„3×3“ – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 11.01.2025 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Am heutigen „Wort zum Sonntag“ wird deutlich, wie wichtig es ist, eine Bestattungsverfügung zu verfassen, wenn man seinen Hinterbliebenen Religiöses bei der Beisetzung ersparen möchte.Anders als der Titel vermuten lassen könnte, geht es heute nicht um Zahlenmagie und auch nicht um Multiplikationsübungen. Sondern um Ordnungsbehördliche Bestattungen.
Ich weiß noch, wie mich die „Grüne Dame“ angesprochen hat. „Grüne Dame“, so nennen wir die Ehrenamtlichen in den Altenheimen. Da war eine Bewohnerin gestorben: „Das ist so traurig, da soll es gar keine richtige Beerdigung geben, können Sie nicht kommen und ein Vater Unser sprechen?“ „Klar“, habe ich gesagt. Ein Vater Unser kann ich immer sprechen, ich bin Pfarrerin. Und so kam ich hin.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: „3×3“ – Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 11.01.2025 von ARD/daserste.de)
In diesem Fall waren also die offenbar religiösen Gefühle einer ehrenamtlichen Helferin ausschlaggebend dafür, dass bei der Beisetzung der Verstorbenen eine Pfarrerin anwesend war, um die Zeremonie mit einem Bittgebet zu „bereichern.“ Ob das auch im Sinne der Verstorbenen war, geht aus der Anekdote nicht hervor.
Was tun gegen religiöse Übergriffigkeit?
Und der Friedhofsdiener kam und sagte: „Jetzt kommt endlich mal einer!“ und er zeigte auf die Leute, die dastanden und dann auf sich: „Wir sind doch gar nicht für Trauerfeiern ausgebildet, was sollen wir denn mit den Leuten machen?“
Es ist auch nicht die Aufgabe eines „Friedhofdieners“, Trauerfeiern zu gestalten oder etwas mit den Leuten zu machen.
Wem daran gelegen ist, dass die eigene Beisetzung im Rahmen einer bestimmten (oder ausdrücklich ohne eine bestimmte) Zeremonie stattfindet, kann sich schon zu Lebzeiten selbst darum zu kümmern und entsprechende Wünsche in Form einer so genannten Bestattungsverfügung zu Papier zu bringen.
Hierbei handelt es sich um eine schriftliche Willenserklärung, in der man zum Beispiel die gewünschte Art der Bestattung oder auch die Gestaltung der Beisetzung festlegen kann.
Ordnungsbehördliche Bestattung
Es handelte sich um eine offizielle „ordnungsbehördliche Bestattung“, schwieriges Wort. Ohne Pfarrerin, ohne Trauerredner. Ohne Rahmen. Eine Beisetzung des Ordnungsamtes.
Eine solche Bestattung findet dann statt, wenn keine Angehörigen zur Organisation und Bezahlung der Beisetzung herangezogen werden können.
Wer in dieser Situation ist und/oder trotzdem auf Nummer Sicher gehen will, auf eine bestimmte Art und ggf. begleitet von einer bestimmten Zeremonie beigesetzt zu werden, der schließt am besten einen Bestattungsvorsorgevertrag ab, wie ihn viele Versicherungen anbieten.
Anders als bei der Bestattungsverfügung sorgt man damit zu Lebzeiten dafür, dass auch die Kosten der wunschgemäßen Beisetzung abgedeckt sind.
3×3 Urnen
Und es waren neun Urnen, weil nämlich 3 x 3 Urnen gut in ein Gemeinschaftsgrab passen. Neun Urnen von Menschen, die keine Angehörigen haben, die man als Bestattungspflichtige heranziehen könnte. Das was so nach trockenem Amtsdeutsch klingt, heißt: Neun Menschen, für die am Ende niemand da ist, der sich um die Beerdigung kümmert. Und dann macht das eben das Ordnungsamt.
Der Widerspruch ihrer Worte scheint Frau Prumbaum nicht aufzufallen: Hierzulande ist, wie von ihr gerade selbst erläutert, genau geregelt, wer sich um eine Beisetzung kümmert, wenn keine Angehörigen bekannt sind und keine Bestattungsvorsorge getroffen worden war. Dann macht das eben das Ordnungsamt.
Es ist also sehr wohl jemand da, der sich um eine würdevolle, ordentliche Beisetzung kümmert. Und zwar – dem Anlass und den Umständen entsprechend – säkular.
…vereinzelt, verlegen.
Und doch standen da Menschen. Wenige, ja, vereinzelt, verlegen. Im Laufe der Zeit hab ich gelernt, wer das ist: Nachbarn. Sozialarbeiterinnen. Arbeitskollegen, Betreuerinnen, Kumpels. Freundinnen und Freunde.
…also alles Menschen, die den verstorbenen Menschen mehr oder weniger gut kannten. Bei einer ordnungsbehördlichen Bestattung würde niemand zum Beispiel eine Nachbarin oder Freundin einer Verstorbenen daran hindern, am Grab einige Worte zu sprechen, wenn denn Trauernde anwesend sind.
Falls bekannt ist, dass ein Verstorbener die religiösen Vorstellungen seiner hinterbliebenen Freunde und Bekannten geteilt oder dass dieser einen entsprechenden Wunsch geäußert hatte, kann natürlich auch ein Gebet angebracht sein.
Allerdings halte ich es für übergriffig, die anwesenden Trauernden mit Gebeten zu belästigen, wenn über die Glaubensvorstellungen des Verstorbenen nichts bekannt ist oder wenn man weiß, dass er zu Lebzeiten diese Vorstellungen nicht teilte oder ablehnte.
Den Verstorbenen selbst tangiert es freilich nicht mehr, was nach seinem Tod gesprochen, gebetet oder gesegnet wird.
Thema Alterseinsamkeit
Ehrlich gesagt, hab ich damals, beim ersten Mal, echt eine Weile gebraucht, um zu verstehen: Dass da nicht nur die Bewohnerin aus dem Altenheim beerdigt wurde, sondern noch acht weitere. Und ich sah ihre Namen und ihre Lebensdaten und das Todesdatum war nicht selten kein konkreter Tag, sondern nur ein Zeitraum. Stand alles auf einem Zettel, den mir der Friedhofsdiener da in die Hand drückte.
Hier spielt Frau Prumbaum wahrscheinlich auf das Thema Alterseinsamkeit an. Auf Menschen, die einsam sterben. Und deren Leichen erst irgendwann später gefunden werden, sodass kein exakter Todeszeitpunkt mehr ermittelbar ist.
Für alle, die sich nicht von sich aus dafür entscheiden, im Alter allein zu sein (denn auch das gibt es), stehen heute viele Angebote zur Verfügung.
Während hier lange Zeit, wie auch in der Altenpflege und Palliativversorgung, kirchliche Träger ein Quasimonopol hatten, gibt es heute unzählige Möglichkeiten, seinen Lebensabend auch frei von Glaubensgedöns zu gestalten:
ChatGPT: Säkulare Angebote für von Alterseinsamkeit Betroffene
Es gibt viele säkulare Angebote, die dazu beitragen können, Alterseinsamkeit zu bekämpfen. Diese richten sich speziell an ältere Menschen und fördern soziale Kontakte, Aktivitäten und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Hier sind einige Beispiele:
1. Gemeinschaftliche Aktivitäten
- Seniorentreffs: Lokale Gemeinschaftszentren, Stadtteileinrichtungen oder Mehrgenerationenhäuser bieten regelmäßige Treffen für ältere Menschen an, bei denen sie Kontakte knüpfen und sich austauschen können.
- Kultur- und Freizeitgruppen: Gruppen für Theaterbesuche, Museumsbesuche, Literaturkreise oder Filmabende, die gezielt für Senioren organisiert werden.
- Sportkurse: Senioren-Yoga, Wassergymnastik, Spaziergänge oder Tanzkurse speziell für ältere Menschen fördern Bewegung und Geselligkeit.
2. Bildung und Weiterbildung
- Volkshochschulen (VHS): Viele Volkshochschulen bieten Kurse für Senioren an, z. B. in Kunst, Sprachen oder digitaler Kompetenz.
- Seniorenuniversitäten: Programme speziell für ältere Menschen, die sich für akademische Themen interessieren und sich weiterbilden möchten.
- Buch- und Diskussionskreise: In Bibliotheken oder online werden Gruppen angeboten, die sich mit Literatur oder gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen.
3. Ehrenamtliche Engagements
- Freiwilligenarbeit: Senioren können sich in Ehrenämtern engagieren, z. B. in sozialen Projekten, bei der Betreuung von Kindern oder in Tierheimen.
- Nachbarschaftshilfe: Ältere Menschen können sich in Initiativen einbringen, die gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft fördern.
4. Digitale Vernetzung
- Online-Plattformen für Senioren:
- Netzwerke wie Nebenan.de fördern Nachbarschaftskontakte.
- Plattformen wie Silbernetz bieten eine Hotline für Gespräche oder den Aufbau neuer Kontakte.
- Social Media: Facebook-Gruppen oder Foren, die sich speziell an Senioren richten, fördern digitale Interaktion.
- Technikschulungen: Angebote zur Einführung in den Umgang mit Smartphones und Computern, damit Senioren moderne Kommunikationsmittel nutzen können.
5. Freizeit- und Hobbygruppen
- Bastel- und Handarbeitsgruppen: Hier können kreative Fähigkeiten ausgelebt werden.
- Musikgruppen: Chöre oder Musikensembles für Senioren bieten eine kreative und soziale Betätigung.
- Gartenprojekte: Gemeinschaftsgärten oder Urban-Gardening-Initiativen schaffen Möglichkeiten zur Bewegung und Interaktion.
6. Unterstützende Services
- Besuchsdienste: Ehrenamtliche Initiativen wie „Freundschaftsdienste“ bieten regelmäßige Besuche und Gespräche an.
- Telefonketten: Senioren rufen sich in festen Gruppen regelmäßig gegenseitig an, um den Kontakt zu pflegen.
- Freizeitpatenschaften: Jüngere Menschen begleiten Senioren bei Freizeitaktivitäten oder Unternehmungen.
7. Reisen und Ausflüge
- Seniorenreisen: Gruppenreisen, die speziell auf ältere Menschen abgestimmt sind, fördern gemeinsame Erlebnisse.
- Tagesausflüge: Organisierte Ausflüge in Museen, Parks oder Sehenswürdigkeiten.
8. Intergenerationelle Projekte
- Mehrgenerationenhäuser: Orte, an denen Menschen aller Altersgruppen gemeinsam Zeit verbringen können.
- Tandem-Projekte: Austauschprogramme, bei denen Senioren und junge Menschen voneinander lernen und profitieren (z. B. Sprach-, Koch- oder Handwerksprojekte).
9. Tiergestützte Aktivitäten
- Haustier-Patenschaften: Senioren, die keine eigenen Haustiere haben, können sich um Tiere von Nachbarn oder aus Tierheimen kümmern.
- Besuchshunde: Initiativen bringen Hunde zu Seniorenheimen oder Privathaushalten.
10. Selbsthilfegruppen
- Gesprächskreise: Gruppen, in denen Senioren ihre Erfahrungen teilen und Unterstützung finden.
- Online-Foren: Plattformen wie Wege aus der Einsamkeit e.V. bieten digitale Räume für Austausch und Inspiration.
Fazit
Säkulare Angebote gegen Alterseinsamkeit sind vielfältig und reichen von Freizeit- und Bildungsprogrammen über digitale Netzwerke bis hin zu ehrenamtlichen Engagements. Sie bieten Senioren die Möglichkeit, aktiv zu bleiben, neue Kontakte zu knüpfen und Lebensfreude zu erfahren. Lokale Initiativen und Online-Plattformen sind ideale Anlaufstellen, um passende Angebote zu finden.
Um hilfreiche Praxistipps gehts im „Wort zum Sonntag“ freilich nicht. Im Gegenteil.
Namen und Daten direkt per Mail
Seitdem bekomme ich diese Namen und Daten direkt per Mail.
Wie praktisch für Frau Prumbaum, dass in Deutschland das Recht auf informelle Selbstbestimmung mit dem Tod endet und die Datenschutzgrundverordnung für Tote nicht mehr greift.
Trotzdem halte ich die Praxis, als Behörde eines Säkularstaates Daten Verstorbener ohne eine ausdrückliche, vor ihrem Ableben abgegebene Zustimmung an eine Kirchenangestellte zu mailen, um diese für religiöse Zeremonien auf den Plan zu rufen für höchst fragwürdig.
Ich bin gespannt, was der in Moers für Ordnungsbehördliche Bestattungen zuständige Mitarbeiter Herr Göcke aus dem Fachbereich 04 – Ordnung und Bürgerservice und dessen Fachbereichsleitung Frau Borgstädt dazu zu sagen haben.
Welche Hoffnung gilt?
Und seitdem sehe ich zu, dass bei diesen Ordnungsamts-Bestattungen ein Gebet gesprochen wird, ein Segen. Und dass die Namen ausgesprochen werden.
Weil ich daran glaube, dass auch für diese Menschen eine Hoffnung gilt, auch wenn ihre Lebensgeschichten oft so hoffnungslos klingen.
Frau Prumbaum, angenommen, auch Sie würden nach Ihrem Lebensende – zum Beispiel, weil Sie alle Ihre Angehörigen überlebt haben und keine entsprechende Vorsorge betrieben hatten – ordnungsbehördlich bestattet.
Wie fänden Sie es, wenn dann plötzlich zum Beispiel eine Gruppe von Sikh-Gläubigen antreten, Gebete und Lesungen aus dem Guru Granth Sahib rezitieren und anschließend Ihre Asche in den Moersbach streuen würde?
Weil diese, genau wie Sie, womöglich ebenfalls daran glauben, dass auch für Sie eine, genauer: ihre Hoffnung gilt?
Ihnen persönlich kann es dann freilich, wie schon angedeutet, egal sein,[1]Genau genommen kann es Ihnen natürlich nicht mehr egal sein, weil Sie ein funktionierendes Wahrnehmungs-, Informationsverarbeitungs- und Bewertungssystem benötigen würden, damit Ihnen etwas egal … Continue reading was mit Ihren sterblichen Überresten nach Ihrem Tod geschieht. Oder welcher Gott aus welcher „Heiligen Schrift“ auch immer bei Ihrer Bestattung angerufen wird.
Aber zu Lebzeiten dürfte diese Vorstellung für Sie vermutlich genauso unangebracht, unnötig oder auch unsinnig wirken wie Ihr per E-Mail von der Ordnungsbehörde angefordertes Totengebet auf den Teil der nicht religiösen Mehrheit wirkt, dem das nicht sowieso einfach schon längst einerlei ist.
Verurteilungen und Bewertungen
Keiner plant sowas für sein Leben. Aber manchmal passiert das. Es gibt zerbrochene Biographien und kaputte Beziehungen und ungelöste Konflikte und furchtbar viel Schuld im Umgang miteinander. Und dann löst es sich nicht mehr auf und dann ist es irgendwann zu spät. Ich glaube ganz fest daran, dass wir uns Verurteilungen und Bewertungen sparen müssen. Mancher sagt vielleicht: sind sie selbst schuld! Aber das finde ich zu einfach.
Hinter jedem einzelnen Namen, den ich da am Grab dann verlese, stand der Wunsch nach einem gelingenden Leben. Wie hinter meinem Namen. Und auch hinter Ihrem.
Wir sollen uns also Verurteilungen und Bewertungen sparen.
Also genau das, was Ihr Gott laut biblisch-christlichen Mythologie angeblich tut: Er bewertet Menschen, und zwar anhand ihrer Unterwürfigkeit unter ihn. Und dann verurteilt er sie. Wobei diese Verurteilung nichts mit einem gerechten richterlichen Urteil zu tun hat. Finden Sie das auch zu einfach?
Wenn Sie Menschen effektiv dabei helfen möchten, ihre zwischenmenschlichen Probleme zu bewältigen und Konflikte zu lösen, wieso führen Sie sie dann mit religiöser Mythologie und Jenseitsfiktionen in die Irre?
Beim Verlesen der Namen von Verstorbenen am Grab sind Sie, zumindest für die Toten, zu spät dran. Denen können und brauchen Sie nicht mehr zu helfen. Und vermutlich den meisten davon nicht mal innerhalb Ihrer biblisch-christlichen Binnenlogik, wie wir gleich noch sehen werden.
Diesseitige, praktische Lebenshilfe bieten zum Beispiel Mediatoren, Konfliktberater, Sozialarbeiter, Psychologen oder Psychotherapeuten an. Falls Sie sich in einem dieser Bereiche betätigen möchten, können Sie ja trotzdem für sich an Ihren privaten Vorstellungen für ein gelingendes Leben festhalten.
Wieso nehmen Sie Ihre Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht zum Anlass, um Ihr Publikum daran zu erinnern?
…ein Moment von Segen fühlbar?
Und im Moment des Segens am Grab kommt es alles zusammen: der Schmerz und das Versagen und das „verdammt, hätte ich doch“ und das, was diese neun Verstorbenen bedeutet haben. Ich hab da ungeschönte spontane Nachrufe erlebt und unkonventionell angestimmte Lieder. Am Ende stimmen immer alle in das „Amen“ ein und dann ist ein Moment von Segen fühlbar, bevor sich die meisten wieder eine Zigarette anzünden.
Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, das dies auch bzw. erst recht ohne eine gedankenlos kollektiv gemurmelte Zustimmung zu irgendwelchen Segensformeln stattfinden kann. Das ist kein Moment von Segen. Sondern von Menschlichkeit.
Wohl um damit ihre übergriffige Segnerei zu rechtfertigen, fokussiert sich Frau Prumbaum auf die negativen Aspekte, die im Rahmen einer Beisetzung bei den Hinterbliebenen natürlich auch aufkommen können. Ohne, dass ihre Aktion etwas an möglichen Ursachen für ein schlechtes Gewissen wegen verpasster Chancen nachträglich ändern würde.
Daraus, dass es neben Schmerz und Versagen aber, bzw. erst recht auch ohne Jenseitsfiktionen und falsche Hoffnungsversprechen ein Loslassen, vielleicht verbunden mit einer liebevollen (in bestimmten Fällen vielleicht auch erleichterten[2]Zum Beispiel im Falle eines Opfers eines gerade verstorbenen Missbrauchstäters) Erinnerung an den Verstorbenen geben kann, kann die Pfarrerin keinen Profit schlagen.
Wie schon geschrieben: Für religiös gebundene Menschen, die um einen Menschen trauern, der zu Lebzeiten den gleichen Glauben teilte oder einen entsprechenden Wunsch geäußert hatte, mag ein Gebet angebracht sein. Für alle anderen nicht.
…an anderer Stelle gut…?
Dieser Segensmoment ist randvoll mit der Hoffnung, dass es an anderer Stelle gut wird. Solche Hoffnung macht auch was mit dem Leben. Und dafür bin ich echt dankbar.
Wenn ich Ihre nebulöse Umschreibung „An anderer Stelle“ richtig deute, dann meinen Sie damit die Jenseitsfiktion aus der biblisch-christlichen Mythologie, richtig?
Falls ja: Wie schafft man es, die Absurdität und Unplausibilität allein schon der Prämisse, menschliche Persönlichkeiten würden auf irgendeine magisch-esoterische Art und Weise den Tod des zugehörigen Körpers überdauern auszublenden? Um daraus dann auch noch Hoffnung schöpfen zu können?
Eine Hoffnung, die man nicht spätestens im Moment des Aussprechens als bestenfalls hoffnungsvoll erscheinenden, bei Licht betrachtet aber absurden Selbstbetrug durchschaut? Vermutlich, indem man das Licht der Vernunft und des klaren Verstandes ausgeschaltet lässt und sich in vernebelnde Formulierungen flüchtet.
Hoffnung für alle Menschen? Von wegen!
Und haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass Menschen, die zu Lebzeiten nicht an den Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie geglaubt haben gemäß Ihrer „Heiligen Schrift“ keinerlei Grund auf irgendeine jenseitige Hoffnung haben?
Weil die Leute, die sich Ihren Gott ausgedacht haben, diesen bzw. seine Sprecher unmissverständlich klar machen, dass Ihr Gott diese Menschen mit ewiger Höllenfolter (euphemisierend im christlichen Mainstream heute gerne zur weniger brutal und unmenschlich klingenden Gottesferne entschärft) dauerbestraft?
Damit dieser Segensmoment nicht nur für Sie, sondern auch für nicht getaufte Verstorbene – zumindest theoretisch – randvoll mit Hoffnung sein kann, müssten Sie zumindest dafür gesorgt haben, dass diese vor ihrem Ableben noch schnell notgetauft wurden.
Unbekannt hoch ist die Anzahl derer, die dieser, aus christlicher Perspektive freilich nur gut gemeinter Übergriff ohne ihre ausdrückliche Einwilligung noch kurz vor ihrem Tod ereilte.
Sei es durch fromme Nonnen oder durch besonders verstrahlte Laien, die es im Interesse ihres eigenen „Seelenheils“ für ihre Pflicht hielten, schnell noch eine ansonsten ja „verlorene Seele“ vor dem ewigen Feuer zu retten, das ihr lieber Gott sonst für sie bereit hält.
Fundamentalistische Auslegung?
Beschreibt man als Glaubenskritiker das biblisch-christliche Belohnungs-Bestrafungs-Konzept so, wie es in der Bibel zu finden ist, bekommt man mitunter vorgeworfen, dass das ja nur noch die Fundamentalisten so glauben würden. Und dass das mit dem, was der christliche Mainstream verkündigt ja gar nichts mehr zu tun habe.
Allerdings ergibt das christliche Heilsversprechen überhaupt keinen Sinn mehr, wenn das, wovon erlöst werden soll (eine wie auch immer geartete, auf jeden Fall aber göttlich veranlasste Strafe) einfach komplett verschwiegen wird.
Doch genau das machen Frau Prumbaum und Kollegen konsequent: Sie faseln von einer nicht näher spezifizierten Hoffnung, die irgendwie total wichtig und bedeutsam sein und im Zusammenhang mit den von ihnen durchgeführten Segnungen stehen soll.
Worin diese Hoffnung konkret besteht und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit diese Hoffnung wenigstens theoretisch in Erfüllung gehen könnte, behalten sie wohlweislich für sich. Den Schäfchen ist’s egal.
Fazit
Frau Prumbaum, abgesehen davon, dass ich es für maximal übergriffig und bezeichnend armselig halte, Menschen, die nicht Ihrer Religion angehört hatten (und ich gehe davon aus, dass bei Ihren Ordnungsbehördlichen 3×3-Bestattungen auch und immer mehr solche dabei sind) sogar noch nach ihrem Tod ohne deren ausdrücklichen Wunsch Ihre Gebete und Segensformeln hinterherzurufen, ergibt Ihre Strategie auch innerhalb der biblisch-christlichen Binnenlogik keinen Sinn. Nachzulesen in der Bibelstelle, die die Gesamtaussage der Bibel auf den Punkt bringt: Markus 16,16.
Aufklärung und Säkularisierung sei Dank hindert Sie niemand an Ihrer freien Religionsausübung. Aber vielleicht kommen Sie ja von selbst darauf, wie Ihr Verhalten auf glaubensfreie oder andersgläubige Menschen wirkt.
Wie wärs, wenn Sie Ihre nicht bestellten Trauerreden mit Rücksicht auf die nicht-religiösen Gefühle Anwesender künftig säkular gestalten? Oder zumindest erst bei den Trauernden nachfragen, ob es sie stört, wenn Sie gleich noch ein bisschen zu Ihrem Gott beten und Segnungen aussprechen, weil Ihnen das Hoffnung gibt?
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.
Was unterscheidet einen gesegneten von einem gewöhnlichen Sonntag ohne größere persönliche Katastrophen?
Fußnoten
↑1 | Genau genommen kann es Ihnen natürlich nicht mehr egal sein, weil Sie ein funktionierendes Wahrnehmungs-, Informationsverarbeitungs- und Bewertungssystem benötigen würden, damit Ihnen etwas egal oder nicht egal sein kann. |
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↑2 | Zum Beispiel im Falle eines Opfers eines gerade verstorbenen Missbrauchstäters |
Ich wünsche allen Lesern bei awq.de einen gesegneten Dienstag und Mittwoch. Scheint sich ja sonst keiner drum zu kümmern …
„Was unterscheidet einen gesegneten von einem gewöhnlichen Sonntag ohne größere persönliche Katastrophen?“
Ist doch vollkommen klar:
Wenn an einem gesegneten Sonntag total gewöhnliche Katastrophen eintreten,
beweist dies nur, dass Gott eine aussergewöhnliche Prüfung an einem ungesegneten Gläubigen vollzieht, welcher sich schleunigst einen gewöhnlichen Segen abholen sollte, um sich dann wieder als gewöhnlich gesegneter Christ zu fühlen…
Aber wehe demjenigen, dessen aussergewöhnliche Prüfung auf einen ungesegneten Montag fällt, dieser muss dann unter ängstlichem Zähneknirschen und -klappern wieder auf einen aussergewöhnlichen Sonntagssegen hoffen… (Bevorzugt mit offenem Portmonaie und empfangsbereitem Klingelbeutel)… 🙂
Frau Prumbaum, Sie alte Bestattungscrasherin, haben Sie sich eigentlich schon mal darüber nachgedacht, warum Ihr Lieblingsgott, den Sie bei diesen Beerdigungen ungefragt anjammern, diese Menschen erst in diese Situation gebracht hat, ohne sich darum zu kümmern? 😱 Denken? Das wäre ja fatal für Ihre christliche Überzeugung, also lieber beten.
Also, in diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen denkfreien Sonntag.