Während ein Franziskanerbruder im Kloster Kreuzberg die Regenbogenfahne hisst, vertritt der Stadtpfarrer von Bad Brückenau klar das katholische Nein zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.
Franziskanerbruder Korbinian Klinger ofm ist als Guardian of the Kloster Kreuzberg gerade mit einer bemerkenswerten Aktion in Erscheinung getreten: Am Fahnenmast des Franziskanerklosters Kreuzberg hisste er die Regenbogenfahne. Um damit seinen Protest gegen die Vorgabe seiner Kirche zum Ausdruck zu bringen, nicht heterosexuellen Paaren den kirchlichen Segen zu verweigern.
Regenbogenfahne am Kloster Kreuzberg: Breite Zustimmung
Für diese Aktion hat er in den sozialen Medien breite (und fast einmütige) Zustimmung erfahren.
Auf Facebook hatte Herr Klinger zu seiner Protestaktion geschrieben:
Ich spreche nur für Mich: Bruder Korbinian Klinger, Guardian des Franziskanerklosters Kreuzberg:
Ein Zeichen gesetzt, unter dem Beifall einiger zufällig vorbeikommender Wanderer, die das Zeichen der Regenbogenfahne zu deuten wussten. Nein zum Nein aus Rom
Ich unterstütze den Aufruf SEGEN FÜR ALLE. […]
(Quelle: Br. Korbinian Klinger ofm via Facebook)
Keine Frage: Noch vor wenigen Jahren (wenn überhaupt) wäre es wohl völlig unvorstellbar gewesen, dass in einem Kloster der katholischen Kirche eine Regenbogenfahne weht.
Unabhängig von ihrer persönlichen Einstellung bezüglich gleichgeschlechtlicher Beziehungen waren Berufschristen immer gut beraten, sich hier zurückhaltend zu verhalten:
„Vor 10 Jahren hätte ich mich garantiert nicht geoutet“
(Bernd Mönkebüscher, katholischer Priester via deutschlandfunk.de)
Darf man jetzt also hoffen, dass die katholische Kirche in Deutschland endlich begonnen hat, zur Gegenwart aufzuschließen? Zwar etliche Jahre verspätet, aber immerhin? Zumal die gesetzliche Liberalisierung ja auch noch gar nicht sooo lange her ist:
Paragraf 175: Späte Abschaffung eines Relikts aus vergangenen Zeiten
Auch wenn es heute kaum noch vorstellbar erscheint: Der Paragraf 175 war erst 1994 (!) aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden:
Bis 1969 stand männliche Homosexualität in der Bundesrepublik Deutschland generell unter Strafe. Dessen Paragraph 175 lautete:
- „Widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“
[…] Erst im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und der Zusammenführung ihrer Rechtssysteme wurde der Paragraph 175 im März 1994 nach diversen Gesetzesinitiativen endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.
(Quelle: bpb.de – 1994: Homosexualität nicht mehr strafbar)
An diesem Beispiel lässt sich gut eine wichtige Eigenschaft von weltlicher Gesetzgebung erkennen: Diese kann weiterentwickelt werden, wenn sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat.
Wer sich bei seinen Sichtweisen und Gesetzen an der Binnenlogik archaischer Mythologie orientiert, aus der er das, was ihm in den Kram passt in dogmatische Fundamente gegossen hat, der tut sich da freilich wesentlich schwerer.
„Ich spreche nur für mich“
Zurück zu Bruder Korbinian Klinger ofm. Der seinem Statement einen wichtigen Hinweis vorausschickte: Ich spreche nur für mich.
Die meisten der Kommentare zu seinem Post legen die Vermutung nahe, dass viele Kommentatoren diesen Hinweis wohl überlesen hatten. Sie überschlagen sich förmlich mit ihrem Lob für das Statement eines einzelnen Berufschristen. Und deuten dies fälschlicherweise als Zeichen dafür, dass sich die katholische Kirche hier weiterentwickelt hätte.
Dem ist jedoch nicht so. Ganz im Gegenteil:
Dass die katholische Kirche eisern auf ihrem bisherigen Standpunkt verharrt und eine Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen nach wie vor ausgeschlossen ist, hatte Papst Franziskus gerade erst wieder unmissverständlich klar gestellt. Genauso wie auch das Festhalten am Zölibat, der katholischen Sexualmoral und an der Nichtzulassung von Frauen zu Weiheämtern: Alles bleibt genau so, wie es ist.
In einer patriarchialisch-absolutistischen Wahlmonarchie wie die katholische Kirche eine ist, regiert der Chef von oben nach unten. Der Kirchenkonzern ist keine basisdemokratische Angelegenheit.
Daran ändern auch die Schäfchen nichts, die sich auf den Synodalen Weg gemacht haben. In der Hoffnung, ihre Kirche wenn schon nicht ins 21., dann doch zumindest mal ins 20. Jahrhundert zu bringen.
Und der Bischof so: „Wir haben doch alles versucht…!“
Und auch die Brüder, Priester und Bischöfe, die sich gerade öffentlich gegen das römische Segnungsverbot gleichgeschlechtlicher Partner positionieren, dürften wohl kaum ernsthaft damit rechnen, durch ihr Engagement daran auch nur einen Millimeter etwas grundsätzlich verändern zu können.
Ein Kollege vom MGEN-Podcast hatte im gerade veröffentlichten Segment zu diesem Thema eine plausibel klingende Vermutung geäußert:
Er geht davon aus, dass die Bischöfe, die derzeit mit einem „Nein zum Nein aus Rom“ an die Öffentlichkeit gehen, nur allzu gut wissen, wie ihre Chancen auf nachhaltige Veränderungen stehen.
Er hält diese Aussagen für eine PR-Strategie, um die noch verbliebenen engagierten KatholikInnen nicht auch noch zu vergraulen.
Später werden die Kirchenfunktionäre dann sagen können: „Wir haben ja wirklich alles versucht, aber das letzte Wort hat natürlich der Papst.“
Da erscheint das Statement von Bruder Korbinian mit seiner Regenbogenfahne am Kloster Kreuzberg schon deutlich authentischer.
Glaubensabfall! Ungehorsam! Reihenweise!
Aber neben der breiten Zustimmung finden sich auch vereinzelt Stimmen, die stattdessen den Standpunkt der katholischen Kirche bestätigen:
Das Verhältnis zwischen der Anzahl der Befürworter der Regenbogenfahne am Kloster Kreuzberg und dem, was sie symbolisiert zur Anzahl jener, die in dieser Aktion einen Glaubensabfall und Ungehorsam sehen dürfte repräsentativ für die Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland sein:
Einer großen Mehrheit von Mainstream-Christen, die es halt nur noch nicht geschafft haben, sich ganz von ihrem Glauben zu befreien steht eine kleine Minderheit an katholischen Fundamentalisten gegenüber. Die sich durch solche Entwicklungen erst recht noch weiter radikalisieren dürften.
Pfarrer Hans Thurn: „Verständnis entgegenbringen und pastorale Hilfe anbieten“
Aber nicht nur einige Bischöfe und besonders katholische Schäfchen stellen einen stramm katholischen Kurs zur Schau. Man braucht vom Kreuzberg nur ein paar Kilometer weiterzufahren, um in Bad Brückenau einen Priester anzutreffen, der sich deutlich für den päpstlichen Standpunkt ausspricht:
Zwar spricht er [Pfarrer Hans Thurn, Anm. v. mir] sich dafür aus, dass es allen Menschen aufgegeben sei, „homosexuell veranlagten Menschen Verständnis entgegenzubringen“ und ihnen „pastorale Hilfe anzubieten.“ Aber: „Eine kirchliche Anerkennung als Institution können gleichgeschlechtliche Partner nicht erlangen.“
(Quelle: Mainpost, Ausgabe Bad Kissingen, 22.3.2021)
Klar: Wen oder was die Kirche anerkennt und wen oder was nicht, ist ihre Sache.
Biblische Begründung
Wie allerdings ein Mensch wie Herr Thurn offenbar tickt wird deutlich, wenn man die Bibelstellen betrachtet, die er zur Begründung seines Standpunktes nennt:
- Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen.
- Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen;
- ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.
(Quelle: Römer 1, 25-27 EU)
…und die zweite Stelle, hier hervorgehoben im Kontext:
- Wir wissen aber: Das Gesetz ist gut, wenn es jemand im Sinn des Gesetzes anwendet
- und bedenkt, dass das Gesetz nicht für den Gerechten bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Ungehorsame, für Gottlose und Sünder, für Menschen ohne Glauben und Ehrfurcht, für solche, die Vater oder Mutter töten, für Mörder,
- Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, für Leute, die lügen und Meineide schwören und all das tun, was gegen die gesunde Lehre verstößt,
- gemäß dem Evangelium von der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut ist.
(Quelle: 1. Timotheus 1,10 EU)
Einmal mehr wird hier deutlich, wie unbrauchbar die Bibel zur Beantwortung gesellschaftlicher, rechtlicher oder ethischer Fragen der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert ist.
Den Verfassern dieser Zeilen kann man kaum einen Vorwurf machen: Einer davon dürfte ein psychisch kranker, religiöser Fanatiker gewesen sein, der hier seine Ansichten niedergeschrieben hatte.
Anders sieht es aus, wenn es um Leute geht, die mit solchen Bibelstellen heute noch argumentieren: Hier muss man sich schon schwer zusammenreißen, einen Herrn Thurn nicht mit einem vulgären F-Wort aufzufordern, er möge sich selbst begatten.
Katholizismus in Bad Brückenau: Aufruf zum Gottesdienst-Boykott
Erfreulicherweise scheinen das (zumindest so ähnlich) auch einige KommentatorInnen so zu sehen. Von denen eine direkt zu einem Boykott der Gottesdienste dieses Pfarrers aufruft:
Wie oben schon kurz erläutert, dürfte das mit den Lämmern, die ihre Hirten auf den richtigen Weg zurückbringen allerdings wohl kaum mehr als ein hoffnungsvoller Wunsch bleiben.
Denn egal, wie tolerant und liberal sich der Papst auch geben mag – wer oder was gesegnet wird und wer nicht, das bestimmt immer noch er. Heterosexuelle, Haustiere, Waffen, Feuerwehrautos, Autobahnen: Immer gerne. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften: Niemals! Mein Spiel, meine Regeln.
Bleibt noch die Frage, warum Menschen überhaupt noch Wert darauf legen, ihre Partnerschaft von der katholischen Kirche „segnen“ zu lassen. Also mal abgesehen von der zugehörigen Zeremonie, auf die manche eben nicht verzichten möchten. Und die man freilich mindestens genauso feierlich auch ohne irgendwelche religiös-fiktive Wirklichkeitserweiterungen zelebrieren kann.
Was versprechen sich Menschen davon, einen göttlichen Segen zu erhalten?
Eine Segnung im religiösen Sinn bedeutet, dass ein Mensch, der sich dazu befähigt/berufen fühlt vorgibt, in der Lage zu sein, einen Gott, den er, im Fall des Christentums, für den allmächtigen und allgütigen Schöpfer des Universums hält dazu bringen zu können, dass dieser Gott seinen ewigen göttlichen Allmachtsplan im Interesse von Vertretern seiner bevorzugten Trockennasenaffenart gegebenenfalls ändert, wenn ihn ein Priester untertänigst darum bittet.
Ohne diese, selbst innerhalb der christlichen Binnenlogik absurde Annahme ergibt eine Segnung keinen Sinn. Denn das ist es ja gerade, was eine Segnung von einem gewöhnlichen Glückwunsch unterscheidet.
Und wie gehts jetzt weiter…?
Die katholische Sexualmoral ist nur ein Bereich von vielen, in denen das katholische Kartenhaus gerade vermutlich stärker ins Wackeln kommt als je zuvor.
Die Erkenntnis von immer mehr Laien- und Berufschristen, wie wenig ausgerechnet das, was die katholische Kirche von anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften unterscheidbar macht noch zur Lebenswirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert passt, könnte gar zu einer Kirchenspaltung führen.
Ein solches Schisma hätte dann womöglich doch Auswirkungen, die bis nach Rom reichen könnten. Bislang jedenfalls gelingt es dem Papst noch, eine Spaltung seiner Kirche vermittels Gebet zu verhindern.
Ob das Kloster Kreuzberg jetzt zum Wallfahrtsort für queere Gläubige wird? Und ob sich bestimmte Kreuzbergwallfahrer jetzt neue Wallfahrtsziele suchen, wenn es denn irgendwann mal wieder auf dem nichtsynodalen, sondern auf dem römisch-katholischen Weg singend und Rosenkranz betend über Land geht?
Das kann man wohl sagen: Es bleibt spannend!
Und: Je länger und entschiedener die katholische Kirche an ihren Alleinstellungsmerkmalen festhält, desto peinlicher dürfte es den Mainstream-Christen sein, sich noch als katholisch zu outen. Zum Glück gibt’s
Was ich an der ganzen Sache imer noch nicht verstehe:
Wie kann man als homosexueller Mensch sich überhaupt als Christ bezeichnen? Die Bibel und das Dogma der Kirche ist da ja ganz eindeutig.
Als Schwarzer strebe ich doch auch keine Mitgliedschaft beim KuKluxKlan an und schreie dann laut „Diskriminierung“, wenn die mich nicht wollen!
Irgendwie seltsam…
Warum wollen Paare, ob homo- oder heterosexuell, überhaupt eine solche Segensveranstaltung und was erwarten sie sich von einer kirchlichen Trauung?
Weil ein solcher Ritus eben dazugehört, weil die ältere Verwandtschaft es so will, weil man/frau sich in diesem Rahmen besser präsentieren kann, weil das so feierlich ist, weil die FreundInnen auch so geheiratet haben, weil so ein kirchlicher Segen ja nicht schaden kann. Man will ja nichts unversucht lassen für das gemeinsame Glück.
Und das gemeinsame Erhoffen zukünftiger Dinge, die in einem nicht abgegrenzten Zeitraum liegen, sieht die Kirche als eine ihrer Kernkompetenzen.
Als „heiliges Sakrament“ sieht eine Trauzeremonie kaum jemand. Mehr als einen weiter nicht definierten Segen von oben versprechen sich nicht einmal fromme Christen, auch nicht gleichgeschlechtlich Liebende, was jeden linientreuen Pfarrer in Rage bringen kann, wie etwa Pfr. Thurn aus Bad Brückenau..
Ein bürgerlicher Vertrag mit Beurkundung lässt sich mindestens genauso feierlich zelebrieren und mit genau so vielen Glückwünschen für ein gutes Gelingen der Verbindung abschließen.
Ob eine Ehe mit sakramentalen Beschwörungsformeln stabiler oder glücklicher ist, möge sich jeder selbst beantworten.
Die Kirchliche Segnung (bzw. der Segen Gottes) für homosexuelle Paare, ist mit dem Christlichem Glauben nicht vereinbar!
Es gibt keinen Hinweis in dem Glauben, geschweigen denn in der Bibel, der Homosexualität befürwortet!