Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Buß: Die zehn Gebote Gottes, veröffentlicht von osthessennews.de am 27.02.21
Vorbemerkung
Zum Begriff „religiöser Fundamentalismus“ kommen einem vermutlich zunächst Bilder von Selbstmordattentätern in den Sinn. Oder, wenns christlich sein soll, Vertreter der christlich-fundamentalistischen Abteilungen aller Couleur wie überzeugt und praktizierend Bibeltreue, Charismatiker, Evangelikale, Kreationisten, Pfingstler und was es sonst noch so alles an durchgeknallten Ausprägungen des christlichen Totenkultes gibt.
Eine ganz andere Art des christlichen Fundamentalismus ist bei Stadtpfarrer Stefan Buß immer wieder mal zu erkennen. Viele seine Äußerungen und Ansichten zeugen von einer kindlich-naiven, fundamentalistisch einseitigen Volksfrömmigkeit. Zumindest scheint er eine Zielgruppe adressieren zu wollen, die für diese Form christlicher Einbildung und Überheblichkeit empfänglich ist.
Die zehn Gebote: Menschlichen, nicht göttlichen Ursprungs
Diesmal präsentiert Herr Buß seine Gedanken zu den zehn Geboten. Die er als „Die zehn Gebote Gottes“ bezeichnet. Damit suggeriert er, die biblischen Gebote seien nicht menschlichen, sondern göttlichen Ursprungs.
Somit hält schon die Überschrift des heutigen Impulses einer kritischen Prüfung nicht stand. Die Quellenangabe „Die zehn Gebote Gottes“ steht auf einer Stufe mit „Der Zauberspruch von Harry Potter.™“
Mangels vernünftiger Quellen empfiehlt Pfarrer Buß einen Blick in die Bibel, wenn man herausfinden möchte, was denn da eigentlich genau steht und was das bedeutet:
Auf die Frage, was das Christentum sei, antwortete ein Junge: „Christentum ist das, was man nicht darf.“ So denken viele. Und wenn man sie nach dem Grund für diese merkwürdige Ansicht fragt, reden sie oft von den Zehn Geboten: „Da heißt es doch immer: Du sollst nicht!“ Was für ein schreckliches Missverständnis! Da hilft nur ein Blick in die Bibel.
Da hilft nur ein Blick in die Bibel
Ein Blick in die Bibel zeigt, dass neun der zehn Gebote sehr wohl und unzweifelhaft einen ganz klaren Verbotscharakter haben. So merkwürdig oder missverstanden ist die Ansicht also keinesfalls.
Viel merkwürdiger finde ich die Vorstellung, dass dies irgendwie anders gemeint sein könnte. Und entsprechend strümpfig und wenig überzeugend erscheint der Versuch, die 10 Gebote anders darzustellen:
Und dort finde ich unter der Überschrift „Die zehn Gebote“ vor dem ersten „Du sollst“ den Satz: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägypten, aus der Knechtschaft geführt habe.“ (Ex. 20,2). Das also steht am Anfang: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich befreit hat aus der Sklaverei, von dem, was dich sonst fesselt und dein Leben beherrschen und bestimmen will.
Nein. Da steht nicht, dass dieser Gott irgendwen befreit „von dem, was dich sonst fesselt und dein Leben beherrschen oder bestimme will.“
Diese Interpretation hat sich Pfarrer Buß ausgedacht. Weil die Befreiung aus der Sklaverei (nicht zu verwechseln mit einer Abschaffung der Sklaverei, für die der liebe Gott damals offenbar noch keine Veranlassung hatte) heute kaum noch als Argument dafür angesehen werden dürfte, im Gegenzug die Forderungen dieses Gottes zu erfüllen.
Das ist das Praktische, wenn man seinen Standpunkt auf Mythologie aufbaut: Man kann alles Beliebige hineininterpretieren – und das genaue Gegenteil. Das ist einer der Hauptgründe, warum auch das Christentum als brauchbare Moralquelle ausscheidet.
Befreit vom vernünftigen, kritischen Denken
Im Grunde geht es in allen Geboten um das erste Gebot (vgl. Ex. 20,3) und um den Gott, der nicht droht oder zwingt, sondern befreit, der Freiheit schenkt.
Diese eigenwillige, bei Licht betrachtet absurde Interpretation mag die Bedürfnisse der oben beschriebenen Zielgruppe sicher befriedigen.
Folgt man dem Rat von Herrn Buß und liest tatsächlich mal, was da wirklich steht, dann braucht es schon ein hohes Maß an Ignoranz und/oder Verblendung, um zu den hier genannten Schlüssen zu kommen.
Dieses Nicht-Wahrhaben-Wollen, auf jeden Fall aber dieses konsequente Verschweigen und/oder Verbiegen dessen, was die „Heilige Schrift“ an unangenehmen bis hin zu einfach nur widerwärtigen und unmenschlichen biblischen Behauptungen und Aussagen zu bieten hat halte ich für eine spezielle Form von christlichem Fundamentalismus.
Die ersten drei (bzw. nach anderer Zählung vier) Gebote beansprucht der angeblich sowieso schon allmächtige Gott (genauer: die Priesterkaste) für das eigene Ego. In den restlichen Geboten geht es um das Verhalten der Menschen untereinander.
Natürlich droht und zwingt Gott
Wenn Herr Stadtpfarrer Stefan Buß behauptet, der in der Bibel beschriebene Gott drohe und zwinge nicht, dann lügt der Herr Pfarrer.
Um das herauszufinden, braucht man gar nicht umzublättern. Die Belege finden sich schon direkt in den 10 Geboten:
- Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott: Ich suche die Schuld der Väter an den Kindern heim, an der dritten und vierten Generation, bei denen, die mich hassen;
- denn der HERR lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
(2. Mo 20 EU)
Jegliche Freiheit, die dieser Gott in Aussicht stellt, setzt stets die vollständige, exklusive Unterwerfung unter diesen Gott voraus. Es handelt sich dabei also keinesfalls um ein optionales Angebot zur freien Auswahl. Sondern um eine strafbewehrte Nötigung.
Die große Freiheit?
Dass man mit einem solchen Gottesbild heute niemand mehr hinter dem Ofen hervor- oder gar in die Kirche locken kann, haben freilich auch die Berufschristen erkannt:
Der Theologe Ernst Lange (1927 – 74, evangelischer Theologe) nannte sie einst die zehn Artikel der großen Freiheit, die Gott schenkt.
Eine Anordnung, deren Nichtbeachtung einer Bestrafung der betroffenen Person, dessen Kinder, deren Kinder und sicherheitshalber auch nochmal deren Kinder zur Folge hat als „große Freiheit, die Gott schenkt“ zu bezeichnen erscheint ähnlich zynisch wie der Spruch am KZ-Tor, dem zufolge Arbeit frei mache.
Und zynisch, bzw. überheblich gehts weiter:
Was auf Dauer glücklich macht
Dabei geht es dann allerdings nicht um jene grenzenlose Freiheit, von der manche träumen, als brächte sie ihnen das große Glück. Frei zu sein von allen Bindungen, auch von der Bindung an Gott, das hat noch keinen auf Dauer glücklich gemacht.
Herr Buß, Sie maßen sich an, Pauschal-Aussagen über das Glücklichsein anderer Leute zu machen?
Es mag ja sein, dass Sie Ihr religiös induziertes Stockholmsyndrom für unentbehrlich halten, um auf Dauer glücklich sein zu können. Vielleicht hilft es Ihnen ja, anderweitige Glücksdefizite zu kompensieren. Aber das befähigt und legitimiert Sie doch noch lange nicht, Menschen, die Ihre religiöse Realitätsverweigerung nicht teilen das Glücklichsein abzusprechen?
Richtig betrachtet?
Auch wenn mancher den Eindruck hat, die 10 Gebote engen das Leben total ein, so eröffnen sie doch, richtig betrachtet, einen erstaunlich weiten Freiraum. Es mag ja Auslegungen gegeben haben, die mehr Gesetz waren als Weisung Gottes, aber die zehn Gebote sind dem Menschen gegeben als eine Lebensordnung Gottes, in der einer dem anderen Raum zum Leben gibt, und nicht das Recht des Stärkeren gilt und die Freiheit des Marktes.
Die Zehn Gebote sind als Lebensordnung für den Menschen gemacht und nicht gegen ihn oder um ihn einzuengen oder zu drangsalieren.
Um Missverständnissen vorzubeugen, die bei Formulierungen wie diesen schnell (und sicher nicht unbeabsichtigt) entstehen könnten:
- Die biblischen Zehn Gebote sind keine Weisung Gottes.
- Sie sind auch keine von irgendeinem Gott gegebene göttliche Lebensordnung.
- Die Zehn Gebote haben sich Menschen ausgedacht.
- Genauso wie den Gott, mit dem diese Menschen ihre Gebote (und damit ihren eigenen Machtanspruch) legitimitierten.
Hat man sich von absurden religiösen Glaubensüberzeugungen erst mal befreit, kann man sich kaum noch vorstellen, dass solche Klarstellungen überhaupt noch erforderlich sein könnten.
Unnütze Leitplanken
[…] Es gibt Grenzen und Begrenzungen, die allererst ein freies Leben ermöglichen. Im Straßenverkehr sind das nicht nur die Schilder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Verboten, sondern vor allem die Leitplanken am Rande. Man braucht sie besonders dann, wenn man von der Straße abzukommen droht. Von der Art sind die Zehn Gebote.
Die biblischen Zehn Gebote beinhalten eine Reihe von Geboten, die sinngemäß in praktisch allen, auch schon viel älteren Gesellschaftsordnungen zu finden sind.
Einige davon sind banal: Eine Gesellschaft, die sich „Du sollst deine Mitmenschen töten“ als Gebot geben würde, würde wohl nicht lange überdauern.
Dazu kommen noch die Gebote, mit denen sich die Priester (damals mit großem, heute nur noch bedingt großem Erfolg) ihren eigenen Status sicherten. Indem sie den Menschen vorgaukelten, ihre Gebote seien gar nicht auf ihrem eigenen, sondern auf göttlichem Mist gewachsen.
Sinn und Zweck der biblischen 10 Gebote war es, einen halbnomadischen Wüstenstamm in der ausgehenden Bronzezeit einfacher führen zu können.
Religiöses Stockholm-Syndrom
Die negativen Formulierungen haben dennoch eine positive Botschaft. Nicht: dies und das musst du tun, um Gottes Willen zu erfüllen, sondern: dies und das kommt für dich nicht mehr in Frage, wenn du in lebendiger Beziehung zu dem Gott lebst, der es gut dir meint, weil er dich aus der Knechtschaft in die Freiheit führen will. Er ist ein eifernder, aber auch ein barmherziger Gott, eben ein leidenschaftlich liebender Gott, dessen Verhalten sich nicht ausrechnen lässt. Er ist der wahrhaft Freie, der wahre Freiheit gewährt – im Vertrauen auf ihn.
Um die Parallelen zwischen einer solch verdrehten Wahrnehmung und dem Stockholm-Syndrom zu erkennen, braucht man in dem hier zitierten Abschnitt nur mal „Gott“ durch „Kindesentführer“ zu ersetzen.
Dem Gott in der biblisch-christlichen Mythologie hatten seine Erschaffer exakt die Eigenschaften angedichtet, die man sich damals von einem mächtigen Stammesfürsten erhoffte. Der Erkenntnisstand und die Moral, die in dem ihm untergeschobenen Aussagen zum Vorschein kommen, entsprechen exakt denen des damaligen Erkenntis- und gesellschaftlichen Entwicklungsstandes.
Warum einige der 10 Gebote aus der Bibel nach heutigen Maßstäben trivial und andere völlig irrelevant sind, ist in diesem Beitrag nachzulesen.
Menschen, die heute noch behaupten, die 10 Gebote in der Bibel seien in dieser Zusammenstellung und Formulierung brauchbare (oder gar die einzig brauchbaren) „Leitplanken“ für das Zusammenleben der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert, der zeigt damit entweder Schwächen beim inhaltlichen Erfassen von Texten. Oder Schwächen bei der Wahrnehmung der Realität – oder beides.
Fundamentalistisch einseitig
Und trotzdem gelingt es der Kirche bis heute erstaunlich gut, die Legende von der christlichen Moral in den Köpfen von erstaunlich vielen Menschen aufrecht zu erhalten.
Berufschristen wie Stadtpfarrer Stefan Buß leisten ihren Beitrag dazu, wenn sie eine Version der biblisch-christlichen Lehre verbreiten, die sie mit geradezu fundamentalistischer Konsequenz so zurechtbiegen, dass sie angenehm und bedeutsam, zumindest aber unverfänglich und harmlos erscheint.
Das ändert freilich nichts daran, dass wir es mit einem im Grunde unmenschlichen und unethischen Belohnungs-Bestrafungskonzept zu tun haben. Das schon allein deshalb als Grundlage für moderne ethische Standards ausscheidet, weil es das Fürwahrhalten von absurden Prämissen voraussetzt.
Auffällig fundamentalistisch erscheint auch der mal mehr, mal weniger direkt formulierte Anspruch, im Besitz nicht nur einer, sondern der einzigen bzw. allen anderen Moralquellen überlegenen Moralquelle zu sein.
Wer wissen möchte, welche Werte tatsächlich als „Leitplanken“ für das Entstehen von freien und offenen Gesellschaften dienen können, dem sei einmal mehr das Buch „Der Bauplan der Freiheit: Freie Gesellschaften wachsen nicht auf Bäumen“ zur Lektüre empfohlen.
Das schlimmste an der Sache ist:
Das ganze Brimborium der Bibel, das angebliche Wort ihres Gottes gilt ausschlieslich -NUR FÜR DAS VOLK ISRAEL-, DAS auserwählte Volk Yahwehs!
Alle anderen Völker spielen dabei überhaupt keine Rolle, ausser dass man seine Sklaven bei ihnen kaufen durfte, wenn man sich diese nicht mal eben durch Genozid aneignete…
Ist aber kein Wunder, reichte das damalige Weltbild (Scheibe) nur vom Auge des Betrachters bis zum wahrnehmbaren Horizont.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die Bibel (auch hier) selbst widerspricht.
Im 5. Gebot, aktuelle Fassung steht. Du sollst nicht töten (2. MO 20)
Direkt danach (ab 2. MO 21) werden eine ganze Reihe von Taten beschrieben, die ausdrücklich mit dem Tode bestraft werden.
Des Weiteren hat der biblische Gott ja selber (nach der Bibel) aktiv Menschen getötet bzw ihren Tod befohlen – auch wenn sie nicht gegen die Regeln verstoßen haben…
Das grösste Wunder des Christentums ist immer noch die Bibel:
Sollten dies tatsächlich die Worte eines Gottes sein, warum steht da:
„Am Anfang schuf Gott…“ Wer hat das aufgezeichnet?!
Ein Mensch, der bereits vor der „Schöpfung“ existierte?!
Warum steht da nicht: Am Anfang schuf ICH…
Warum war dieser ungenannte Chronist der Bibel bereits existent, bevor Gott den ersten Golem (lebendiger Lehm/Demigott/Adam) erschuf?!
Wo kam dieser „ungeschöpfte“ Nachrichtensprecher her???
Nach der Katholischen Kirche hat Gott das irgendwann später den „Chronisten“ erzählt.
105 Gott ist der Urheber [Autor] der Heiligen Schrift. ,,Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift schriftlich enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden.“ (Katechismus der Kath. Kirche,
ERSTER TEIL DAS GLAUBENSBEKENNTNIS
ERSTER ABSCHNITT ,,ICH GLAUBE“ – ,,WIR GLAUBEN“
ZWEITES KAPITEL GOTT GEHT AUF DEN MENSCHEN ZU
ARTIKEL 3 DIE HEILIGE SCHRIFT
II Inspiration und Wahrheit der Heiligen Schrift)
Nich nur das, lieber Uwe!
Gott verstößt doch selbst mehrmals dagegen!
Habe ich doch geschrieben 🙂
Da drängt sich mir immer wieder die Frage auf, wie (und warum) Menschen ihr ganzes Laben nach der Bibel ausrichten können?
Und sich so in der Liebe von Jahwe& Sohn geborgen fühlen können!
Warum finden die nicht im irdischem Leben Halt, Liebe und Geborgenheit?