Weihnachten absagen – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Christian Rommert, veröffentlicht am 24.10.2020 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Für Pfarrer Rommert ist das menschliche Miteinander das Wesentliche von Weihnachten. Die religiöse Dimension des Festes erscheint nur in einer Randnotiz.
Der größte Teil der heutigen Verkündigung lässt sich kurz zusammenfassen:
Zu der Frage, wie dieses Jahr Weihnachten unter Einhaltung der dann gültigen Beschränkungen stattfinden könnte, kommt für Christen noch die Frage dazu, wie sich der religiöse Part realisieren lässt.
Eigentlich nur noch an Weihnachten…
Das Weihnachtsfest dürfte, vielleicht noch neben Ostern, für immer mehr Christen wohl das letzte kirchliche Event sein, an dem sie noch regelmäßig teilnehmen. „Ach, eigentlich nur zu Weihnachten“, antworten Gelegenheitschristen nicht selten, wenn man sie nach ihren kirchgängerischen Gewohnheiten fragt.
Das ist auch durchaus nachvollziehbar: So eine Christmette, mit Kerzenschein, Weihrauchduft, vielleicht schon 2,3 Glühwein intus und mit meist vom Babyalter an immer wieder gehörten Gesängen kann einprägsame Gefühle von Gemeinsamkeit und Feierlichkeit hervorrufen.
Dafür nimmt man dann als „Taufscheinchrist“ auch mal wieder die absurde Backoblaten-zu-Menschenfleisch-Verwandlungszeremonie mit anschließender gemeinsamer Verköstigung des „Leibes Christi“ in Kauf. Auf die man während des restlichen Jahres problemlos verzichten kann.
Schon anlässlich der Lockdown-bedingt ausgefallenen Ostergottesdienste war kirchlicherseits die Sorge zu hören, dass Schäflein, die bisher wenigstens noch am Ostersonntag zum „Tisch des Herren“ kamen, jetzt bemerken könnten, dass sich so ein Sonntagmorgen auch ganz gemütlich zu Hause gestalten lässt.
Wem nach Beten ist, der kann das problemlos ja auch zuhause erledigen. Laut Matthäus 6,6 sollte man die Beterei ja sowieso als Privatsache behandeln. Es hat schon auch Vorteile, wenn man einen allwissenden Gott verehrt. Die göttliche Reaktion auf Gebete ist immer die Gleiche. Egal ob öffentlich oder zuhause gebetet wird. Oder gar nicht.
Befürchteter Bedeutungsverlust
Was den Kirchen aber wohl richtig Kopfzerbrechen bereiten dürfte, ist die Befürchtung, dass die Kundschaft in der Krise merken könnte, dass es ja auch ganz ohne „Dienst für Gott“ geht. Und dass sich die sonntägliche Freizeit mit viel angenehmeren Dingen verbringen lässt als mit der Bezeugnung der eigenen Unwürdigkeit und Unterwürfigkeit einem sowieso schon allmächtig vorgestellten Gott gegenüber.
Einziger wirklicher Nachteil: Zur Präsentation der neuen Mode-Errungenschaften muss man sich dann ein anderes Publikum suchen, wenn der Kirchgang wegfällt. Das fällt aber wohl unter die Kategorie „Luxusproblem.“
Schon in den Jahren vor Corona hatte das Interesse an den Inhalten, die das Christentum zum Weihnachtsfest beizutragen stetig nachgelassen. Alle Jahre wieder melden sich Kirchenangestellte zu Wort, die ihr Publikum ermahnen, doch bitteschön die religiöse Dimension dieses Festes nicht ganz in der Bedeutigungslosigkeit verschwinden zu lassen.
Es scheint, als habe das Fest seine diversen religiösen Bedeutungen längst weitgehend überlebt.
Interessanterweise haben viele der vorchristlichen Komponenten die Zeiten besser überdauert als das viel später darüberlackierte christliche Gottessohn-Geburtsnarrativ: Weihnachtsbaum, Geschenke, Besuche, Feiern, Festessen,… all das, was für viele Menschen heute Weihnachten ausmacht, gab es auch schon viele Jahrhunderte (vermutlich sogar Jahrtausende) vor der christlichen Übernahme dieses Festes.
Das Wesentliche an Weihnachten
Das wäre das Besondere in diesem Jahr, dass Weihnachten den Blick auf das Wesentliche lenkt: Beziehung, Liebe, Füreinander da sein, Zeit schenken!
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Weihnachten absagen – Wort zum Sonntag, verkündigt von Christian Rommert, veröffentlicht am 24.10.2020 von ARD/daserste.de)
Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte die Kirche eine solche Aussage als gotteslästerliche Blasphemie und schändliche Ketzerei drastisch bestraft. Denn aus christlicher Perspektive ist das „Wesentliche“ an Weihnachten natürlich die Geburt des Meisters.
Da geht es eben nicht um die Beziehungen von Menschen untereinander.
Sondern darum, dass laut christlicher Mythologie diese Geschichte die „Menschwerdung“ ihres Gottes (der durch diesen Vorgang allerdings genau genommen nur noch als Halbgott zu bezeichnen wäre) „belegt“.
Konstruierte Geburtslegende
Die angebliche Abstammung des Jesuskindes, eine historisch nicht zuordenbare Volkszählung, die Herbergssuche, die Stallgeburt: Vieles spricht dafür, dass wohl zumindest alles, was die Bibel über das Leben Jesu vor seiner Taufe durch Johannes berichtet frei erfundene Legenden sind.
Gerade die biblische Geburtslegende strotzt nur so von Ungereimtheiten. Hier war ganz offensichtlich auf Biegen und Brechen versucht worden, ein bestimmtes Narrativ zu konstruieren.
Dass die anonymen Bibelautoren die Geburt unter so schwierigen und armseligen Bedingungen hatten geschehen lassen, bestärkt Christen bis heute in ihrem Glauben, dass ihr Gott (wie sie fälschlicherweise gerne behaupten, als einziger) tatsächlich und wirklich ehrlich richtig echt Mensch geworden war. Keine Extrawurst für Göttergeburten.
Im Gegenteil! Man hatte den heiligen Geist sogar ein irdisches Mädchen schwängern lassen, damit ja niemand behaupten kann, es hätte sich nicht um einen 100% menschlichen Mensch gehandelt.
Einmal mehr scheint ausgerechnet der religiöse Beitrag im „Wort zum Sonntag“ komplett verzichtbar zu sein. Auf die eigentliche Bedeutung, die Menschwerdung des Erlösers, geht Herr Rommert jedenfalls bis hierher mit keinem Wort mehr ein.
Die Bibellegende taugt offenbar nur noch als anekdotische Untermalung dessen, was jetzt für Herrn Rommert das „Wesentliche“ von Weihnachten ist: Das menschliche Miteinander, auch unter schwierigen Bedingungen.
Wenn die Engel singen…
Erst ganz am Ende seiner Fernsehpredigt scheint Herrn Rommert aufgefallen zu sein, dass im „Wort zum Sonntag“ ja schon auch noch immer „irgendwas mit Glaube“ vorkommen sollte:
Und all das andere, was fehlt? Ist das gut? Weihnachtsmärkte, große Gottesdienste? Glanz und Gloria? Es ist eine Chance, so eine „stille Nacht, heilige Nacht“! Es ist die Chance, den Kern von Weihnachten im eigenen Leben zu fühlen und anders und neu zu verstehen, wenn die Engel singen: Gloria in excelsis deo! „Ehre sei Gott im Himmel! Denn er bringt der Welt Frieden und wendet sich den Menschen in Liebe zu.“
Die Engel mögen ja singen was ihnen aufgetragen wurde zu singen und den verehren, der sie sich zu seiner Verehrung erschaffen hatte. Das ist schließlich ihre (einzige) Aufgabe. Dafür sind sie Engel. Auch mag sich das biblische magische Himmelswesen gerne Menschen in Liebe zuwenden, wenn ihm danach ist.
Wer bringt der Welt Frieden?
Solange sich aber kein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Wesen und der irdischen Wirklichkeit herstellen lässt, ist die Behauptung, es sei ausgerechnet der eifersüchtige Wetter-Berge-Rache-Kriegs-Wüsten-Provinzialgott eines halbomadischen Wüstenstammes aus der Bronzezeit, der der Welt Frieden bringt ein Affront den Menschen gegenüber, die sich tatsächlich, also wirklich für eine friedlichere Welt einsetzen. Und nicht nur in der christlichen Einbildung.
Oder in der Propaganda der Bolsonaros und Trumps dieser Welt. Die von sich ebenfalls behaupten, im Auftrag dieses Gottes „der Welt Frieden“ zu bringen. Und sich „den Menschen in Liebe“ zuzuwenden. Weswegen sie von ihren komplett verstrahlten christlichen Kirchenfunktionären inzwischen zu Erlösern stilisiert wurden.
Täglich müssen Menschen unvorstellbares Leid ertragen. Ohne dass irgendwelche Götter irgendetwas dagegen unternehmen würden. Oder je unternommen hätten.
Es sind die Menschen selber, die für Krieg verantwortlich und für Friede auf Erden zuständig sind.
Nun könnte Herr Rommert einwenden: „Ich kann doch nix dafür, was Engel da so alles singen, wenn die Ewigkeit lang ist!“ – Dann stellt sich aber die Frage, wozu diese, wie’s scheint wiedermal schnell noch hinten drangepappte Erwähnung überhaupt noch erforderlich war. Wo er doch kurz zuvor noch das menschliche Miteinander als das eigentlich Wesentliche von Weihnachten bezeichnet hatte. Aber es geht halt wohl nicht ohne.
Wichtiger Hinweis:
November ist auch 2020 wieder Kirchenaustrittsmonat!
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