Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Haare auf dem Kopf gezählt

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Haare auf dem Kopf gezählt, veröffentlicht am 10.3.2021 von Osthessennews

Darum geht es

Pfarrer Buß hält die angebliche Allwissenheit seines Gottes für einen riesigen Liebesbeweis. Seine Schlussfolgerungen sind absurd und potentiell gefährlich.

Der Stadtpfarrer war seit langem wiedermal beim Frisör:

Und nun hatte ich gestern endlich einen Frieseurtermin. „Dem Himmel sei danke!“, lobten die Kunden und ich selbst im Friseur Salon.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Haare auf dem Kopf gezählt)

Religiöses im allgemeinen Sprachgebrauch

Tatsächlich haben verschiedene Formulierungen und Redewendungen religiöser Herkunft im allgemeinen Sprachgebrauch bis heute überdauert. Selbst von Leuten, die mit Glaube überhaupt nichts (mehr) am Hut haben, sind hin und wieder Floskeln wie „Grüß Gott“, „Gott sei dank“ oder eben auch „Dem Himmel sei dank“ zu hören.

Zumindest bei Radiosendern aus Bayern und Hessen kann es sogar heute noch vorkommen, dass Nachrichten(!)sprecher*innen ihre Zuhörer mit „Grüß Gott“ begrüßen, bevor sie die Nachrichten verlesen.

Die Fragen, warum sie das tun, wen oder was sie konkret mit „Gott“ meinen und was das mit Nachrichten zu tun haben soll, wollten oder konnten sie auf unsere Nachfrage hin bisher nicht beantworten.

Haare in der Bibel

Zurück zu Stadtpfarrer Stefan Buß. Dem natürlich auch zum Stichwort Haare etwas Biblisches einfällt:

Da viel mir das Bibelwort Jesu ein: „Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“ (Mt. 10,30-31). Es geht aber dabei nicht um Friseur-Interessen, wenn niemand Geringeres als Jesus selber mitteilt, dass unser himmlischer Vater sogar weiß, wie viele Haare wir auf dem Kopf haben.

Eigentlich hätte die biblische Mythen- und Legendensammlung auch Stellen im Angebot gehabt, die noch viel besser zum Thema Haare, bzw. Frisur gepasst hätten. Zum Beispiel:

  1. […] er legte ihr sein ganzes Herz offen und sagte zu ihr: Kein Schermesser ist mir auf den Kopf gekommen; denn ich bin vom Mutterleib an Gott als Nasiräer geweiht. Würden mir die Haare geschoren, dann würde meine Kraft von mir weichen; ich würde schwach und wäre wie jeder andere Mensch.
    (Richter 16,17 EU)

Manchmal macht es Gott mit seinem Wort seinen Anhängern wirklich nicht leicht: Wer möchte schon schwach und gewöhnlich sein?

Haare lang – oder Kopf verhüllen!

Oder natürlich auch die Stelle, in der Kurzhaarfrisuren für Frauen als schändlich bezeichnet werden:

  1. Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, der Mann aber das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi.
  2. Jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt sein Haupt.
  3. Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt, entehrt ihr Haupt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen.
  4. Denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, soll sie sich doch gleich scheren lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen.
  5. Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.
  6. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann.
  7. Der Mann wurde auch nicht für die Frau erschaffen, sondern die Frau für den Mann.
    (Quelle: 1. Korinther 11,34-9 EU)

Umfassend liebevolles Interesse?

Um Frisuren von Frauen, die, wie wir gerade aus der selben Quelle erfahren haben, ja sowieso nur „Abglanz des Mannes“ sind, geht es Herrn Buß nicht:

Der Hinweis von Jesus bringt zum Ausdruck, dass Gott alles weiß, er ist allwissend, und dass jeder einzelne von uns Gott so wichtig ist, dass er sogar weiß, wie viele Haare wir haben. Was für ein umfassend liebevolles Interesse von Gott an uns! […]

Einmal mehr stellt sich mir die Frage, wie Stadtpfarrer Buß wohl den Geisteszustand seines Publikums einschätzt, wenn er eine solche Interpretation zum Besten gibt.

Wie kann man denn als erwachsener, ansonsten sicher klar denkender Mensch auf die Idee kommen, das Wissen über die Anzahl der Haare auf dem Kopf sei ein Zeichen für „umfassend liebevolles Interesse von Gott an uns“!?

Mal ganz abgesehen davon, dass dieses liebevolle Interesse dann ja auch jegliches kleine, große und auch unerträgliches Leid umfasst. Was sich nach einem kurzen Abgleich mit der irdischen Wirklichkeit kaum leugnen lässt. Sollte man meinen.

Fleißaufgabe für den Allmächtigen

Aber damit nicht genug: Warum die Liebe dieses Gottes sogar noch größer sein muss, begründet Stadtpfarrer Stefan Buß so:

Wie viele Haare haben wir eigentlich? So im Schnitt 80.000 bis 100.000 Haare. Bedenkt man dann noch, dass wir im Schnitt täglich um die 100 Haare verlieren dann wird klar, dass Gott ständig Interesse an uns hat, denn die Zahl der Haare auf unserem Kopf ändert sich ständig.

Wenn jemand aus unserer geschätzten Leserschaft eine höfliche Formulierung für „Was für ein hochgradig dämlicher, infantiler Schwachsinn“ weiß, dann freuen wir uns über einen entsprechenden Vorschlag.

Von harmloser Einbildung…

Gläubige, die die Vorstellung verlockend finden, ein allwissender Gott überwache neben ihren intimsten Gedanken auch die tagesaktuelle Anzahl ihrer Haare, die mögen sich von Pfarrer Buß` Begeisterung gerne anstecken lassen. Menschen glauben ja auch allen möglichen anderen Unfug. Und das Thema Stockholm-Syndrom hatten wir ja kürzlich schon angesprochen.

Katholiken haben für gewöhnlich ja auch kein Problem damit, das, was sie an ihrem Verhalten für „sündig“ halten denen zu erzählen, die sich als Vertreter ihres sowieso schon allwissenden Gottes ausgeben.

Im Gegenteil: Sie fühlen sich befreit, wenn sie sich einbilden können, ihr lieber Gott habe ihnen ihre Fehler verziehen, nachdem sie diese seinem Priester gebeichtet haben.

Fassen wir kurz zuammen:

Da hatte sich also irgendein anonymer Schreiber mal eine Metapher ausgedacht, um die Anhänger einer jüdischen Endzeitsekte von der Allmacht seines Gottes zu überzeugen.

Daraus schließt dann ein erwachsener Mensch mit Schulbildung, dass dieses Interesse als Ausdruck nicht etwa von totaler Überwachung, sondern grenzenloser göttlicher Liebe ein gutes Argument sei, um an diesen Gott zu glauben und auf ihn zu vertrauen.

Und hier wird es nochmal nicht nur noch skurriler, sondern auch potentiell gefährlich:

…zum potentiell gefährlichen Irrglauben

Wenn Gott sich derart intensiv für uns interessiert, dann ist wirklich klar, dass wir uns nicht fürchten müssen. Denn Gott kümmert sich um uns. Er schützt uns. Er versorgt uns. Er macht uns gesund. Vertrauen wir ihm.

Wer behauptet, ein Gott kümmere sich um seine Anhänger, er würde sie schützen, versorgen und gesund machen, der belügt sein Publikum.

Er führt Menschen mit einer solchen Aussage gezielt in die Irre.

Solange es nur um eine eingebildete göttliche Liebe geht, kann eine solche Irreführung noch als harmlose Spinnerei eingeordnet werden.

Wer allerdings behauptet, sein Gott kümmere sich um seine Anhänger, er würde sie schützen, versorgen und heilen, der nimmt in Kauf, dass ihm das jemand tatsächlich glaubt. Und sich schlimmstenfalls auf diese fiktive Unterstützung verlässt.

Und das kann in dem Moment unangenehm bis hin zu lebensgefährlich werden, in dem jemand auf tatsächlich wirksame Unterstützung verzichtet, weil er, wie von Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda empfohlen, auf ein magisches Himmelswesen vertraut.

Pfarrer Buß scheint sich der Brisanz und des Gefahrenpotentials solcher Behauptungen, die man wohl getrost als Religiotie bezeichnen kann, entweder nicht bewusst zu sein. Oder es ist ihm schlicht egal, dass das, was er hier behauptet, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Vielleicht vertraut er auch darauf, dass seine Kundschaft wenigstens in tatsächlichen Notlagen Wissen und Vernunft der Glauberei und Imagination bevorzugt.

Glauben, was nicht stimmt

Gott führt alles in unserem Leben nicht nur zum Guten, sondern sogar zum Besten.

Zumindest bezogen aufs Diesseits ist auch das eine dreiste Lüge.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen irdischem Geschehen und magisch-esoterischen Einflüssen aller Art lässt sich nur behaupten, nicht beweisen. Und behaupten kann man alles Beliebige – und das genaue Gegenteil.

Wer das, was Herr Buß in diesem Impuls behauptet glauben möchte, der muss bereit sein, die Unwahrheit sogar wider besseres Wissen für wahr zu halten.

Zwei Dinge sind mir in diesem Zusammenhang völllig unbegreiflich: Wie man so etwas behaupten kann. Und wie man so etwas glauben oder zumindest für irgendwie plausibel oder bedeutsam halten kann.

Es sind Menschen, die sich umeinander kümmern können. Menschen können sich selbst und andere schützen und versorgen. Und wenn jemand Menschen gesund machen kann, dann sind es die Menschen selbst.

Vertrauen wir auf Menschen. Nicht auf Götter.

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2 Gedanken zu „Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Haare auf dem Kopf gezählt“

    • Genau so lange, wie es staatlich subventionierte Indoktrination von Kleinkindern geben wird. DAS IST KINDESMISSBRAUCH!!!

      Deshalb gilt: Wehret den Anfängen! Schafft die Kirchensteuer und andere Vergünstigungen ab! Beitritt zu religiösen Gemeinschaften nur,freiwillig und erst ab dem 18. Lebenjahr!

      Aber so lange noch Parteien mit dem grossen C an der Macht sind wird das wohl eine…sagen wir mal…“haarige Angelegenheit“ bleiben…:-)

      Gruss

      FLO

      Antworten

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