, du seiest auf das Gegenargument eingegangen, obwohl du gar nichts dazu gesagt hast.

Wobei Frau Eichert ihr Zugeständnis an das vernünftige Denken schon gehörig theologisch vernebelt präsentiert. Klar: Die Endlichkeit des Lebens lässt sich natürlich leichter in Frage stellen, wenn man sie zunächst von einer widerspruchsfrei nachweisbaren und beobachtbaren Tatsache zu einer realistisch scheinenden Option des Atheismus herabstuft.

Die unvernebelte Variante…

Frau Eichert hätte an dieser Stelle auch die Karten auf den Tisch legen können. Zum Beispiel so:

  • Bis heute weiß kein Mensch, was Menschen nach dem Tod erwartet. Genauso, wie kein Mensch wissen kann, ob Russells berühmte Teekanne nicht doch ihre Bahnen durch den Orbit zieht.
  • Nach allem, was wir bis heute wissen, spricht nichts dafür, dass menschliche Persönlichkeiten nach ihrem Tod als solche weiterexistieren. Wohingegen die wunderlichsten Jenseits-Narrative in vielen Kulturen vorhanden waren und sind.
  • Auch das Christentum bietet seinen Anhängern einen Jenseitsmythos, den wir Berufsgläubige unserer Kundschaft heute als Trost spendende, hoffnungsvolle Illusion verkaufen.

Ein solches Vorwort wäre redlicher und ehrlicher gewesen als das – pardon – Gefasel vom endgültigen Tod als Option eines „scheinbar realistischen“ Atheismus. Ob Frau Eichert aber von diesem Eingeständnis aus nochmal eine halbwegs brauchbare Überleitung zu ihrer eigentlichen Trost-Verkündigung gefunden hätte, ist fraglich.

Ob vernebelt oder ehrlich: Man entkräftet ein Gegenargument nicht, indem man es vor der eigenen Behauptung einfach nur nennt. Dieses Vorgehen entlarvt das Manöver als billigen rhetorischen Taschenspielertrick. Wie er nicht nur, aber immer wieder gerne auch in religiösen Verkündigungen anzutreffen ist.

Spooky? Nein. Fantasy? Ja.

Interessant finde ich, dass Jesus auch von einem Tröster spricht. Er sagt, dass der Heilige Geist die Jünger und Jüngerinnen nach seinem irdischen Abschied trösten wird. Ist das spooky? Fantasy?

Auch hier stellt Frau Eichert wieder ihre eigentliche Aussage vorab (rhetorisch) in Frage, ohne jedoch weiter darauf einzugehen. Dafür gibts zu den biblischen Jüngern noch ein paar Eichertsche Jüngerinnen dazu.

Spooky? Nein. Fantasy? Ja. Interessant? Nein.

Wenn man von einem wirklichkeitskompatiblen Standpunkt ausgeht und damit von der Annahme, dass es auf Erden „mit rechten Dingen“ zugeht, dann sind magische Vorstellungen im Reich der Phantasie angesiedelt. Was freilich nicht bedeutet, dass nicht auch ein eingebildeter Trost als tröstlich empfunden werden kann.

Bis heute ist mir kein einziges Beispiel bekannt, in dem sich Magie und Esoterik als die richtigere oder wenigstens plausiblere Erklärung für ein Phänomen erwiesen hat als jede andere Begründung. Einschließlich der Erkenntnis: „Wir wissen es einfach (noch) nicht.“

Archaische Mythen, Märchen und Legenden mögen noch einen gewissen Unterhaltungswert bieten. Sie sind aber irrelevant, wenn es um die irdische Wirklichkeit außerhalb menschlicher Phantasie, Einbildung und Wunschvorstellung geht. Gegen Phantasie ist freilich nichts einzuwenden. Gegen die vorsätzliche Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit allerdings schon.

Wer trauernden Menschen Glauben macht, ein „Heiliger Geist“ würde proaktiv für Trost sorgen, der täuscht sie und führt sie in die Irre. Auch wenns ja sicher gut gemeint ist.

Falsches Dilemma

Bevor das Publikum durch diese pseudokritische Hinterfragung zu sehr ins Grübeln kommt, erzählt Frau Eichert lieber schnell noch etwas darüber, wie sie sich ihre Wirklichkeit durch religiöse Imagination erträglicher gestaltet.

Hier gibts ein weiteres Beispiel für typisch unredliche Argumentation. Diesmal in Form eines falschen Dilemmas, auch bekannt als falsche Dichotomie:

Ich kenne beides: die innere Leere, die Trockenheit der Seele – und dieses Gespür der Nähe Gottes, die mich aufbaut. Dass dieser versprochene Heilige Geist da ist, mir eine neue Sicht eröffnet.

Dass es neben dem, was Frau Eichert mit „innere Leere, die Trockenheit der Seele“ bezeichnet und einem ominösen „Gespür der Nähe Gottes“ (was für eine schwulstig-theologische Verschwurbelung von „Einbildung/Wunschvorstellung“) auch noch einen Zustand gibt, auf den weder die eine, noch die andere Beschreibung zutrifft, scheint in ihrer Wahrnehmung nicht zu existieren.

Klar: Wer alles Positive dem Wirken oder wenigstens der Absicht seiner Gotteseinbildung (bzw. deren Geisterdrittels) zuschreibt, dem kann schon mal entgehen, dass die meisten Menschen, die jemals gelebt haben auch ohne diese Einbildung genauso gut oder schlecht gelebt haben. Oder natürlich auch mit einem „Gespür“ für die Nähe ganz anderer Götter.

In Gedanken ist alles Beliebige möglich – auch ganz ohne Götter

In Gedanken kann ich die Beziehung zum Verstorbenen aufrecht halten; im Herzen bleibt die Verbindung zueinander.

Dazu braucht es keine Götter, Geister, Gottessöhne. Und auch kein wie auch immer imaginiertes Jenseits. Erinnern, aber auch Vergessen sind Leistungsmerkmale von menschlichen Gehirnen.

Eine Ahnung von Ewigkeit scheint auf, dass der Partner, die Freundin, nicht einfach tot sind, sondern „hinübergegangen“. In eine andere Dimension.

Diese „Ahnung“, die hier „aufscheint“, halte ich für eine Realitätsflucht. Eine solche Illusion kann freilich genauso als tröstlich empfunden werden wie etwa ein Alkoholiker oder ein Junkie seine Rauschmittel als tröstlich empfindet.

Who you gonna call? Ghostbusters!

Wenn Tränen getrocknet werden, Friede ins Herz kommt, kann ich den Heiligen Geist spüren.

GebetslogikHier lässt dich der Heilige- durch zum Beispiel Himbeergeist ersetzen, ohne dass sich etwas ändert. Außer, dass beim Himbeergeist der Alkohol wirkt und nicht nur der Placeboeffekt einer religiös induzierten Einbildung.

Spaß beiseite: Anhänger anderer Götter behaupten ebenfalls, dass durch ihre Götter „Friede ins Herz kommt.“ Geister lassen sich mangels Existenz bis zum Beweis des Gegenteils redlicherweise weder voneinander, noch von einer rein menschlichen Einbildung bzw. Wunschvorstellung unterscheiden.

Wer meint, in Wahrnehmungen oder Empfindungen das Wirken von Geistern zu spüren, der sitzt im besten Fall nur einem Bestätigungsfehler (confirmation bias) auf. Glauben im religiösen Sinne entspricht der Kultivierung eines chronischen Bestätigungsfehlers.

Das kann man natürlich machen. Aber wieso stellt man sich damit vor eine Fernsehkamera?

Ein „Roter Hering“ zum Nachtisch

Und als ob es nicht schon genug sprachliche Tricks und Ablenkungsmanöver in der heutigen Fernsehpredigt gegeben hätte, wirft Frau Eichert ihren Zuschauern gleich noch noch einen „Roten Hering“ hinterher:

Und begreife einmal mehr, dass Liebe stärker ist als der Tod.

Diese Phrase hat jeder sicher schon x-mal gehört. Und vermutlich hat jeder auch irgendeine vage Vorstellung, was damit vielleicht gemeint sein könnte.

Diese Formulierung lässt viel Raum für Interpretationen. Was freilich zur vorangegangenen Verkündigung passt. In eine Feststellung wie zum Beispiel: „Wir können Menschen auch nach deren Tod noch in liebevoller Erinnerung behalten“ wäre zwar sicher ehrlicher und realistischer als eine Formulierung, die so diffus und schwurbelig ist, dass man problemlos auch noch allerlei esoterisch-magische Fantasievorstellungen von anderen Dimensionen und sonstigen Jenseitsphantastereien hineinbasteln kann. Und darum scheint es ja eigentlich zu gehen.

Es folgt: Ein non sequitur

Ich kann mich kaum erinnern, schon mal eine solche Anhäufung von fehlerhafter Argumentation in so wenigen Zeilen Text gelesen zu haben. Denn während die Zuschauer noch auf dem Roten Hering herumkauen, gibts direkt noch einen vernebelten „non sequitur“ hinterher:

Dieser Trost ist real und deshalb bitte ich immer wieder um den Heiligen Geist.

Daraus, dass Frau Eichert den Trost, von dem sie sich vorstellt, er sei das Geschenk eines magischen Geisterwesens als real empfindet, folgt noch längst nicht, dass ein solches Wesen auch tatsächlich existiert und Trost spendet. Was ja der Fall sein müsste, damit es wenigstens theoretisch sinnvoll sein könnte, diesen Geist um irgendetwas zu bitten.

Formulierungen wie diese zeugen von einer wahren Meisterschaft in Sachen theologisch-rhetorischer Vernebelung von Absurditäten. Im Englischen bezeichnet man solche Formulierungen als „fishy“, im Fränkischen als „strümpfich“.

Natürlich kann es sein, dass Frau Eichert sich so etwas einbildet (von ihrem Bestätigungsfehler hatte sie ja gerade schon berichtet). Und es kann auch sein, dass sie diese Einbildung tatsächlich als tröstlich empfindet.

Erinnern wir uns an dieser Stelle kurz, dass Frau Eichert gerade noch die Anerkennung der Endlichkeit des Lebens als eine Option eines „scheinbar realistischen“ Atheismus bezeichnet hatte.

Es sei der geneigten Leserschaft überlassen, selbst zu überlegen, was sie für realistischer hält: Dass eine menschliche Persönlichkeit mit dem Tod aufhört zu existieren oder dass ein magisches Wesen Trost spendet.

Ganz realer Placebo-Trost

Es soll ja auch Menschen geben, die Medikamente ohne Wirkstoff als wirksam empfinden. Ich fände es interessant zu erfahren, ob Frau Eichert der Feststellung zustimmen würde, dass ihr Heiliger Geist keine nachweisbare Wirkung hat, die über den Placeboeffekt hinausgeht.

Eine Möglichkeit, die vermeintliche Geisterursache ihres Trost-Empfindens von einer Einbildung/Wunschvorstellung zu unterscheiden, hat sie nicht. Weil sich redlicherweise nichts mit dem Wirken von magischen Entitäten in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt.

Das scheint auch Frau Eichert irgendwie bewusst zu sein. Und deshalb bezeichnet sie auch den Trost als real. Und nicht etwa den „Heiligen Geist.“

Dass es diesen ja geben müsste, um ihn sinnvollerweise um irgendetwas bitten zu können – diese Transferleistung überlässt sie sicher nicht zufällig ihrem Publikum. Wiedermal sauber aus der Redlichkeitsaffäre gezogen…

Das kann ja jede/r behaupten…

Ganz so stark scheint Frau Eicherts Vertrauen in die diesbezüglichen Fähigkeiten ihrer Zuschauer dann allerdings doch nicht zu sein. Deshalb gibt es – jetzt aber wirklich zum Abschluss – noch ein letztes ungültiges Scheinargument: Die gute alte Ad Hoc-Hypothese:

Es ist das ultimative Geschenk Gottes, am Ende das ewige Glück zu finden.

Das kann ja jede/r behaupten. Und bei Bedarf den Begriff „Gott“ mit irgendeinem beliebigen Phantasienamen ersetzen. Ohne dass sich an der (Un-)gültigkeit bzw. (Un-)plausibilität dieser Aussage irgendetwas ändert.

Zusammenfassung…

Die heutige Verkündigung von Frau Eichert lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Der Verlust von geliebten Menschen kann für die Hinterbliebenen eine schmerzhafte Angelegenheit sein.
  • Trauer ist ein höchst individueller Prozess, der inhaltlich und zeitlich sehr unterschiedlich verlaufen kann.
  • Menschen können sich gegenseitig Trost spenden.
  • Auch die liebevolle Erinnerung an einen Verstorbenen wird oft als tröstlich empfunden.
  • Spätestens dann, wenn die Trauer länger als üblich (manche Psychologen geben hier wenige Wochen als Zeitraum an) so belastend ist, dass sie die Bewältigung des Alltags beeinträchtigt, sollte man Unterstützung in Anspruch nehmen.

…und Ergänzung

Wäre das „Wort zum Sonntag“ keine Kirchen-Dauerwerbesendung, dann wäre noch zu ergänzen:

  • Religionen und andere Esoterik bieten viele Möglichkeiten, aus der irdischen Realität in Jenseitsvorstellungen aller Art zu entfliehen. Eine solche Realitätsflucht wird mitunter tatsächlich als tröstlich empfunden. An welches Jenseits, an welche Götter oder Geister man dabei glaubt, macht für den Effekt genauso keinen Unterschied wie es keinen Unterschied macht, welche Globuli man zu sich nimmt.
  • Wenn jemand Fiktionen wie Jenseits, Geister und Götter nicht für wahr hält, dann heißt das nicht, dass er deswegen trost-los sein muss.
    Im Gegenteil: Viele Menschen empfinden gerade die Endlichkeit als wesentlich tröstlicher als die Vorstellung einer wie auch immer gearteten Unendlichkeit. Und das sind keine Fatalisten oder Nihilisten. Sondern Menschen, die bereit sind, die natürlichen Gegebenheiten des Daseins im irdischen Diesseits zu akzeptieren. Statt erfundene Jenseitsphantasien für wahr zu halten, um der Realität nicht in die Augen schauen zu müssen.

Weiterlesen

  • Hugo Stamm via hpd.de: Der Glaube an ein Leben nach dem Tod sinkt
  • Jakob Purkarthofer via hpd.de: Begräbnis ohne Gott – Humanistischer Verband Österreichs will konfessionsfreie Trauerredner ausbilden
  • Hugo Stamm via hpd.de: Der Tod ist eine Gemeinheit
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2 Gedanken zu „Der Tod und der Trost – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Frage an Frau Eichert: Woher wissen Sie, dass Sie den Heiligen Geist spüren – und nicht den Erzengel Michael, irgend einen namenlosen Trostspenderengel, Meister Yoda oder gar Beelzebub, der sich mit Ihnen und Ihren Hörern einen kleinen Schabernack erlaubt? Grundsätzlich kämen auch unser in Bayern allseits beliebter Boandlkramer oder Apollo auf Auslandspraktikum in Frage. Oder …

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