Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Holyween statt Halloween“

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Holyween statt Halloween“, veröffentlicht am 31.10.2020 von osthessennews.de

Achtung: Dieser Beitrag enthält Bilder, die auf nicht religiös indoktrinierte Menschen verstörend (oder gestört) wirken könnten.

Das Halloween-Fest scheint der Kirche ein ganz besonderer Dorn im Auge zu sein. Alljährlich melden sich Berufschristen zu Wort, um auf die Bedeutung des Tages aufmerksam zu machen, die sich das Christentum ausgedacht hatte.

Dieses Jahr versucht sich Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda an der christlichen Bewältigung von Halloween. Los gehts mit dem Hinweis, dass sich Halloween inzwischen ja „nicht mehr nur in den USA großer Beliebtheit“ erfreue. Einen weiteren, aus kirchlicher Sicht unerfreulichen Aspekt nennt er gleich im Anschluss:

[…] Auch in Deutschland ist das Gruselfest der Gespenster, Kürbisse und Verkleidungen seit einigen Jahren angekommen und lässt die Kassen in den Kaufhäusern und Supermärkten klingeln.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Holyween statt Halloween“, veröffentlicht am 31.10.2020 von osthessennews.de)

Wie ärgerlich: Der Einzelhandel profitiert, die Kirche geht leer aus.

Allerheiligen gehört zu den christlichen Festen, die ohne kommerzielle Flankierung geblieben sind. Und die deshalb, wie zum Beispiel auch Pfingsten, außerhalb christlicher Kreise auch so gut wie keine Rolle mehr spielen. Nicht mal dann, wenn sie mit einem arbeitsfreien Tag für alle verbunden sind.

Samhain – Das Original seit 500 v. u. Z.

In der keltischen Geschichte sagt man, dass die Bedeutung von Halloween auf dem keltischen Fest „Samhain“ beruht und schon 500 v. Chr. gefeiert wurde – immer am keltischen Neujahr, dem 31. Oktober!

Das sagt man nicht in der keltischen Geschichte. Sondern in der historischen Forschung über die keltische Geschichte. Und: Diese Datierung merken wir uns mal für später.

Glaubt man der christlichen Tradition, liegt der Ursprung und die Bedeutung von Halloween in der Bezeichnung „All Hallows‘ Eve“. Damit ist der Abend vor dem „All Hallows‘ Day“, also vor Allerheiligen gemeint. Allerheiligen ist am 1. November, folglich ist „All Hallows‘ Eve“ der 31. Oktober – genau dann, wenn Halloween weltweit gefeiert wird.

Auch wenn ein Glaube zur Tradition werden kann und auch, wenn viele Menschen nur noch aus traditionellen Gründen glauben, ist die Frage nach dem Ursprung von Traditionen keine Glaubenssache.

Vielmehr besteht die christliche Tradition (wie bei vielen anderen christlichen Festen auch) darin, eine Geschichte zu konstruieren oder aus der eigenen Mythologie so zurecht zu biegen, dass sie den Anschein erweckt, es handle sich dabei um ein christliches Fest.

Gerade noch hatte Herr Buß die Entstehung des Festes auf das Jahr 500 vor unserer Zeitrechnung datiert. Also auf einen Zeitpunkt lange vor Entstehung des Christentums. Und natürlich noch früher als das Entstehen der Legenden um die Heiligen, zu deren Verehrung Christen an Allerheiligen aufgerufen sind. Damit kann die religiöse Vereinnahmung durch das Christentum erst viel später stattgefunden haben. Und somit nicht Ursprung von Halloween sein.

Wenn es um die Frage nach dem Ursprung geht, dann handelt es sich dabei nicht um eine Glaubens-, sondern um eine geschichtliche Frage.

Was ist denn nun der Ursprung von Halloween?

Ursprünglich war also der 31. Oktober aber kein Gruseltag, sondern das Fest der christlichen Iren, die den Vorabend von Allerheiligen feierten.

Diese Behauptung soll wohl über den Umstand hinwegtäuschen, dass das Fest eben nicht christlichen Ursprungs ist:

  • Der Religionsethnologe Sir James Frazer beschrieb in seinem Standardwerk The Golden Bough (in der Ausgabe von 1922) Halloween als „altes heidnisches Totenfest mit einer dünnen christlichen Hülle“ […]
  • Bereits im Zug der hochmittelalterlichen wie später im Zuge der irischen Renaissance wurden einige der christlichen Aspekte bereits wieder auf tatsächliche oder angenommene heidnische Traditionen projiziert. Die entsprechende Wechselwirkung und zugehörige Widersprüche sind bis in die Gegenwart verbreitet.
    (Quelle: Wikipedia)

Hier scheint sich Herr Buß die Faktenlage so zurechtzuformulieren, wie sie seiner Wunschvorstellung entspricht. Wenn es um den Auftrag geht, dem christlichen Glauben noch irgendeine Relevanz zu verleihen, dann darf man das offenbar nicht zu genau nehmen.

Religiöse Indoktrination von Kindern stoppen!

Statt den Umstand einfach zu akzeptieren, dass eben auch noch Feste anderer Kulte existieren und dass sich andere Riten und Gebräuche größerer Beliebtheit erfreuen als das, was man selbst zu bieten hat, mag die Kirche hier offenbar nicht tatenlos zuschauen, wie immer mehr Menschen – und darunter auch die für das kirchliche Überleben unverzichtbare Zielgruppe Kinder – auf Allerheiligen pfeifen und stattdessen lieber Gruselparties veranstalten:

Und genau das soll es wieder werden: Das Bistum Aachen hat dies in diesem Jahr als Idee eingebracht und wir ermutigen auch unserer Kindergärten in der Innenstadtpfarrei von Fulda dazu. Halloween soll ein Fest für Kinder und Jugendliche sein, bei dem man der Heiligen, die unsere Kirche und den Glauben geprägt haben, gedenkt und zugleich Freude und Gemeinschaft erlebt.

Stop fruehkindliche IndoktrinationImmer, wenn die katholische Kirche irgendetwas unternimmt, von dem Kinder betroffen sind, ist höchste Vorsicht geboten.

So auch hier: Denn die meisten katholischen Heiligenlegenden sind so dermaßen grausam, dass sie keinesfalls für Kinder geeignet sind. Außerhalb des religiösen Kontextes käme wohl kein Mensch klaren Verstandes auf die Idee, Kinder mit solchen Geschichten zu konfrontieren. Nicht mal mit dem Hinweis, dass es sich dabei um Mythen und Legenden handelt.

Um „Freude und Gemeinschaft“ zu erleben, bedarf es solcher verstörenden und abstoßenden Narrative sicher nicht.

Genauso kritisch sind natürlich auch die Halloween-Bräuche zu hinterfragen: Wie sinnvoll ist es, an einem Brauch festzuhalten, bei dem es darum geht, sich möglichst gruselig und grausam zu verkleiden, um damit Leute zu erschrecken?

Holyween statt Halloween?

Also christliches „Holyween“ statt sinnentleertes „Halloween“.

Da ist sie wieder, die bereits aus früheren TV-Spots von Herrn Buß bekannte katholisch-klerikale Überheblichkeit: Die christliche Heiligenmythologie wird als Sinn stiftende Angelegenheit angepriesen. Als sinnvolle Alternative zum sinnentleerten Halloween. Das jetzt dann plötzlich lieber doch nicht mehr christlichen Ursprungs zu sein scheint?

Jetzt sind wir natürlich gespannt, wie sich Herr Stefan Buß das konkret vorstellt:

Katholische Heiligenlegenden: Das bessere Angebot für Kinder?

Dabei verkleiden sich Kinder und Jugendliche als Heilige und bringen Segen für die besuchten Häuser. Und „Süßes oder Saures“ darf natürlich auch da nicht fehlen! Es geht aber darum, Heilige wieder ins Bewusstsein zu rufen und deutlich zu machen, wo sie auch uns heute als Vorbilder dienen können.

Das, was zumindest die klassischen Heiligenfiguren ausmacht und woran sie erkenn- und unterscheidbar sind, ist die Art und Weise, wie sie wegen ihres Glaubens angeblich gefoltert und ermordet worden waren.

Dabei gilt als Faustformel: Je grausamer, je brutaler, desto heiliger.

Damals wie heute ging es darum, dem eigenen Glaubenskonstrukt Relevanz anzudichten. Je schlimmere Folter jemand bereit war zu ertragen, je brutaler sich jemand wegen seiner Glaubensüberzeugung zu Tode foltern ließ, desto wichtiger musste für ihn oder für sie der Glaube gewesen sein.

Ausgerechnet die klassischen katholischen Heiligen erscheinen als Vorbilder für Kinder in heutiger Zeit somit als denkbar ungeeignet. Und für das Gemeinschaftsgefühl sind sie ebenfalls mehr als entbehrlich.

Würde die katholische Kirche tatsächlich die Legenden ihrer Heiligen von Kindern nachspielen lassen – die Verkleidungen zu „Holyween“ wären mindestens genauso gruselig wie das, was das eigentliche Halloween zu bieten hat.

Dazu kommt, dass diese Legenden ja als tieferen Sinn die Relevanz des biblisch-christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzeptes transportieren sollen. Ein Konzept, das ebenfalls bei Licht betrachtet intolerant und unmenschlich ist. Besagt es doch, dass einzig und allein der Glaube an den einzigen „richtigen“ Gott davor beschützen kann, was dieser Gott einem androht, wenn man sich ihm nicht oder nicht ausreichend unterwirft.

Gerade die katholische Abteilung des Christentums hat diesbezüglich durch Konzepte wie Hölle, Fegfeuer und Ablässe ein üppiges Portfolio zu bieten.

Wäre es nicht viel menschlicher und vor allem kindgerechter, diese, aus heutiger Sicht längst überflüssigen und unmenschlichen Gebräuche einfach mal ganz aufzugeben?

Und sie durch neue, menschliche und friedliche Geschichten zu ersetzen, die ohne ein Zelebrieren von menschlichem Leid und ohne absurde, magisch-esoterische Elemente wie „Segnungen“ auskommen?

Fun Fact am Rande: Die Sache mit dem Kürbis…

Holyween vs. Halloween
Halloween-Kürbis: Der Legende zufolge
ein Geschenk des barmherzigen Teufels

Warum die Kirche Halloween nicht ausstehen kann, könnte auch mit der Sage zu tun haben, auf die der Brauch des Halloween-Kürbisses zurück geht.

Dieser soll nämlich, der Legende zufolge, ein Geschenk des barmherzigen Teufels gewesen sein:

  • Der Brauch, Kürbisse zum Halloweenfest aufzustellen, stammt aus Irland. Dort lebte einer Sage nach der Bösewicht Jack Oldfield. Dieser fing durch eine List den Teufel ein und wollte ihn nur freilassen, wenn er Jack O fortan nicht mehr in die Quere kommen würde. Nach Jacks Tod kam er aufgrund seiner Taten nicht in den Himmel, aber auch in die Hölle durfte Jack natürlich nicht, da er den Teufel betrogen hatte. Doch der Teufel erbarmte sich und schenkte ihm eine Rübe und eine glühende Kohle, damit Jack durch das Dunkel wandern könne.
    (Quelle: Wikipedia)

…und ein barmherziger Teufel, die menschliches Fehlverhalten zumindest ansatzweise verzeiht, etwas Mitleid zeigt und sich damit menschlicher verhält als der liebe Gott, der Menschen gnadenlos und zeitlich unbegrenzt (!) mit Dauerfolter bestraft, wenn sie sich ihm nicht unterwerfen wollten (oder den Teufel dazu anstiftet, für ihn die Drecksarbeit zu machen?), kommt in der biblisch-christlichen Mythologie nicht vor.

Frage an unsere Leser: Bessere Ideen als katholisches „Holyween“?

Hast du Vorschläge für Geschichten oder Persönlichkeiten (egal ob real oder fiktiv), die sich als Vorlage für neue (auch kindgerechte) Bräuche oder auch für säkulare Feiertage besser eignen als die vom Christentum von arachaischen Kulten adaptierten oder selbst ersonnenen Narrative?

Worauf käme es dabei an, um dem menschlichen Bedürfnis nach Gebräuchen und Zeremonien gerecht zu werden? Was wäre verzichtbar? Welche Werte sollten dabei vermittelt werden? Wie lässt sich eine Instrumentalisierung durch politische, religiöse oder sonstige Ideologien ausschließen?

Wir sind gespannt auf euere Vorschläge, gerne einfach als Kommentar unten auf dieser Seite!

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2 Gedanken zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: „Holyween statt Halloween““

  1. Das ist eine schöne Frage, die Sie hier stellen und die mir seit heute morgen, als ich Ihren Artikel las, im Hinterkopf herum ging. Ich hätte da einen Vorschlag.

    Den SciFi-Day.

    Alle Menschen, Institutionen und Betriebe, die sich auf wissenschaftlicher Basis mit der Zukunft beschäftigen oder sie technisch gestalten, öffnen ihre Türen für Kinder, Jugendliche und interessierte Erwachsene und zeigen und erklären, was sie so für die Zukunft geplant haben und woran sie arbeiten (natürlich nur soweit, wie es die Geheimhaltung bei den Innovationen zulässt).

    Kinder und Jugendliche verkleiden sich als Raumfahrer, Laboranten, Raketentechniker, Lieutenant Spock oder R2-D2. Je nach Fachbereich können die Kinder lustige und spannende Experimente machen oder dabei zuschauen (z.B. im Labor), durch Mikroskope gucken, eine Probefahrt im selbstfahrenden Auto (mit)machen oder einfach mal hinter die Kulissen (von bspw. grüner Energiegewinnung) schauen.

    Museen könnten für Kinder und Jugendliche an diesem Tag kostenfrei sein, weil Science Fiction ohne Vergangenheit eben nicht funktioniert.

    Die Medien könnten sich an diesem Tag nur mit der Zukunft beschäftigen. Also Utopien und Dystopien erdenken oder vom Heute ins Morgen gedachte politische und gesellschaftliche Gedankenexperimente machen oder auch in einem Schwerpunkt z.B. ITER erklären, wie Wissenschaft denn nun genau funktioniert.

    Ja, das gibt es alles auf YouTube (MaiLab, Breaking Lab, Astro-Comics TV u.v.m), aber so würden (nicht nur) die Kinder explizit auf die Zukunft aufmerksam gemacht – und es würde angeregt, sich mit ihr zu beschäftigen.

    Wer weiß denn schon, wer dann alles ein Interesse oder gar ein Talent in sich entdeckt oder als Talent entdeckt wird? Wieviel menschliches Potential geht unserer Gesellschaft verloren, weil Kinder nicht oder nur wenig in ihren Talenten und Interessen gefördert werden, oder – und das ist noch viel Schlimmer – weil ihnen das selbstständige Denken und der Drang zum Entdecken aberzogen wird?

    Dem könnte der SciFi-Day ein klein wenig entgegen wirken.

    „Und “Süßes oder Saures” darf natürlich auch da nicht fehlen!“

    ;o)

    Antworten
  2. Im Frühling: Waldfest/ Parkfest, die Kinder vielleicht als Tiere verkleidet- Freude über das frische Grün, deswegen Picknick mit vielen vegetarischen Speisen

    Im Sommer ein Lebensfreude- Fest für alle mit Musizieren und Tanzen auf öffentlichen Plätzen (vielleicht mit hübschen 👗👗)

    Im Oktober eine Ernteabschlussfest, Gemüse in allen Variationen, Kinder dürfen Obst- und Gemüsekörbe dekorieren und an Bedürftige, soziale Einrichtungen verschenken (das muss aber abgesprochen sein)

    Ein Lichterfest in der längsten Nacht im Dezember mit Laternenumzügen, am besten mit ganz hellen Umhängen über der Winterkleidung. Stirnlampen, um das Dunkel zu erhellen. Aufmunternde Lichtlieder

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